Seit den Anfangsjahren des Internets erwarteten fast alle Werbetreibenden, dass Offline- und Printwerbung Auslaufmodelle wären. Stattdessen wird immer deutlicher, dass die konventionelle Online-Werbung früher ausgedient hat als Offline-Marketing-Strategien. Immer mehr Werbetreibende suchen nach innovativen Online-Formaten, und setzen – noch überraschender –wieder verstärkt auf das bereits totgeglaubte Medium der Printwerbung.

Einer der Auslöser dieser ersten Debatte über eine neue Ausrichtung der Marketing-Branche war die Äußerung von Simon Peel, Mediaredakteur von Adidas: Im November 2019 bereits erklärte Peel in London, dass Adidas eine falsche Marketingstrategie eingeschlagen hatte, als sie sich fast vollkommen aus der Print- und TV-Werbung zurückgezogen und nur noch in Digitalwerbung investiert hätten.

Seit 2017 hat der Sportartikel-Hersteller mehr als drei Viertel seines Marketing-Budgets in die Online-Werbung investiert. Adidas hätte, so stellte Peel fest, ein zu großes Vertrauen in die Effizienz des Online-Marketings gesetzt und dabei zu wenig auf die Effektivität der Werbung geachtet. Diese Strategie führte dazu, dass zwar sehr viele Menschen eine Werbeanzeige von Adidas gesehen hätten, aber weniger Menschen tatsächlich Produkte von Adidas kauften.

Diese Erkenntnis stürzte die Marketing-Industrie fast in eine Sinneskrise: Jahrelang waren die Werbetreibenden davon überzeugt, dass Online-Werbung das Instrument der Zukunft sein würde, Online-Werbung fast grenzenlos lukrativ wäre und dass die Printwerbung ein Auslaufmodell wäre. Stattdessen stellt die Werbebranche jetzt fest, dass Online-Marketing nicht der Königsweg ist und Printwerbung doch noch Zukunft hat.

Renaissance analoger Werbemittel?

Dass es zu einer Renaissance klassischer analoger und Printwerbung kommen könnte, zeigt auch eine Metastudie des Multisense Instituts für sensorisches Marketing. Diese Metastudie zeigt ebenso deutlich wie beeindruckend, dass Printwerbung sehr effektiv sein kann. Der Bekleidungshersteller Olymp konnte mit einer Marketingstrategie, die konsequent auf Print-Marketing setzte, seinen Umsatz innerhalb von zehn Jahren verdreifachen.

Im Gegensatz zu Online-Werbung haben haptische Werbeartikel und Printwerbung einen entscheidenden Vorteil: Die Konsumierenden können das Werbemittel in die Hand nehmen. Was sich zunächst banal anhört, hat belegbare, psychologische Ursachen. Informationen, die mit einem haptischen Material wie Papier verbunden sind, bleiben durch den Sinneseindruck vom Material selbst besser in Erinnerung als die vor allem visuell wahrnehmbare Online Werbung. Haptische Materialien sind emotionaler, weil sie anfassbar, tragbar oder erlebbar sind.

Einen ähnlichen Effekt erzielte Aida mit einer Werbeaktion, bei der ausgewählte Kunden ein Werbepaket, das unter anderem ein Mini-Handtuch, dass nach Sonnencreme roch, enthielt, zugeschickt bekamen. Die Bildsprache, das typische Aida-Handtuch und der Geruch weckte sofort Erinnerungen an eine Kreuzfahrt. So aufwendige Werbemaßnahmen eigenen sich natürlich nicht als Streumittel in einer breit angelegten Werbekampagne, sondern zum gezielten Retargeting.

Print wird wieder beliebter.
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Unterbewusst verbinden Kunden beispielsweise mit der Haptik von Papier, der Farbe der Bilder oder dem Geruch des Werbemittels Eigenschaften des Produkts oder bestimmte Erinnerungen. Eine Studie ergab, dass ein Laufschuh als robuster von Kunden bewertet wurde, wenn sie zuvor eine Werbeanzeige auf rauem Papier in der Hand hatten, als eine Anzeige auf glattem Papier.

Diese und vergleichbare Studien zählen eine ganze Reihe von beeindruckenden Beispielen auf, die zeigen, dass Print-Werbung ein wichtiges Instrument für Unternehmen ist und ein Teil des Marketing-Mix bleiben sollte. Anders als beispielsweise das Versandhaus Otto hat Ikea längst nicht seinen Katalog eingestellt. Sogar Online-Händler wie Zalando setzen heute auf Printmedien für ihren Marketing-Mix

Multimedial vorgehen

Doch auch analoge Werbung ist nicht die Lösung, denn: Ab März 2020 veränderte die Covid-19-Pandemie den Werbemarkt erneut: Leere Innenstädte, keine Großveranstaltungen, übliche Pendlerstrecken unbefahren, der öffentliche Nahverkehr teils menschenleer - all das hat die Branche, die sich gerade wieder auf analoge Werbung gestürzt hat, erneut umdenken lassen. Also, Kommando zurück und doch wieder alles auf Digital? Nein, so einfach ist es nicht. Eine zweite Debatte folgte.

