Minsk – Die belarussische Oppositionsführerin Swetlana Tichanowskaja will dem umstrittenen Staatschef Alexander Lukaschenko im Fall seines Rücktritts Straffreiheit garantieren. "Natürlich, wenn er friedlich geht, auf menschliche Weise, dann gibt es diese Chance", sagte die 38-Jährige in einem am Mittwoch auf der ukrainischen Website lb.ua veröffentlichten Interview.

Seit der umstrittenen Präsidentenwahl vom 9. August gibt es in dem Land täglich Proteste gegen den Staatschef.
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Am Vortag hatte die Opposition über die Vorbereitung einer Klage ausländischer Anwälte vor dem Internationalen Strafgerichtshof (ICC) in Den Haag informiert. Die Polizeigewalt gegen friedliche Bürger müsse vor Gericht kommen, hieß es.

Tichanowskaja sieht zudem die Streikbewegung in Belarus ungebrochen. Es gebe zwar wegen der starken Einschüchterung keine offenen Streiks mehr. Dennoch würden viele Arbeiter langsamer arbeiten. Der ehemaligen Präsidentschaftskandidatin zufolge werden die Belarussen die Einführung Lukaschenkos in eine sechste Amtszeit nicht hinnehmen. Diese muss laut den Angaben der Wahlkommission bis zum 9. Oktober über die Bühne gehen.

Tägliche Proteste

Nach der umstrittenen Präsidentenwahl vom 9. August hatte sich Lukaschenko mit 80,1 Prozent zum Sieger erklären lassen. Seitdem gibt es in dem zwischen Russland und EU-Mitglied Polen gelegenen Land täglich Proteste gegen den 66-Jährigen.

Die Opposition sieht Tichanowskaja als die wahre Siegerin der Wahl. Sie ging auf Druck des Machtapparats in Minsk ins Exil in das benachbarte EU-Land Litauen. Die EU erkannte das Wahlergebnis nicht an. Auch das ukrainische Parlament verabschiedete am Dienstag eine Resolution, in der es die Abstimmung als nicht fair und nicht frei kritisierte und zum Dialog aufrief. (APA, 16.9.2020)