Die Mariahilfer Straße neu – so neu ist sie gar nicht mehr, doch immer noch gilt sie als Vorbild in Sachen grüner Verkehrspolitik.

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Wird die Verkehrsplanung der Wiener Grünen thematisiert, dann dreht es sich fast zwangsläufig auch um sie: die Mariahilfer Straße. Kurz vor der Wien-Wahl 2015 wurde die erste Begegnungszone der Hauptstadt eröffnet – damals unter großer Kritik von Opposition und Wirtschaft.

Fünf Jahre später gilt die Einkaufsstraße, die den sechsten und siebten Bezirk verbindet, als Vorbild für grüne Stadtgestaltung. Und so feierten sich zum Jubiläum die Grünen in der Begegnungszone ein wenig selbst. Für Vizebürgermeisterin Birgit Hebein ist ein Name untrennbar mit der Mariahilfer Straße verbunden: Maria Vassilakou. Hebeins Vorgängerin als Verkehrsstadträtin hatte die Umgestaltung gegen alle Widerstände und Querschüsse vorangetrieben.

"Grüne Ader" im Zweiten

Ihre Nachfolgerin Hebein war es dann, die am Mittwoch an der Seite der grünen Bezirksvorsteherin der Leopoldstadt, Uschi Lichtenegger, die Pläne für die Umgestaltung der Praterstraße im zweiten Bezirk präsentierte. Von einem "Klimaboulevard" war die Rede, von einer "grünen Ader" mit "Platz zum Flanieren". Die Eckpunkte: Ein Autofahrstreifen kommt weg, dafür breitere Radwege in beide Richtungen. 100 Parkplätze weniger soll es geben, dafür 80 Bäume mehr. Außerdem soll der Therese-Krones-Park beim Nestroyplatz vergrößert werden.

Eine Mariahilfer Straße ist das noch nicht, doch eine Beruhigung der Verkehrshauptschlagader zwischen Stadt und Donau wäre es allemal. Und Grund zu streiten.

Kommuniziert wurden die Pläne, als würde demnächst der Bagger anrollen, tatsächlich kann die Wien-Wahl sie noch über den Haufen werfen. Für das Projekt wurden noch keinerlei Beschlüsse gefasst, auch, wie viel es kosten soll, ist noch unklar. Die stellvertretende Bezirksvorsteherin Astrid Rompolt (SPÖ) reagierte mit heftiger Kritik und sah gar die Zusammenarbeit der Fraktionen in Gefahr.

Die Pläne für die Umgestaltung der Praterstraße wurden am Mittwoch präsentiert.
Rendering cuulbox I 3:0 Landschaftsarchitektur

Wohl nicht ganz unabhängig von der baldigen Wahl, bietet die Bezirksvorstehung im Zweiten nun ein neues Onlinetool an. Was passiert ist, seitdem Lichtenegger den Bezirk führt, wird auf einer interaktiven Karte zur Schau gestellt: Neue Radständer und Baumpflanzungen sind da genauso enthalten wie umgedrehte Einbahnen und Straßensanierungen.

Ende der Begegnungszone in Währing

Weiter im Westen, in Währing, steht ebenfalls eine Grüne an der Spitze des Bezirks. Silvia Nossek will nach der Wahl neue Radverbindungen errichten, nämlich von Gersthof und von Pötzleinsdorf bis zum Gürtel. Abgesehen davon ist man im 18. stolz auf die vielen Einbahnen, die gegen die Fahrtrichtung für Radfahrer geöffnet sind. Der Anteil verdreifachte sich in den letzten fünf Jahren auf 73 Prozent, zeigen neue Zahlen der Radlobby – auf 19 Kilometern kann man in Währing gegen die Einbahn radeln.

Begegnungszonen, wie sie derzeit in anderen Bezirken debattiert oder angekündigt werden, sind im 18. aber nicht geplant. Im Gegenteil: Zu Beginn des Lockdowns wurde die Schopenhauerstraße zur temporären Begegnungszone, damit mehr Platz zum Spazieren bleibt. Werde sie gut angenommen, sei eine Verlängerung möglich, hieß es damals.

