Zwei Kunsthistoriker mit Hang zur Off-Szene: Victoria Dejaco und Michael Wonnerth-Magnusson öffnen ihre neue Galerie in der Wiener Innenstadt jüngeren Künstlern.

Foto: Peter Mochi

Der riesige orange Schlüssel hängt jetzt im ersten Bezirk. Jahrelang markierte er den Eingang des Kunstvereins New Jörg auf der Brigittenauer Jägerstraße. Ein Fremdkörper in dieser kunstfernen Gegend, die von Gemeindebauten und Geschäften für den Handybedarf dominiert wird. Angebracht hatte ihn der Künstler Georg Petermichl vor drei Jahren, als er in der Off-Off-Galerie im 20. Bezirk eine Ausstellung ausrichtete. Der Schlüssel war eine Reproduktion des Türschlüssels des Kunstvereins.

Für die Eröffnungsausstellung der Galerie Wonnerth Dejaco fertigte er jetzt abermals einen an, statt neon-orange ist dieser Leuchtstoffröhren-weiß, und statt die Tür zum Kunstverein in der Jägerstraße 56 schließt er jene zur Galerie in der Ballgasse 6 auf. Der neue Schlüssel hängt im Ausstellungsraum, der alte über dem Schreibtisch der Neo-Galeristen Victoria Dejaco und Michael Wonnerth-Magnusson. Die beiden Kunsthistoriker eröffneten den jüngsten Neuzugang in der zuletzt arg gebeutelten heimischen Galerienszene. Bereits vor Corona durch den immer größeren finanziellen Druck belastet, mussten Galerien in den vergangenen Monaten mit abgesagten Messen und fehlenden Besuchern zurechtkommen. In einer solchen Situation neue Ausstellungsräume zu eröffnen grenzt an Übermut. Dem widersprechen auch die beiden Neu-Galeristen nicht.

Unter der Pawlatsche

Nachdem sie jahrelang für Galerien, Kunstvereine und Sammlungen arbeiteten (Dejaco) oder selbst kuratierten (Wonnerth-Magnusson), beschlossen sie, ihr eigenes Ding zu machen. Die Räumlichkeiten im Innenhof eines barocken Pawlatschen-Gebäudes im Ersten Bezirk waren einigermaßen kostengünstig zu haben, die Kontakte zu der Szene rund um die vielen selbstverwalteten Kunsträume eng.

Die heimischen Project-Spaces sind der Nährboden, aus dem Dejaco und Wonnerth-Magnusson schöpfen. Künstler wie Petermichl, Philipp Fleischmann oder Katharina Höglinger haben hier ihre ersten Schritte gemacht. Von Galerien unter Vertrag genommen werden jüngere Künstler aber selten.

Auch für Petermichl (geb. 1980) ist Wonnerth Dejaco die erste Galerie. Neben den beiden Schlüssel-Skulpturen zeigt er eine Serie von Keramikvasen mit dem gemeinsamen Titel Clash. Ihnen gemeinsam sind die im Ton eingeschmolzenen, verformten Cola-Werbegläser.

Auch die zweite Serie, die in den beiden Ausstellungsräumen zu sehen ist, spielt mit unterschiedlichen Wertigkeiten. Normalerweise wird Silicagel Produkten zugesetzt, um sie trocken zu halten. Petermichl verwendet die Gel-Stücke dagegen für Fotogramme. Über die lichtempfindliche Oberfläche von Fotopapier gestreut, ergeben sie abstrakte Muster, die an Sternenbilder erinnern.

Das Randständige wird in der Ballgasse 6 ins Zentrum gerückt. Kein schlechtes Programm für eine neue Galerie. Jetzt kann es beweisen, dass es dort auch hingehört. (Stephan Hilpold, 16.9.2020)