Bundeskanzler Sebastian Kurz (li.) begrüßt den ukrainischen Präsidenten Wolodymyr Selenskyj im Rahmen eines offiziellen Besuches in Wien.

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Wien – Bundeskanzler Sebastian Kurz (ÖVP) hat dem ukrainischen Präsidenten Wolodymir Selenskyj versichert, dass Österreich "auch weiterhin ein verlässlicher Freund und Partner der Ukraine" sei. Auch wenn man, wie etwa über das Pipelineprojekt Nord Stream 2 unterschiedlicher Meinung ist, könnten Freunde offen über Themen sprechen, sagte Kurz am Dienstag in einer gemeinsamen Pressekonferenz in Wien.

Kurz und Selenskyj sprachen auch über den Konflikt in der Ostukraine und die bilateralen wirtschaftlichen Beziehungen. Er schätze die Position Österreich in Bezug auf die EU-Sanktionen gegen Russland und die Nichtanerkennung der von Russland annektierten Krim, sagte der ukrainische Präsident, der auch lobte, wie gut Kurz die Ukraine kenne. Bei einem Besuch an der Kontaktlinie zwischen den separatistischen prorussischen Gebieten im Donbass und dem Rest der Ukraine habe Kurz "selbst gesehen, wie schrecklich die Folgen des Krieges sind", erinnerte Selenskyj an die Ukraine-Aktivitäten des damaligen Außenministers und Vorsitzenden der Organisation für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa (OSZE) im Jahr 2017.

Schwarzmeerhäfen

Kurz seinerseits betonte, dass Österreich sein humanitäres Engagement ausbauen werde. Österreich habe bisher sieben Millionen Euro Hilfe für den Osten der Ukraine geleistet und werde die Konfliktregion mit einer weiteren Million unterstützen. "Wir hoffen sehr auf eine friedliche Lösung des Konflikts", der eine tagtägliche Belastung für die Menschen sei, sagte Kurz.

Selenskyj warb unterdessen für weitere österreichische Investitionen in sein Land. Österreich sei mit knapp 1,5 Milliarden US-Dollar der sechstgrößte Investor in der Ukraine, erklärte Selenskyj. Er warb in diesem Zusammenhang für weitere Projekte, wie etwa den Bau von Brücken, Straßen und Krankenhäusern. Für die Schwarzmeerhäfen würden Konzessionen erteilt, sagte Selenskyj, der auch seine Unterstützung für eine Breitspurbahn zwischen der Ukraine und Wien äußerte.

Eine Verlegung der Friedensverhandlungen von Minsk nach Wien angesichts der Unruhen in Belarus, wie von einem ukrainischen Journalisten angesprochen, ist aber offenbar derzeit kein Thema. Selenskyj antwortete, dass gerade in Zeiten der Covid-19-Pandemie ohnehin vorwiegend online gearbeitet werde. Kurz ergänzte, dass Wien stets Ort des Dialogs gewesen sei. Wenn es eine Möglichkeit gebe, einen Beitrag zu leisten, sei Österreich bereit – das liege aber an der ukrainischen und der russischen Seite.

Kurz und Selenskyj "per Du"

Unterdessen war eine zuletzt in Kiew diskutierte Modifikation der Minsker Übereinkommen, die bereits vor Lokalwahlen in okkupierten Gebieten für eine Übergabe der Grenzkontrolle an den ukrainischen Staat sorgen sollte, in Wien kein Thema. "Das steht nicht auf der Tagesordnung", erklärte der Leiter der ukrainischen Präsidentschaftskanzlei, Andrij Jermak, am Nachmittag gegenüber der APA.

Kurz sprach Selenskyj bei der Pressekonferenz mit dem Du-Wort an und erinnerte an ein Treffen am Rande der Münchner Sicherheitskonferenz kurz vor Beginn der Pandemie, damals noch "ohne Maske". "Insofern treffen wir uns jetzt in schwierigeren Zeiten, aber unser persönliches Verhältnis, unsere Kontakte sind ungetrübt". Selenskyj erklärte: "Ich bin über meine Bekanntschaft mit Herrn Kurz dankbar. Das ist nicht unser erstes Treffen." Später wechselte aber auch der ukrainische Präsident zur vertraulichen Anrede und bedankte sich beim Kanzler für "deine Hilfe" im Ukraine-Konflikt. (APA, 15.9.2020)