Dem war nicht so: Die Straße wird wieder wie bisher genutzt. Es kamen zu wenige Fußgänger, sagt Nossek, das habe dazu geführt, dass Autos schneller gefahren seien, weil sie mehr Platz hatten.

Aber auch in Bezirken, in denen die Grünen nicht die Bezirksvorstehung stellen, legen diese Vorschläge für das Verdrängen des motorisierten Verkehrs vor. So hieß es aus Mariahilf schon im Jänner, man wolle die Gumpendorfer Straße beruhigen, die Grünen legten dafür ein fixfertiges Konzept vor. Im August legten sie nach und forderten außerdem, den Naschmarktparkplatz in einen Park umzuwandeln, ganze 10.000 Quadratmeter wären betroffen.

Die Umgestaltung der Gumpendorfer Straße soll im Bereich des Apollo-Kinos eine Begegnungszone bringen.
Rendering: APA/GRÜNE MARIAHILF
Der Parkplatz am Naschmarkt soll ein Park werden, wenn es nach den Grünen geht.
Rendering: APA/KATHI PUXBAUM

Im Achten ließ man mit der Forderung aufhorchen, den untere Teil der Josefstädter Straße zur Begegnungszone umzugestalten.

Neunter ohne Durchzug

Am Mittwoch zog dann der Neunte nach. Die stellvertretende Bezirkschefin Momo Kreutz erklärte dort, sie wolle dem Durchzugsverkehr ein Ende machen.

Eine Studie, die im Auftrag der grünen Bildungswerkstätte von der Technischen Uni Wien durchgeführt wurde, soll die Grundlage dafür bieten. "Das Ziel ist es, den Autoverkehr auf hochrangige Straßen am Bezirksrand zu verlagern", sagte Günter Emberger, Verkehrsplaner der der TU Wien dazu.

Konkret soll – ginge es nach den Grünen – die Nußdorfer Straße zwischen Währinger Straße und Fuchsthallergasse zur Begegnungszone werden. Die dort angrenzende Alserbachstraße soll bis zur Liechtensteinstraße dasselbe Schicksal ereilen. Ein Stück weiter in Richtung 20. Bezirk soll auch der Julius-Tandler-Platz neugestaltet und zur Begegnungszone umgestaltet werden.

Auch im Neunten sollen einige Begegnungszonen entstehen.
Rendering: Grüne Wien

Aus dem Büro der roten Bezirksvorsteherin Saya Ahmad heißt es zu den Plänen, die Frage der Verkehrsberuhigung sei eine wichtige, allerdings gebe es derzeit etwa mit dem U-Bahn-Bau Großbaustellen, die mitgedacht werden müssten. Ebenso die Frage, was dies für die Anrainer und Ausweichstrecken bedeute.

Vorbild Neubau

Der grüne Verkehrssprecher Rüdiger Maresch betonte, in den 1990er-Jahren sei der Alsergrund noch Vorreiter einer modernen Verkehrsgestaltung gewesen. Seither habe sich wenig getan. Nun brauche es eine "Systemänderung". Wer für die Grünen heute Vorbild ist, sprach Kreutz aus: Markus Reiter. Neubau.

Dort wurde vor wenigen Wochen – wieder kurz vor der Gemeinderats- und Bezirksvertretungswahl – die Begegnungszone in der Neubaugasse eröffnet. Die Eröffnung nutzten neben dem grünen Bezirksvorsteher Reiter und dessen Parteikollegin Hebein auch die Roten für Wahlkampf: Bürgermeister Michael Ludwig und Öffi-Stadträtin Ulli Sima (beide SPÖ) zeigten sich freudig in der neuen Neubaugasse.

Deren Neugestaltung werde auch "den regionalen Einkauf fördern", erklärte zudem Wirtschaftskammerpräsident Walter Ruck. 2015, bei der Eröffnung der Mariahilfer Straße, hörte sich das noch anders an: Rainer Trefelik, Obmann der Sparte Handel in der Wirtschaftskammer Wien, sah damals in dem neuen Einbahnsystem rund um die Begegnungszone und den wenigen Querungen eine "Zumutung für den Handel". (Oona Kroisleitner, Gabriele Scherndl, 16.9.2020)