Weder nur auf Digital noch nur auf Analog zu setzen, ist eine Lösung, denn so einfach funktioniert die Welt nicht. Crossmediales Dialogmarketing soll es sein - so der “freshe” neue Ansatz. So neu ist der Ansatz jedoch nicht. Es geht schlicht darum, verschiedene Darstellungsformen und Medien zusammenzubringen, so dass sie sich gegenseitig ergänzen. 

Werbung ist überall, aber sie wird nicht überall wahrgenommen. Der Statista Global Consumer Survey befragte 12.000 Menschen und führte 700.000 Interview in 55 Ländern durch. Dabei stellte sich heraus, dass nur 34 Prozent im letzten Monat Werbung in einer Zeitung gesehen hätten. Das ist der vorletzte Platz von 15 möglichen Medienformen. Minimal besser sieht es bei gedruckten Magazinen aus (35 Prozent, Platz zwölf). YouTube-Werbung haben dagegen 40 Prozent der Befragten wahrgenommen. Ist die Videoplattform also aus Werbeperspektive relevanter als Print? Wichtigste Werbekanäle sind indes weiterhin zwei klassische Medien Radio (53 Prozent) und vor allem TV (68 Prozent).

Datenschutz und Cookie-Verbot

Doch von anderer Seite aus wird Online-Werbung wieder schwieriger und umständlicher: Die 2018 eingeführte europäische Datenschutz-Grundverordnung (DSGVO) knüpft Social-Media- wie auch Online-Marketing an Bedingungen. Bereits 2019 hat der Europäische Gerichtshof geurteilt, dass infolge der DSGVO Cookies auf Websites standardmäßig deaktiviert sein müssen. Also kein Tracking und keine Werbung ohne Zustimmung. Erst Mitte 2020 hat das oberste deutsche Gericht, der Bundesgerichtshof, das EuGH-Urteil nochmals bestätigt und bekräftigt.

Während der Printwerbung also immer wieder neues Leben eingehaucht wird, ist es eher das Online-Marketing, das unter Druck steht. Auf die Datenschutz-Novellen wird das Online Marketing wahrscheinlich dahingehend reagieren, dass Agenturen verstärkt, die selbst gesammelten personenbezogenen Daten nutzen werden. Das würde zumindest einige der Datenschutz-Probleme lösen, vor die sich einige Werbetreibende gestellt sehen. Trotz der Anstrengungen von Datenschutz-Aktivisten und -Politikern ist eine Welt ohne Tracking nicht absehbar – kein Unternehmen wird es hinnehmen, die Möglichkeiten bei User-Targeting und Zielgruppenanalyse zu verlieren, die heute bestehen.

Es gibt nicht die eine, einzige Lösung

Werbung ist kein leichtes Spiel oder eine geradlinige Angelegenheit. Regelmäßig ändern sich rechtliche Rahmen, gesellschaftliche Werte oder sogar Situationen, die weltweite Folgen tragen. Werbung kann versuchen langfristig zu planen, aber muss immer kurzfristig Anpassungen vornehmen.

Schon heute setzen Unternehmen auf Printmedien, die als reine E-Commerce-Akteure gestartet sind. Sogenannte “Megaloge” sind ein Trend, auf den immer mehr Unternehmen setzen – hier wird das traditionsreiche Printmedium des Katalogs mit Blogmarketing vereint. Kleine Hefte, welche die Formate eines Magazins und eines Katalogs vereinen. Wie beim Blogmarketing online wird so eine Hintergrundgeschichte zum Produkt erzählt, die diesem oder dem Unternehmen eine Identität stiften soll.

Genauso auch der sogenannte Printfluencer: Das kann ein Mensch sein, ist aber häufiger ein wertiges und damit glaubhaftes Printprodukt, welches zum Kauf anregen soll. Hier versuchen seit Jahren Personality-Magazine Fuß zu fassen und Meinungen zu bewegen.

Diese Effekte werden Werbetreibende zukünftig immer öfter nutzen. Zumindest so lange, bis sich Nutzer und Kunden an diese Werbestrategien gewöhnt haben und sich die Werbeindustrie wieder etwas Neues ausdenken muss. (Christian Allner, 21.9.2020)

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