Er sticht zuallererst ins Auge: der Wohnpark Alterlaa. Davor liegen ein breiter Grüngürtel und dahinter die Wiener Alpen – "bei Schönwetter sieht man sogar den Schneeberg", sagt Juliane Stribel (Name geändert) während sie vom Balkon ihrer Wohnung in die Ferne zeigt. Stribel wohnt im 31. Stockwerk eines Hochhauses auf dem Wienerberg. Wer von hier aus die Aussicht betrachtet, dem verschlägt es wahrlich die Sprache.

Die Hochhäuser aus Sicht der Wienerbergstraße.
Foto: redl

"Es ist wie ein großes Puzzle, jeden Tag entdeckt man etwas Neues", sagt auch Stribels Nachbar Lukas Pehofer. Dazu kommen die täglichen Sonnenuntergänge, der beruhigende Blick ins Grüne und dass man dem Wetter hier oben ganz nah ist, sagt Pehofer und zeigt Fotos auf seinem Handy, von nahenden Regenfronten, abstrakten Wolkengebilden und Nebeldecken, die auf halber Höhe des fast hundert Meter hohen Gebäudes hängen. "Als wäre man im Flugzeug sieht das aus", sagt er und glaubt, dass manche Bewohner sich extra eine Spiegelreflexkamera gekauft haben, um von der Wohnung aus Fotos machen zu können. Bei der Aussicht brauche man jedenfalls keinen Fernseher, so Stribel.

Dem Wetter ist man im Hochhaus ganz nah – ob Sturm und Regen, oder morgendlicher Nebel.
Fotos: Lukas Pehofer

Doch das Wetter hat in luftigen Höhen auch seine Tücken, das wissen nicht nur Bergsteiger sondern auch Turmbewohner wie Stribel und Pehofer. Zieht ein Gewitter auf, "räume ich die Pflanzen und Möbel vom Balkon lieber rein", so Stribel. Erst letztes Jahr hat ein Sturm ein Regal "in alle Teile zerlegt", sagt sie. Und Pehofer erzählt, dass ihm das Schlafen oft schwer fällt, wenn draußen der Wind bläst – extrem sei es aber in höchstens fünf Nächten im Jahr.

Leichtes Schwanken

Doch auch wenn die Wetterlage ruhig ist, spürt man ein leichtes Schwanken – das mitunter auch an den Hängelampen in der Wohnung oder am Wasser in der Badewanne zu sehen ist. "Es fallen keine Gegenstände vom Tisch, aber man merkt es", sagt Pehofer und räumt gleich mit einem verbreiteten Irrglauben zum Wohnen im Hochhaus auf. Viele denken nämlich, so weit oben bekomme man vom Lärm der Stadt nichts mit. Dem ist nicht so, das zeigt sich auch an diesem sonnigen Mittwochnachmittag im September: Das Geschrei von spielenden Kindern sowie der Lärm der Triester und der Wienerbergstraße dringen auch in den 31. Stock. "Mit offenem Fenster schlafen geht schwer", sagt Pehofer. Und glaubt, dass der Grund dafür ist, dass der Turm kein direktes Gegenüber hat – "bis auf ein paar Hubschrauber, die hin und wieder auf Augenhöhe vorbeifliegen", sagt er schmunzelnd.

Der Wohnpark Alterlaa sticht sofort ins Auge.
Foto: redl

Und was ist im Hochhaus noch anders? Vielen verschlägt es im Lift bei der Fahrt nach oben die Ohren, erzählen die zwei Turmbewohner, die sich freuen, dass sich auf ihre Balkone nie Gelsen verirren: "Die können nicht so hoch fliegen, Wespen aber leider schon", sagt Pehofer.

Und wie fühlt sich das Leben im Turm an? "Von hier oben sieht die Welt so klein aus. Man könnte fast glauben, da draußen gäbe es nicht mehr viel zu sehen, weil man von hier oben so einen guten Weitblick hat. Irgendwie ist das hier eine eigene Welt", sagt Pehofer.

Sonnenuntergänge sind im Hochhaus tägliches Programm.
Foto: Lukas Pehofer

Wohnen im Hochhaus ist besonders anonym, lautet ein verbreiteter Glaube. Und auch Pehofer glaubt: "Ein gewisses Gemeinschaftsgefühl vermissen die Menschen hier schon." Etwas mehr Wir-Gefühl ist allerdings in der Zeit des Corona-Lockdowns entstanden. Durch das abendliche Klatschen vom Balkon, sowie über eine Facebook-Gruppe aller Wienerbergbewohner sind die Nachbarn in dieser Zeit enger zusammen gerückt, erzählt Stribel, die sich aktiv darum bemüht hat: "Erst haben wir uns nur virtuell getroffen, später auch persönlich."

Die viele Zeit in den eigenen vier Wänden ist auch für die Hochhausbewohner eine Umstellung gewesen. "Ich bin in dieser Zeit bewusst laufen gegangen oder barfuß durchs Gras, um mich zu erden", erzählt Stribel. Vielleicht auch ein Grund, warum auf ihrem Balkon seit einigen Wochen ein Rasen-Teppich liegt – ein Stück Boden also, in luftigen Höhen. (Bernadette Redl, 19.9.2020)