Wien – Im Gegensatz zu seinem Benehmen wirkt sein Bekennerschreiben tadellos: In Volksschulschrift soll es dem Vernehmen nach verfasst sein. Angeblich fehlerfrei und, ganz nach alter Schule, sind darin sämtliche Anreden mit "Du" höflich großgeschrieben.

Seit dem letzten Prozesstag am Freitag rätselt man im Netz: Wo steckt "Willi", der die Obszönitäten an die Grüne Maurer abgesetzt haben soll?
Foto: APA / Roland Schlager

Auf dem A4-Blatt entschuldigt sich "Willi", dass er immer noch nicht zwei Kisten Bier bezahlt habe. Und noch etwas viel Brisanteres gesteht "Willi" ein: Dass er es war, der Ende Mai 2018 an die Grüne Sigrid Maurer die obszönen Privatnachrichten via Facebook abgesetzt hat, die die Gerichte seit mittlerweile gut zwei Jahren beschäftigen.

Seit Freitag gilt "Willi" als der große Unbekannte in der Causa "Bierwirt gegen Maurer". Am letzten Prozesstag im neu aufzurollenden Verfahren kramte der Kläger und Lokalbesitzer plötzlich einen Zettel hervor: Den habe er im Juli in seiner Geschäftspost gefunden, er stamme von seinem Kunden und Freund "Willi", der da für alles die Schuld auf sich nehme.

Alles mit Rufzeichen !!!

Bis heute weist der Bierhändler selbst strikt zurück, die Botschaften vom Account seines Lokals an die Grüne, einst ohne Mandat, heute Klubobfrau, geschickt zu haben. Gäste hätten Zugang zu seinem Computer im Laden gehabt. Die orthografisch eigenwilligen Aufforderungen zu Oralsex sowie zu rüdem Analsex waren damals mit auffallend vielen Rufzeichen versehen.

Seit Tagen kursieren in den sozialen Netzwerken nun Witze und Kalauer über "Willi". Die einen halten ihn für ein Phantom. Andere sehen in seinem Auftauchen eine Wende in dem Verfahren.

Wo steckt also Willi? Adrian Hollaender, Anwalt des Bierwirts, wollte auf Anfrage am Mittwoch dazu keine näheren Angaben machen – es sei an Maurer, den Wahrheitsbeweis zu erbringen, dass der von ihr im Netz an den Pranger gestellte Bierhändler einst die Botschaften abgesandt habe.

136 Facebook-Freunde, kein Willi

Sein Mandant, der Maurer wegen übler Nachrede drankriegen will, machte im Prozess zu seinem Kumpel "Willi" nur spärliche Angaben: um die 50, wohnt in der Stromstraße, 20. Bezirk. Eine Woche gab Richter Hartwig Handsur dem Bierhändler Zeit, den präzisen Namen und eine korrekte Adresse von "Willi" herbeizuschaffen, um eine Ladung zu ermöglichen.

Auf der virtuellen Suche nach "Willi" zeigt sich rasch: Auf Facebook findet sich unter den 136 Freunden, die der Bierwirt dort verzeichnen kann, kein einziger "Willi", auch kein "Willibald". Auf der schier endlos langen und durch einen anderen Straßenzug unterbrochenen Stromstraße in der Brigittenau wechseln sich Gemeindebauten und Wohnhäuser mit Gastrobetrieben, darunter Cafés, Bistros, Restaurants, ab – daher so gut wie keine Chance, hier "Willi" schnellstmöglich zu finden. Bis Freitag, Punkt Mitternacht, hat der Bierhändler gegenüber dem Straflandesgericht konkrete Angaben zum Verbleib von "Willi" zu machen.

Der Mann mit schütterem Haar

"Willi" ist übrigens nicht der erste Unbekannte, den der Lokalbesitzer in der Causa ins Spiel gebracht hat. Im ersten Prozess im September 2018 gab er gegenüber Richter Stefan Apostol an: Nach der Aufregung mit Maurer habe ihm eine Frau gesagt, dass sich "ein älterer Herr mit schütterem Haar" an seiner Theke, also in PC-Nähe, herumgetrieben habe.

Bis heute konnte auch dieser Mann nicht dingfest gemacht werden. (Jan Michael Marchart, Nina Weißensteiner, 16.9.2020)