Weiße Zwerge sind eher unauffällige Erscheinungen. (Der uns nächstgelegene, Sirius B, ist der kleine Punkt neben dem Strahl, der zur linken unteren Bildecke führt. Das große Objekt ist sein übermächtiger Begleiter Sirius A, der eine 25-mal stärkere Leuchtkraft hat als die Sonne.) Für die Suche nach lebensfreundlichen Planeten spielten Weiße Zwerge daher bislang keine Rolle.
Foto: NASA, ESA, H. Bond (STScI) and M. Barstow (University of Leicester)

Es wurde wieder einmal ein Exoplanet entdeckt – fast schon Routine, möchte man meinen. Doch WD 1856 b, der etwa 80 Lichtjahre von uns entfernt im Sternbild des Drachen seine Bahn zieht, ist etwas Besonderes: Mit ihm wurde nämlich zum ersten Mal ein intakter Planet entdeckt, der einen Weißen Zwerg umkreist (und zwar den unaussprechlichen WD 1856+534). Was bedeutet, dass dieses Sternsystem eine sehr bewegte Zeit hinter sich haben muss, die der Planet irgendwie überstanden hat.

Bewegtes Vorleben

Während ein Roter Zwerg immer nur ein kleiner, kühler Stern war, ist ein Weißer Zwerg das Ergebnis eines wesentlich abwechslungsreicheren Sternenlebens. Ursprünglich war er ein Hauptreihenstern ähnlich unserer Sonne, dem aber in fortgeschrittenem Alter der Wasserstoff für die Kernfusion in seinem Zentrum ausgegangen ist. Beim Umstieg auf das sogenannte Schalenbrennen blähte sich der Stern auf das Hundertfache seiner Größe auf und wurde zum Roten Riesen.

Im Lauf von relativ kurzer Zeit – Millionen statt Milliarden Jahren – stieß er dann seine Hülle ab, und sein Kern kontrahierte zu einem Weißen Zwerg. Dieser extrem kompakte Himmelskörper hat eher die Ausmaße eines Planeten als eines Sterns und eine kaum noch vorstellbare Stabilität. Die theoretische Lebensdauer von Weißen Zwergen ist bedeutend länger, als das Universum bislang alt ist.

Mal was Neues: Die Begleitgrafik zur Studie kam als Comic-Strip.
Illustration: International Gemini Observatory/NOIRLab/NSF/AURA/J. Pollard

Und all diese Umwälzungen hat WD 1856 b irgendwie überstanden, ein Gasriese, der etwa die 14-fache Masse des Jupiter hat und seinen Stern auf einem extrem engen Orbit umkreist: Für einen Durchgang benötigt er lediglich 1,4 Tage, wie ein internationales Astronomenteam in "Nature" berichtet. Dem Team um Andrew Vanderburg von der Universität von Wisconsin gehörte auch die österreichische Astrophysikerin Lisa Kaltenegger, Direktorin des Carl Sagan Instituts an der Cornell University, an.

Auf seiner jetzigen Bahn kann sich der Planet ursprünglich nicht befunden haben. Wenn sich ein Stern zum Roten Riesen aufbläht, verschlingt er alle Planeten, die ihn auf engen Bahnen umkreisen. Dieses Schicksal wird auch der Erde in fünf bis sieben Milliarden Jahren blühen, wenn es für die Sonne an der Zeit ist. Der Sicherheitsabstand müsste mehr als eine Astronomische Einheit (die Entfernung zwischen Erde und Sonne) betragen. Ähnliches müsste auch für WD 1856 b gegolten haben – wie er nachträglich auf seine jetzige Bahn kam, ist aber unklar.

Neue Möglichkeiten

Wenn Planeten das Sterben ihres Sterns intakt überstehen und eine neue Bahn einnehmen können, bedeutet das für Astronomen vielversprechende künftige Arbeit. Ein solcher Planet könnte dann auch die neue habitable Zone um den Weißen Zwerg erreichen, nachdem die alte verloren gegangen ist. Und wenn dort ein Planet "aufblüht", dann hätte sein Leben über einen immens langen Zeitraum konstante Umweltbedingungen – denn Weiße Zwerge sind annähernd für die Ewigkeit gemacht.

Hier ein 2017 entdecktes System, das dem von WD 1856 b ähnelt: Von einem Planetenfragment aus blicken wir auf einen Weißen Zwerg und ein Objekt, das noch größer ist als ein jupiterartiger Gasriese: ein Brauner Zwerg.
Illustration: APA/AFP/UCL/UNIVERSITY OF WARWIC

"Wir können nun etwa nach anderen, kleineren Planeten rund um Sternenkerne suchen", so Vanderburg. Sollte es sich dabei um Gesteinsplaneten mit flüssigem Wasser auf der Oberfläche handeln, die möglicherweise Leben bergen, könnte man Spuren dieses Lebens mit Hilfe des James-Webb-Weltraumteleskops der NASA und ESA nachweisen, schreibt Kaltenegger in einer im "Astrophysical Journal Letters" veröffentlichten Arbeit.

Suche nach Biosignaturen

Kaltenegger hat mit ihrem Team Modelle und Werkzeuge entwickelt, um mögliche Anzeichen für Leben in der Atmosphäre von Planeten nachzuweisen. Mit dem James-Webb-Teleskop, das im Oktober 2021 ins Weltall starten soll, könnten "die starken atmosphärische Signale, die ein erdähnlicher Planet erzeugen würde, wenn er vor einem Weißen Zwerg vorbeizieht, erfasst und damit Lebenszeichen, wenn es denn solche gibt, aufgespürt werden", sagte die Astrophysikerin.

Konkret könnten mit dem Weltraumteleskop innerhalb weniger Stunden Wasser und Kohlendioxid in der Atmosphäre eines solchen Exoplaneten nachgewiesen werden. In zwei Tagen Beobachtungszeit ließen sich Biosignaturen wie Ozon in Kombination mit Methan registrieren. Mit dem Weltraumteleskop TESS, dessen wissenschaftlichen Team Kaltenegger angehört, soll nun nach Gesteinsplaneten gesucht werden, die Weiße Zwerge umkreisen. (red, 16. 9. 2020)