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30 bis 40 Prozent der Ungleichheiten bei der Altersvorsorge entstehen durch Unterschiede im Finanzwissen, so das Finanzministerium.

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Was ist ein Fonds? Rund 70 Prozent der Österreicher wüssten die Antwort, die Sie übrigens unten in der Infobox finden, nicht, hieß es unlängst vonseiten des Finanzministeriums. Dessen Chef, Finanzminister Gernot Blümel (ÖVP), will die Finanzbildung der Österreicher deutlich verbessern. Und zwar bei Jung und Alt. Blümel brachte auch einen Finanzführerschein ins Spiel. Bis Jahresende soll die "nationale Finanzbildungsstrategie" stehen.

Die Offensive soll gleich in doppelter Hinsicht Früchte tragen: Einerseits gehört sie laut Finanzministerium zur Basis eines modernen und wettbewerbsfähigen Wirtschaftsstandorts. Zum anderen soll mehr Finanzbildung auch für mehr Chancengleichheit im Land sorgen. Finanzwissen würde letztlich auch etwa gegen Altersarmut oder Konsumschulden helfen.

Fehlt nicht an Interesse

Wissen über Geld ist wahnsinnig wichtig, weiß Sophie Manninger. Das Finanzwissen ihrer Generation könnte aber besser sein, so die Schülerin. Es gebe großes Interesse an Geldthemen, viele würden gerne mehr wissen. DER STANDARD hat mögliche Ansätze für mehr Finanzbildung gesammelt.

  • Überall steckt Wirtschaft drin Es gibt meist mehrere Perspektiven, aus denen man etwa die Geschichte von Kriegen erzählen kann; oft auch eine wirtschaftliche. Der Historiker Niall Fergusson beschreibt die Wende zugunsten des Nordens im amerikanischen Bürgerkrieg so: Weil den Konföderierten im Süden der wichtige Hafen von New Orleans im April 1862 verlorenging, verloren ihre Kriegsanleihen an Wert. Die Südstaaten, die in der Baumwollproduktion auf Sklaverei setzten und das auch so beibehalten wollten, hatten mit Erträgen aus der Baumwollwirtschaft gedeckte Anleihen begeben. Erst als sie keine Baumwolle mehr exportieren konnten, wandte sich das Blatt zugunsten des für die Abschaffung der Sklaverei kämpfenden Nordens.

    Das Beispiel zeigt: Wenn wirtschaftliche Zusammenhänge hervorgehoben werden, wo sie drinstecken, kann Finanzwissen auch entlang bestehender Schulfächer vermittelt werden. Die Lehrpläne geben das her, sagen Experten. Allerdings reiche es nicht, einfach mehr über Wirtschaft zu sprechen, warnt Bettina Fuhrmann, Professorin für Wirtschaftspädagogik an der WU: "Es werden auch alle Unterrichtsfächer – abgesehen vom Fremdsprachenunterricht – auf Deutsch unterrichtet, und trotzdem ist es kein Deutschunterricht."

  • Eigenes Schulfach Die Behandlung wirtschaftlicher Themen im bestehenden Lehrplan kann keinen systematischen Wirtschaftsunterricht ersetzen, so Fuhrmann. Es fehle Jungen wie Erwachsenen oft an grundlegendem Verständnis über wirtschaftliche Zusammenhänge. So verstünden Schüler oft nicht, dass sie sich auf sozialen Medien wie Facebook in einer Austauschbeziehung befinden: Plattform gegen Daten. Überhaupt fehle es oft an Verständnis dafür, Teil der Wirtschaft zu sein. Fuhrmann wünscht sich ein Schulfach, in dem das wirtschaftliche System, in dem wir leben, erklärt wird. Erkenntnisse aus anderen Ländern würden zeigen, dass dadurch die Wirtschaftskompetenz der Schüler steigt. Und zwar besonders bei bildungsfernen Schichten, wie die Professorin hervorhebt. Laut einer Gallup-Umfrage ist für 40 Prozent der Österreicher das eigene Elternhaus die wichtigste Informationsquelle, wenn es um Finanzwissen geht. Beim Bildungsministerium bestätigt man, dass bei der Überarbeitung der Lehrpläne auch eine bessere Finanzbildung Thema sei. Es gebe aber bereits Schultypen, die in dem Bereich sehr gut abschneiden.

  • Bessere Schulbücher Konzepte wie Marktwirtschaft oder Planwirtschaft werden in Schulbüchern zu wenig und ohne konkreten Bezug zu Österreich und zur Bedeutung für den Einzelnen oder die Gesellschaft erklärt, kritisiert Fuhrmann. Eine Erhebung habe gezeigt, dass sie meist bloß im Zusammenhang mit Ereignissen wie den Fall der Berliner Mauer oder des Eisernen Vorhangs genannt werden, wo die Systeme aneinandergerieten – oder in ein Land importiert wurden. Lehrer würden diese Themen oft ungern anschneiden, wenn sie sich selbst nicht sicher fühlen und Schulbücher kein hinreichendes Gerüst bieten.

  • Spielerisch Lernen Finanzwissen ist nicht nur Wissen über die Akteure im Wirtschaftssystem. Finanzwissen hat auch damit zu tun, die eigenen Finanzen im Griff zu haben. Kann ich mir das leisten? Lohnt sich eine Investition? Es ist wichtig, dass Kinder und Jugendliche auch praxisbezogen lernen, sagt Philip List, der den Financial Life Park (Flip) der Erste Bank leitet. Schüler bekommen dort ein Tablet in die Hand und müssen spielerisch Aufgaben lösen. "Die jungen Menschen sollen sehen, dass Finanzwissen keine trockene Materie ist", sagt er: "Sich früh mit der eigenen finanziellen Situation auseinanderzusetzen hilft dabei, später mündige wirtschaftliche Entscheidungen zu treffen." Dass sich die Bank mit dem Flip einfach nur Kunden herbeizüchten will, lässt List nicht gelten. Die Bank mische sich inhaltlich überhaupt nicht ein. Aber natürlich sei es wichtig, dass Finanzwissen ideologiefrei vermittelt wird.

Alle Bevölkerungsschichten

Dem Finanzministerium geht es aber freilich nicht nur um mehr Finanzbildung in der Schule, sondern um eine breite Bildungsoffensive, die alle Bevölkerungsschichten betrifft. Bis Ende dieses Jahres werden Daten und Informationen zu bestehenden Finanzbildungsmaßnahmen und –initiativen gesammelt. Auch führe man Gespräche mit Experten und Stakeholdern im Bereich Finanzbildung. Es gehe darum die vielen vorhandenen Initiativen zu einer Gesamtstrategie zu bündeln und die vorhandenen Ressourcen bestmöglich einzusetzen, so ein Sprecher des Ministeriums.

Anschließend sollen auf Basis der gewonnen Informationen und Daten die Struktur, die Ziele sowie konkrete Inhalte und Maßnahmen der nationalen Finanzbildungsstrategie erarbeitet werden, heißt es. Das Bildungsministerium war anfänglich nicht eingebunden – inzwischen stimmt man sich ab. (Aloysius Widmann, 17.9.2020)