Pneumokokken sind Bakterien und verursachen Lungenentzündungen. Vor allem bei älteren Menschen können sie tödlich sein – mit einer Impfung vermeidet man das Risiko.

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Angela Merkel machte Ende März Schlagzeilen, als sie sich auf Rat ihres Gesundheitsministers prophylaktisch gegen Pneumokokken impfen ließ. Es folgte ein Aufruf an die gesamte Bevölkerung und ein Appell an alle Menschen ab 60, sich tunlichst impfen zu lassen. Das sollte sicherstellen, dass gefährdete Personen neben Covid-19 nicht auch noch zusätzlich eine Pneumokokken-Infektion erleiden. Doch was sind Pneumokokken, wie können wir uns vor ihnen schützen, und gibt es genug Impfstoff auf dem österreichischen Markt?

Pneumokokken sind Bakterien, die den Nasen-Rachen-Raum des Menschen besiedeln und dabei überwiegend keine Symptome verursachen. Sie werden, wie Sars-CoV-2, durch Tröpfcheninfektion übertragen. Kinder unter fünf Jahren sind die bedeutendste Infektionsquelle für Erwachsene, denn sie tragen Pneumokokken ständig in sich, ohne zu erkranken. Kinder können die Erkrankung dann in weiterer Folge an ihr Umfeld weitergeben, "was gerade bei älteren Menschen zu schwerwiegenden Konsequenzen führen kann", erklärt Rudolf Schmitzberger, Leiter des Referats für Impfangelegenheiten der Österreichischen Ärztekammer.

Keine harmlose Erkrankung

Sind die Abwehrkräfte aber geschwächt, kann es zu einer Erkrankung kommen. Besonders schwerwiegend sind sogenannte invasive Pneumokokken-Erkrankungen, bei denen Erreger in Körperregionen eindringen und dort Erkrankungen hervorrufen. "Diese invasiven Erkrankungen sind aber nur ein verschwindend kleiner Bruchteil der tatsächlichen Pneumokokken-Infektionen", erläutert Michael Meilinger vom Arbeitskreis Infektiologie und Tuberkulose der Österreichischen Gesellschaft für Pneumologie (ÖGP) und ergänzt: "Bei Erwachsenen zeigen sie sich meist in Form von Lungenentzündungen. Diese können zwar in den meisten Fällen vom Hausarzt oder von der Hausärztin mit einem Antibiotikum behandelt werden, dennoch handelt es sich dabei um keine harmlose Erkrankung."

Wandern die Bakterien in die Lunge, kann das schlimmstenfalls zu einer Sepsis, einer Gehirnhaut- oder einer Lungenentzündung führen. Vor allem für Säuglinge, ältere und immunschwächere Personen und Menschen mit Vorerkrankungen wie Asthma oder COPD stellen Pneumokokken ein hohes Risiko dar. Bei Influenza-Erkrankungen ist eine bakterielle Sekundarinfektion durch Pneumokokken eine der häufigsten Komplikationen. In solchen Fällen kommt es zusätzlich zur viralen Erkrankung zu einer bakteriellen Infektion. Der geschwächte Organismus muss dann auch noch zusätzlich gegen Pneumokokken ankämpfen.

Impfaktion bis 2021

Im bevorstehenden Winter wird es aufgrund der gleichzeitig zu erwartenden Covid-19-Fälle besonders wichtig sein, Lungenentzündungen so gut wie möglich zu verhindern. Im Unterschied zu Sars-CoV-2 kann man sich gegen die wichtigsten Pneumokokken-Subtypen aber impfen lassen. Gerade wegen der niedrigen Durchimpfungsrate der letzten Jahre sollten Risikogruppen – also ältere Personen und chronisch Kranke – dies heuer verstärkt auch tun.

In Deutschland sind viele Menschen dem Appell von Kanzlerin Merkel im März gefolgt und haben sich gegen Pneumokokken impfen lassen. Das führte bundesweit zu einem Engpass des Standardimpfstoffs Pneumovax 23. Säuglinge und Kleinkinder von zwei Jahren, Personen mit Immundefizienz und Senioren ab 70 Jahren mit geschwächtem Immunsystem oder chronischen Atemwegserkrankungen sollten bevorzugt geimpft werden, heißt es seitens des Robert-Koch-Instituts.

In Österreich werden Pneumokokken-Impfstoffe derzeit im Rahmen einer Impfaktion der österreichischen Apotheken vergünstigt angeboten. "Die Aktion läuft seit 1. September bis Ende März 2021. Darüber hinaus gewähren einige Krankenkassen einen Kostenzuschuss," erklärt Gerhard Kobinger, Präsidiumsmitglied der Österreichischen Apothekerkammer. Um das Handling für die Kunden möglichst einfach zu gestalten, wird dieser Kostenzuschuss direkt in der Apotheke vom Aktionspreis abgezogen.

Keine Engpässe, höchstens Einschränkungen

Renée Gallo-Daniel, Präsidentin des österreichischen Verbandes der Impfstoffhersteller (ÖVIH), beruhigt und attestiert ausreichend Impfstoff für all jene, die sich impfen lassen wollen. "Falls eine Apotheke oder ein Großhandel den Impfstoff gerade nicht lagernd hat, wird beim Hersteller nachgeordert," sagt Gallo-Daniel. Das könne natürlich ein paar Tage dauern, "aber Sorgen müssen wir uns nicht machen".

Der Verband österreichischer Arzneimittelvollgroßhändler (Phago) mit 23 Standorten landesweit bestätigt zwar ausreichende Mengen des Impfstoffs Prevenar, sieht sich aber beim zweiten Impfstofftyp Pneumovax mit Liefereinschränkungen konfrontiert. Grund zur Sorge sieht man aber auch bei Phago nicht.

Darin, dass die Durchimpfungsrate der Pneumokokken-Impfung dieses Jahr aber unbedingt deutlich erhöht werden sollte, sind sich Expertinnen und Experten einig. Laut Integral-Marktforschung zum Impfverhalten der Österreicher 2019 liegt sie bei Personen zwischen 19 und 69 Jahren bisher bei lediglich 15 Prozent. Die Serotypenverteilung zeige, dass die Serotypen 3,19A und 8 im vergangenen Jahr am häufigsten vorgekommen sind, erläutert Maria Paulke-Korinek, Leiterin der Abteilung Impfwesen im Bundesministerium für Soziales, Gesundheit, Pflege und Konsumentenschutz. "Alle drei Serotypen sind durch die am Markt befindlichen Impfstoffe gut abgedeckt."

Vor allem Risikogruppen

Da eine Prognose hinsichtlich der Corona-Situation für den Winter derzeit einem Blick in die Glaskugel gleicht, appelliert Michael Meilinger an alle über 60, aber auch an Personen mit Vorerkrankungen wie chronischen Lungen- oder Herzerkrankungen, Diabetes, Niereninsuffizienz oder auch Tumorerkrankungen, sich unabhängig vom Alter unbedingt impfen zu lassen: "Damit reduzieren sie das Risiko einer gefährlichen Lungenerkrankung und tragen dazu bei, dass wir weiterhin genug Spitalsressourcen haben, um Patienten mit Erkrankungen zu behandeln, gegen die es – noch – keine Impfung gibt." (Julia Palmai, 17.9.2020)