Kaderplanung mit spitzem Bleistift statt Einkaufstour mit vollem Geldbörserl: Obwohl es teilweise kräftig in den Kassen klingelt, ist bei den Klubs der deutschen Bundesliga bis kurz vor dem Saisonstart an diesem Freitag von einer gesteigerten Kauflust nichts zu spüren.

Hwang ist der fünftteuerste Neuzugang des aktuellen Transferfensters. Nur Sane, Schick, Bellingham und Can kosteten mehr.
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"Wir müssen in schwierigen Zeiten mit Augenmaß und wirtschaftlich vertretbar handeln", sagte Bayer Leverkusens Sport-Geschäftsführer Rudi Völler dem Kölner Stadt-Anzeiger und lieferte damit in der andauernden Coronakrise offenbar das Credo für die gesamte Liga, aus der sich vor allem Englands Spitzenklubs immer lieber bedienen.

Die wirtschaftlichen Kräfteverhältnisse zwischen der Bundesliga und der Premier League lassen sich dabei in diesem Transfersommer ziemlich leicht abbilden: Der FC Chelsea hat mit mehr als 220 Millionen Euro – unter anderem für Timo Werner und Kai Havertz – nur etwas weniger ausgegeben als die gesamte deutsche Eliteklasse mit rund 250 Millionen Euro. Bezogen auf die Bundesliga liegen die Beträge bei kaum einen Drittel des vergangenen Sommers.

Sane bislang einziger Blockbuster-Transfer

Während Bayern München mit Leroy Sane für 45 Millionen von Manchester City den größten Transfer eines deutschen Klubs in diesem Sommer stemmte, ist Völlers Klub Leverkusen der größte Profiteur des Kaufrausches von Chelsea. Der Havertz-Abgang spült bis zu 100 Millionen Euro in die Kasse.

Bayer reinvestierte einen Teil der Summe. Patrik Schick (Leverkusen/26,5 Mio) gehört neben Sane, Jude Bellingham (nach Dortmund/26), Ex-Salzburger Hee-Chan Hwang (Leipzig/15) und Jhon Cordoba (Berlin/15) zu den wenigen Profis, für die Klubs zweistellige Millionenbeträge in die Hand genommen haben. Auch Emre Can (Dortmund) gehört streng genommen noch in die Liste, seinen Transfer hatte der BVB aber vor Beginn der Coronakrise festgemacht. Nun wurden 25 Millionen fällig.

Fragezeichen hinter Thiago

Noch bis zum 5. Oktober ist das Transferfenster geöffnet, es kann also noch einiges passieren. Aber dass die Bundesliga-Manager noch richtig in Fahrt kommen, glaubt der bestens vernetzte Berater Volker Struth nicht. "Bei Leverkusen kann ich mir vorstellen, dass sie noch etwas mehr investieren, weil sie durch den Verkauf von Kai Havertz an Chelsea selbst nach der Verpflichtung von Patrik Schick noch Geld in der Kasse haben", sagte Struth der Sport Bild: "Bei Berlin, Bayern und Leipzig kann auch noch etwas passieren."

Die Münchner haben das nötige Kapital, um nicht nur bei einem möglichen Abgang des umworbenen Thiago noch aktiv zu werden. Trainer Hansi Flick merkte bereits an, dass er "Optionen" brauche: "Idealerweise sollte jede Position doppelt besetzt sein." Dies sicherzustellen, könnte noch gutes Geld kosten.

Nur geliehen

Insgesamt geht der Trend in der Liga zu ablösefreien Spielern, Leihgeschäften und Ablösen unter der Grenze von zehn Millionen Euro. Aktuell haben die Klubs 20 Millionen weniger investiert als bezahlt.

Aufsteiger Arminia Bielefeld hat bislang kein Geld für Verpflichtungen ausgegeben. Aber auch ablösefrei kann man sich verstärken, selbst große Namen sind weiterhin verfügbar. Was beispielsweise mit WM-Held Mario Götze nach seinem Abschied aus Dortmund passiert, ist offen.

Optionen, nach einem möglichen Fehlstart in die Bundesliga-Saison noch an fußballerischer Qualität nachzulegen, bestehen für die Klubs durchaus. Zu einem Kaufrausch wird es in diesem so ungewöhnlichen Jahr aber wohl nicht mehr kommen. (sid, 16.9.2020)