Jude Law in "The Third Day".

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Unterföhring/Hollywood – "The Third Day" ist die surreale Kopfgeburt der Autoren Dennis Kelly und Felix Barrett, dem Gründer der britischen Theatergruppe Punchdrunk, die für Produktionen wie "Sleep No More" berühmt ist, in denen die Besucher durch eine "Macbeth"-Version in einem Hotel wandern. Die sechsteilige Miniserie stellt den Versuch dar, dieses immersive Theatererlebnis ins Fernsehen zu übertragen.

Nun ist die Serie in der Originalfassung auf Sky X und über Sky Q auf Abruf, mit wöchentlich einer Episode. Ab 26. November 2020 wahlweise im Original oder auf Deutsch immer donnerstags ab 20.15 Uhr in Doppelfolgen auf Sky Atlantic.

Jude Law als trauernder Vater

Das erste dreiteilige Kapitel, "Sommer" genannt, beginnt dabei mit Sam (Jude Law), einem trauernden Vater, der durch einen englischen Wald taumelt, in dem einst die Leiche seines Sohnes gefunden wurde. Er kommt jedes Jahr hierher, nur diesmal stolpert er über eine seltsame Szene: ein junges Mädchen namens Epona (Jessie Ross) versucht, sich gerade zu erhängen.

Der visuelle Stil und die atonale Klanglandschaft geben der Serie von Anfang an eine wilde Atmosphäre. Die Farben knallen. Die blaugrünen Augen des Helden spiegeln sich im Grün der Wälder und im Blau des Wassers wider. Es gibt sprunghafte Schnitte und eine wackelige Kamera, die das Gefühl der Zerstreutheit verstärken, das Sam empfindet, und Regisseur Marc Munden ("Der Geheime Garten") gelingt es, dass sich der Betrachter genauso verloren fühlt.

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Geheimnisvolle Insel Osea

Sam rettet das Mädchen und bringt es auf eine malerische Insel namens Osea zurück. Er will sie dort eigentlich nur absetzen und dann zu seiner Familie zurückfahren, aber es scheint unglaublich schwierig zu sein, diese Insel zu verlassen. Osea ist durch einen schmalen Steindamm mit dem Festland verbunden, den die Gezeiten jeden Tag nur bei Ebbe für ein paar Stunden öffnen.

Sam bleibt auf der falschen Seite stecken und muss abwarten, bis die Natur den Weg wieder freigibt. Und wirklich jeder, der jemals einen Film über eine verlorene Seele gesehen hat, die in eine gruselige, abgelegene Stadt wandert, kann ahnen, wohin das führt.

Die leicht kultigen Inselbewohner (u.a. Paddy Considine und Emily Watson), darunter auch eine amerikanische Anthropologin (Katherine Waterston), bereiten sich gerade auf eine Art pseudo-christliches, pseudo-keltisches Sommerfest vor, mit Männern in Tiermasken und Menschen, die um Lagerfeuer tanzen.

Es ist alles ein bisschen klischeehaft, und viele der Bilder verschwimmen in einem wahnsinnigen Dunst von Sams blutüberströmten Albträumen, aber die Miniserie (eine Koproduktion zwischen Sky Studios und HBO) baut trotzdem eine höllische Spannung auf. Das Setup von "Sommer" erinnert natürlich an "The Wicker Man", den britischen Klassiker aus dem Jahr 1973, in dem ein Polizist auf einer Insel landet, deren Bewohner heidnischen Fruchtbarkeitskulten nachgehen.

Live gefilmt

In der hinteren Hälfte der Serie, "Winter" genannt, will eine Mutter namens Helen (Naomie Harris) mit ihren beiden Töchtern (Charlotte Gairdner-Mihell und Nico Parker) Urlaub auf der Insel machen, aber "Winter" unter der Regie von Philippa Lowthorpe ("The Crown") sieht auf den ersten Blick so aus, als ob es auf einer anderen Insel spielt und vielleicht sogar zu einer anderen Serie gehört. Osea ist jetzt verwahrlost und übersät mit Graffiti. Was ist passiert?

Das bleibt an dieser Stelle am besten offen, aber es wird eine siebente Folge mit dem Titel "Herbst" geben, die zwischen "Sommer" und "Winter" in Großbritannien online ausgestrahlt wird und die Geschichten von Sam und Helen verbinden soll. Es wird live gefilmt werden und wird als "Theaterereignis" angekündigt, das die Zuschauer dieser Welt noch näher bringen soll.

Es ist eine faszinierende Entscheidung, die Serie auf diese Weise aufzuteilen, aber was in fünf von sechs Folgen nicht klar ist, ist, ob "The Third Day" einen Weg finden wird, alle Elemente auf eine sinnvolle Weise zusammenzubringen – oder ob all seine unbeantworteten Fragen in Sackgassen enden. (APA, 16.9.2020)