Arschang Valipour leitet die Abteilung für Innere Medizin und Pneumologie an der Klinik Floridsdorf.

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Das Krankenhaus übernimmt, neben der Klinik Favoriten, die Behandlung von Wiener Patienten mit Covid-19.

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STANDARD: Wie ist aktuell die Lage auf Ihrer Station?

Valipour: Wir behandeln derzeit rund 45 Patientinnen und Patienten auf der speziell für Covid-19 ausgerichteten Normalstation und an der Intensivstation. Laut Stufenplan des Wiener Gesundheitsverbunds sind wir nach der Klinik Favoriten nun das zweite Krankenhaus, das die Versorgung von Covid-Fällen übernommen hat. Vereinzelt behandeln wir auch Patientinnen und Patienten in der Nachsorge, um sicherzustellen, dass etwaige Langzeitschäden rechtzeitig erkannt und, sofern möglich, behandelt werden.

STANDARD: Wie ist die aktuelle Lage im Vergleich zum Frühjahr?

Valipour: Zwar steigt die Zahl der Neuinfektionen, dennoch infizieren sich derzeit vor allem jüngere Menschen, die gar nicht erst ins Krankenhaus müssen. Zudem ist der Spitalsbetrieb gut vorbereitet, und Covid-19 kann mittlerweile besser behandelt werden.

STANDARD: Wie wird behandelt?

Valipour: Unsere Patientinnen und Patienten sind gut versorgt und werden den Standards entsprechend behandelt. Mittlerweile gibt es eine Vielzahl an Erfahrungswerten und zahlreiche klinisch-wissenschaftliche Untersuchungsergebnisse. Insgesamt ist die Therapie besser geworden seit Beginn der Pandemie. Derzeit scheint sich im klinischen Alltag zu bestätigen, was sich in wissenschaftlichen Studien bereits gezeigt hat: Wird in einer frühen Phase der Erkrankung etwa Cortison verabreicht, müssen weniger Patientinnen und Patienten auf Intensivstationen behandelt werden. Wie sich das auf die Gesamtmortalität auswirkt, müssen aber Langzeitbeobachtungen erst noch zeigen.

STANDARD: Spitzt sich die Lage in den Spitälern zu?

Valipour: So würde ich es nicht formulieren. Ja, wir haben jetzt mehr stationäre Covid-Patienten als noch vor einem Monat, unsere Ressourcen sind aber nicht ausgeschöpft. Es ist nachvollziehbar, dass gesundheitspolitische Maßnahmen aktuell wieder forciert werden, um zu gewährleisten, dass wir nicht an unsere Kapazitätsgrenzen kommen – davon sind wir derzeit aber weit entfernt. Wir haben immer noch weniger Spitalspatientinnen und -patienten als in der akuten Phase der Pandemie.

STANDARD: Gehören die Patientinnen und Patienten, die Sie behandeln, zur Risikogruppe?

Valipour: Die Population jener, die stationär im Krankenhaus behandelt werden müssen, hat sich seit der ersten Welle nicht wesentlich verändert. Es sind vor allem ältere Menschen und Personen der Risikogruppen, etwa mit chronischen Lungen- und/oder Herz-Kreislauf-Erkrankungen.

STANDARD: Rechnen Sie mit einem Anstieg der Hospitalisierungen?

Valipour: Ja, das hat sich auch schon in den letzten zwei Wochen abgezeichnet. Wir müssen davon ausgehen, dass es in den nächsten Wochen zu einem weiteren Anstieg kommt.

STANDARD: Aber mit Verzögerung zum Anstieg der Neuinfektionen?

Valipour: Ja, denn Patientinnen und Patienten mit schweren Verläufen müssen meist rund sieben bis zehn Tage nach dem Auftreten erster Symptome im Spital behandelt werden.

STANDARD: Wie dramatisch wird die Situation im Herbst und Winter?

Valipour: Unser Gesundheitssystem ist gut auf den Herbst vorbereitet. Im Wiener Gesundheitsverbund gibt es einen klaren Plan, wer was wann wo und wie machen muss. Die Spitäler reden miteinander, es gibt regelmäßige Meetings – Organisation und Behandlung sind abgesprochen. Zudem sind ausreichend Expertise und Intensivbetten vorhanden. Wir können nur mutmaßen, wie der Herbst wird. Durch konsequentes Einhalten der Maßnahmen und aus heutiger Sicht glaube ich aber, dass wir gut über die Runden kommen werden. (Bernadette Redl, 16.9.2020)