Psychologischer Horror rund um verbotene Literatur: Die Musterschülerin Fang Ray-shin (Gingle Wang) findet sich in "Detention" bald in einer Geisterwelt wieder.
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Jeder, der auch Jahre nach seinem letzten Schultag noch bei Träumen von Mathematikschularbeiten sein Leintuch durchschwitzt, weiß, dass das Grauen seine Wurzeln immer im Alltäglichen hat. Dementsprechend holt auch das Horrorgenre seine vielgestaltigen Nachtmahre stets aus der echten Welt. Die Geschichte der Menschheit ist reich genug an Grausamkeiten, darunter allzu viele, die den gemeinen Schulstress doch bei weitem übertreffen. In John Hsus Film Detention, der nun im Rahmen des Wiener Slashfilmfestivals zu sehen ist, geht es um eine Periode, deren Aufarbeitung noch lange nicht abgeschlossen ist.

Über 38 Jahre, von 1949 bis 1987, legalisierte auf Taiwan das Kriegsrecht den Weißen Terror. Der Unterdrückung von Kommunisten und Sympathisanten des Kommunismus durch die regierende Kuomintang fielen bis zu 30.000 Menschen zum Opfer. Dass der auf einem Videospiel basierende Film trotz großer Erfolge auf der Insel in Festlandchina verboten ist, zeugt von der nach wie vor bestehenden Sensibilität des Themas.

Rehaugenwimperngeklimper

Der Großteil der Handlung spielt in einer Schule, in der zwei Lehrer und eine Handvoll Schüler unter Todesgefahr einen geheimen Buchklub gegründet haben, um verbotene Literatur zu transkribieren. Hier finden sich die Musterschülerin Fang Ray-shin (Gingle Wang) und ihr Kommilitone Wei Chung-ting (Tseng Ching-hua) plötzlich in einer Geisterwelt wieder. Das Schulgemäuer hat sich in ein düsteres Gefängnis verwandelt, in dem zu allem Überfluss auch noch ein mit den Insignien der Militärpolizei geschmücktes Monster Jagd auf die beiden Jugendlichen macht. Visionen und Rückblenden erschließen allmählich die Hintergründe des Spuks und den Weg zur Erlösung.

Bis dahin gibt es viele atmosphärische Lichteffekte, ein bisschen zartes Rehaugenwimperngeklimper und auch ein wenig Gruselgraus. So schlimm, dass man sich unter dem Kinoplüsch verstecken müsste, wird es aber nie. Detention überzeugt vielmehr wie ein kleiner fernöstlicher Cousin von Pans Labyrinth, wenn auch ohne die Grandeur von Guillermo del Toros Meisterwerk.

Das Wiener Festival des Fantastischen Films wäre aber nicht es selbst, wenn es neben Hochglanzproduktionen wie Detention nicht auch genügend Platz für das Ab- bis Jenseitige bieten würde. Vom 17. bis 27. September wird daher im Filmcasino, Metro Kino und Schikaneder eine Vielzahl an Arbeiten gezeigt, die abwechselnd oder auch gleichzeitig zum Fürchten, Lachen und Kopfschütteln anregen. Und mit Daniel Prochaskas Verfilmung von Martina Wildners Jugendbuch Das schaurige Haus ist sogar für die Jüngeren etwas mit dabei.

Urologie, yeah!

Recht erwachsen sind hingegen die Erlebnisse von Chip, dem Antihelden von Tyler Cornacks Butt Boy. Chip hat nämlich nicht nur ein altes Problem mit dem leidigen Alkohol, sondern auch eine neue Leidenschaft: Ein Besuch beim Urologen hat ihn auf den Geschmack gebracht, und nun gelüstet es ihn ständig nach rektalen Befriedigungen, die mit einfachen Haushaltsgegenständen nicht mehr hergestellt werden können. Pulp Fiction trifft hier auf diese Internetvideos, vor denen Sie von einem Cousin eines Freundes einer Arbeitskollegin immer gewarnt wurden.

Filmgeschichtsbewusste dürfen sich auf The Rise of the Synths, Iván Castells von Großmeister John Carpenter erzähltem Dokumentarfilm über die Geschichte der Synth-Wave-Musik, oder einen Bruce-Lee-Doppelschlag (Be Water und Fist of Fury) freuen. Der seuchenbedingte Entfall der traditionellen Zombieschminkparade sollte da verkraftbar sein. (Dorian Waller, 16.09.2020)