Das Mais-Mural stammt von Monika Sims’ Mann Jeffrey, die Tacos presst und bäckt sie, gemeinsam mit Elisa Camarillo (li.), selbst.

Foto: Gerhard Wasserbauer

Bis zu uns hat sich noch kaum herumgesprochen, dass die mexikanische Küche so circa die beste der Welt ist und der Produktfetischismus mexikanischer Köchinnen und Köche (von der Vielfalt der Küchentechniken und Würzkombinationen nicht zu reden) sogar italienische Nonnas eher alt aussehen lässt. In Wien eine wahrhaftige Tortilleria und Taqueria aufzusperren ist also keine g’mahde Wiesen.

Zum Glück sind die Tiroler und Tirolerinnen sprichwörtlich stur, auch nach 27 Jahren in New York und Los Angeles. Monika Sims ist so eine, weshalb sie nach ihrer Rückkehr eine Nassmühle für täglich frisch mit Kalkwasser (einer schwachen Calciumhydroxid-Lösung, Anm.) einzuweichenden Mais anschaffte und Anfang September einfach aufsperrte.

Das frühere Roots auf der Schönbrunner Straße wurde so umgebaut, dass die Mühle Platz findet und hinter einer Budel jeder Taco frisch gepresst, gebacken und gefüllt wird. Auf dem Wandbord liegt ein Kochbuch von Enrique Olvera, dem Gott der neueren mexikanischen Küche, zur gefälligen Weiterbildung der Gäste auf.

Nixtmalisation, das Einweichen der trockenen Maiskörner in Kalkwasser, wird in Mexiko seit Maya-Zeiten gepflogen und verändert die Struktur des Mais so, dass essenzielle Vitamine für den menschlichen Organismus aufgeschlossen werden und der Teig gute Klebereigenschaften bekommt.

Tortillas aus frisch gemahlenem Mais sind in der mexikanischen Küche der Goldstandard. Sie bedingen halt, dass man jeden Abend den Tschoch des Maiswässerns hat und am Morgen jenen, ihn zu mahlen. Für Monika Sims war das stets die einzige Option: wenn, dann richtig.

Ursprünglich wollte sie überhaupt nur Tortillas pressen und verkaufen, auf dass die lieben Wiener sich ihre Barbacoas, Carnitas, Cochinitas pibiles und anderen Grill- und Schmorgerichte samt Salsas und anderen Fixings eben selber dazu machen. In Kalifornien, wo die mexikanische Küche seit Jahrzehnten als begehrenswert etabliert ist, geht das.

Barbacoa aus dem Blatt

Zum Glück haben Sims’ Wiener Freunde angemerkt, dass unsereins erst einmal einen Zustand zu dieser Küche finden muss und es durchaus angezeigt sei, damit an Ort und Stelle zu beginnen. Weshalb es jetzt von Montag bis Freitag, vorerst nur mittags, dreierlei Tacos (einer davon vegetarisch) gibt, für die man sich an der Budel anstellt.

Barbacoa vom Lamm zum Beispiel, in Ancho-Chile-Sauce mariniert, in Bananenblätter gewickelt und die ganze Nacht über langsam gegart, ist von fantastischer Geschmackstiefe. Adobo von der Rinderbrust, zu saftstrotzenden Fasern zerfallen, wird ebenso langsam mit Anchos und Guajillo-Chiles, Orangensaft, Zimt, Anis, Nelken und anderen Gewürzen mehr geschmort – explodiert am Gaumen auch dank der Kombination mit Essigzwiebelchen, Habañero-Salsa, und allerhand knackigem Gemüse.

Zu Mittag gibt es dreierlei Tacos (einer davon vegetarisch), für die man sich an der Budel anstellt.
Foto: Gerhard Wasserbauer

Die Tortillas drängen sich mit ihrem satten, röstigen Maisaroma und der zarten Konsistenz keineswegs vor, heben die Fillings aber souverän auf das Podest, das ihnen gebührt. Kürbis und schwarze Bohnen werden mit getrockneten Avocadoblättern, Epazote-Kraut, frischem Jalapeño und anderem mehr geschmort – mindestens so gut wie etwa das fantastische Pork Chilorio, das erst gekocht und dann mit ganzen Guajillos, Lorbeer, mexikanischem Oregano und Essig in Schmalz gebraten wird.

Zu alldem trinkt man einstweilen Corona oder mexikanische Limos und Cola. Wenn alles gut läuft, soll aber auch abends aufgesperrt werden – dann plant Jeffrey Sims, seine in New Yorker Bars perfektionierte Cocktail-Expertise verstärkt auszuspielen. (Severin Corti, RONDO, 18.9.2020)

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