Eine halbe Ewigkeit entfernt scheint trotz der ange nehmen Temperaturen der Sommer, als in Österreich landläufig über Reisewarnungen nur insoweit diskutiert wurde, ob der Badeurlaub nun an Kroatiens Stränden verbracht werden kann oder eben nicht. Denn nun scheint sich der Spieß umzudrehen: Weil die Corona-Infektionszahlen hierzulande steigen, wird bei den Nachbarn nun mehr oder weniger laut darüber nachgedacht, ob es nun nicht an der Zeit wäre, Österreicher ihrerseits möglichst fernzuhalten – und eigene Bürger aus Österreich. Von der Schweiz bis Ungarn wird dies höchst unterschiedlich gehandhabt.

Deutschland: Österreich unter Beobachtung

So geht etwa in Deutschland seit Tagen das Gerücht, die Bundesregierung könne Wien oder gleich ganz Österreich als "Risikogebiet" einstufen. Am Mittwoch war es dann so weit, allerdings nur für die Bundeshauptstadt. "Seit dem 5. September liegen deutlich mehr als 50 Neuinfektionen pro 100.000 Einwohner vor, daher sehen wir uns zum Handeln gezwungen", hieß es am Vormittag zum STANDARD. Die Entscheidung treffen das Auswärtige Amt, die Ressorts für Inneres und Gesundheit sowie das Robert-Koch-Institut in Berlin. Sie solle am Abend fallen, und Wien offiziell zum Risikogebiet erklären.

Im Frühling waren sogar Wander- und Radwege zwischen Österreich und Deutschland gesperrt.
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Damit gelten für Reisende von Österreich nach Deutschland folgende Kriterien: Man muss einen negativen Corona-Test vorlegen, der nicht älter als 48 Stunden ist, oder sich direkt nach der Ankunft nach Hause begeben und dort zwei Wochen lang in Quarantäne begeben. Obligatorisch ist dann die sofortige Meldung beim Gesundheitsamt.

Eine Einstufung als Risikogebiet würde aber ebenso wenig wie eine Reisewarnung bedeuten, dass man in das entsprechende Land gar nicht mehr reisen darf. Eine Reisewarnung ist nur ein Hinweis, aber kein juristisches Ausreiseverbot. In Deutschland wurden Reisenden, die aus dem Urlaub zurückkamen, in den vergangenen Wochen kostenlose Corona-Tests angeboten, auch wenn sie sich zuvor nicht in einem Risikogebiet aufgehalten hatten. Dieses Angebot endete allerdings am Montag.

Ungarn: Geschlossene Grenzen

Ungarn ließ am 1. September aufhorchen: Binnen kurzer Frist schloss Österreichs östliches Nachbarland seine Grenzen – vorerst bis 1. Oktober. Ausländer und ungarische Urlaubsrückkehrer würden das Coronavirus "einschleppen", argumentierte die nationalkonservative Regierung von Viktor Orbán. Es gibt zwar Ausnahmen, etwa für Geschäftsreisende, Künstler, Sportler und Pendler, Urlaubsreisen nach Ungarn sind derzeit aber nicht möglich. Auch heimkehrende Ungarn müssen in eine 14-tägige Quarantäne, ergibt sich ein Verdacht auf eine Covid-19-Infektion, kann diese, so kein Wohnplatz in Ungarn besteht, auch in behördlichen Einrichtungen angeordnet werden.

Slowenien wartet ab

In Slowenien werden derzeit keine Maßnahmen wegen der Situation in Österreich ergriffen. Denn die Zahl der Infizierten steigt auch in Slowenien an. Einige Regionen stehen bereits auf der "Roten Liste". Kleine offene Volkswirtschaften wie Slowenien sind zudem von Maßnahmen besonders betroffen. "Daher werden Beschränkungen erst angewendet, wenn die Spitäler einem hohen Druck ausgesetzt sind und das Risiko besteht, dass Infektionen aus anderen Ländern mit weniger restriktiver Politik importiert werden", meint der Politologe Marko Lovec von der Universität Ljubljana.

Italien: Ohne Einschränkungen

Österreich befindet sich auch in Italien nach wie vor auf der Liste jener Länder, aus denen man ohne Beschränkung einreisen darf: Es besteht keine Pflicht, sich vor seiner Reise auf das Coronavirus testen zu lassen, und die Touristen aus Österreich müssen ihre Präsenz in Italien auch nicht den Behörden melden. Trotz der steigenden Fallzahlen erwägt in Rom derzeit niemand, daran etwas zu ändern: Die Gesundheitsbehörden vertrauen auf die neuen, in Wien erlassenen Maßnahmen zur Beschränkung der Epidemie.

Weil aber einzelne italienische Regionen – besonders im Süden – eigene Regeln kennen, wird empfohlen, sich bei den zuständigen regionalen Gesundheitsämtern vor der Reise über etwaige Vorschriften, die über die nationalen Regelungen hinausgehen, zu informieren.

Schweiz: Wien ist Risikogebiet

Was hingegen Berns Gesundheitsminister Alain Berset am Montag auf einer Pressekonferenz verkündete, traf Österreich wie ein Paukenschlag: Die Schweiz betrachtet Wien als Risikogebiet – wer innerhalb von zehn Tagen länger als 24 Stunden in Wien war und in die Eidgenossenschaft einreist, muss sich innerhalb von zwei Tagen bei den Behörden melden und sich zehn Tage in Quarantäne begeben. Bis zu umgerechnet 9300 Euro werden fällig, wenn man sich daran nicht hält. Die Krux dabei: Auch ein negatives Covid-19-Testergebnis hebt die Quarantänepflicht weder auf, noch verkürzt es die Dauer der Quarantäne, wie das Außenministerium betont.

Einreisende aus Grenzregionen – etwa aus Vorarlberg und Tirol – sind derzeit aber generell von der Quarantänepflicht ausgenommen, auch wenn die Corona-Fallzahlen ansteigen sollten, wird betont. Wer aus einem anderen Bundesland kommt, aber vom Wiener Flughafen Schwechat – bekanntlich in Niederösterreich – aus per Flugzeug einreist, erspart sich die Quarantäne. Das kleine Fürstentum Liechtenstein an der Grenze zu Vorarlberg hält es, was die Einstufung Wiens betrifft, gleich wie die Schweiz.

Tschechien und Slowakei

Während die Slowakei ihr Nachbarland Tschechien am Montagabend zum Corona-Risikoland mit Quarantänepflicht für Einreisende erklärt hat, gab der zuständige nationalen Corona-Krisenstab in Bratislava für Österreich lediglich eine Empfehlung ab: Slowakinnen und Slowaken sollten nicht notwendige Reisen dorthin möglichst vermeiden. Ende vergangener Woche hatte die Pandemiekommission noch befunden, Österreich "beginne auch in die rot blinkende Zone zu gelangen".

Gemeinsam mit Österreich und der Slowakei hatte Tschechien erst in der vergangenen Woche vereinbart, künftig in der Corona-Krise stärker zu kooperieren. Aktuell sieht die Regierung in Prag keinerlei Grenz- oder Gesundheitskontrollen zu Österreich vor – trotz steigender Infektionszahlen dies- und jenseits der Grenze.

(Birgit Baumann, Florian Niederndorfer, Dominik Straub, Adelheid Wölfl, 16.9.2020)