Der imposante Sitzungssaal für das oberste ORF-Gremium bleibt am Donnerstag leer. In Corona-Zeiten lässt selbst dieser Raum zwischen den Stiftungsräten zu wenig Abstand.

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Die imposante weiße Kommandobrücke bleibt am Donnerstag leer: Das große Oval, 2017 gebaut für das oberste Entscheidungsgremium des ORF, lässt fürs Erste nicht genug Abstand zwischen den Stiftungsräten. Die 35 Damen und Herren tagen Corona-bedingt im großen Studio auf dem Küniglberg, wo kommende Woche wieder Dancing Stars nach deren Corona-Pause wirbeln.

Der ORF, mit rund einer Milliarde Euro Umsatz Österreichs weitaus größter Medienkonzern, hat Lockdown und Pandemie bisher besser gemeistert als noch im Frühjahr befürchtet. Das jedenfalls wollen ORF-Stiftungsräte schon am Montag im Finanzausschuss vernommen haben.

Die Werbeeinnahmen gingen weniger dramatisch zurück als befürchtet, bis August liegt der ORF hier nun rund zwölf Millionen unter dem Finanzplan für 2020.

Werbung 26 Millionen unter Plan

Gut 34 Werbemillionen weniger erwartete die ORF-Führung im Frühjahr unter dem Eindruck des Corona-Lockdowns. Nun rechnet sie für das Gesamtjahr mit 26 Millionen unter Plan. Bei Sonderwerbeformen könnte mit 8,7 Millionen noch etwas mehr fehlen als prognostiziert.

Auch bei Gebühren fiel der Corona-Knick weniger drastisch aus als im Frühjahr erwartet. 10,2 Millionen Euro drohten gegenüber dem Plan wegzufallen, insbesondere wegen Gebührenbefreiungen aus sozialen Gründen bei Höchstständen von Arbeitslosigkeit und Kurzarbeit.

644 GIS-Millionen

Derzeit kalkuliert der ORF für das Gesamtjahr nur noch mit rund drei Millionen Euro GIS-Einnahmen unter Plan. Die Rundfunkgebühren sind mit 2019 643 Millionen Euro die wichtigsten Einnahmen des öffentlich-rechtlichen ORF. Für 2020 rechnet der ORF derzeit mit rund 644 Millionen Euro aus der GIS.

Trotz nun optimistischeren Zwischenstands für 2020 kommt der ORF voraussichtlich nur mit dem Verkauf von Liegenschaften zu einem Ergebnis über der Nulllinie. Und 2021 erwarten den Medienkonzern vertagte Belastungen: Sportgroßevents wie Fußballeuropameisterschaft und Olympische Sommerspiele schlagen nun 2021 mit rund 27 Millionen Euro extra zu Buche.

ORF-Chef Alexander Wrabetz hat mit Hinweis auf Corona-Folgen wie diese für 2021 Einsparungen von 75 Millionen Euro angekündigt. Das Budget soll sehr weit gediehen sein – aber je nach Darstellung fehlt auf die 75 Millionen noch ein Viertel oder mehr.

  • Update: Laut ORF-Generaldirektor Alexander Wrabetz fehlen derzeit noch rund 15 Millionen Euro auf die 75 Millionen geplante Einsparung.

Der ORF-Player und die GIS

Am Montag im Finanzausschuss ließ das einige Stiftungsräte laut über die GIS-Gebühren nachdenken. Heinz Lederer von der SPÖ verweist schon seit langem darauf, dass der Gesetzgeber doch die "Streaminglücke" schließen möge – also Gebühren auch für die Nutzung von ORF-Inhalten abseits des klassischen Rundfunks.

Der ORF will seine Streamingplattform ORF-Player mit Social-Media-Funktionen nun vor dem Sommer 2021 starten. Mit eigens produzierten Beiträgen und Formaten, sobald das der Gesetzgeber erlaubt. Und komplettem Streaming der klassischen Rundfunkkanäle.

Mit dem erweiterten Streamingangebot könnte der ORF auch GIS-Pflicht für diese Nutzungsvariante leichter argumentieren. Bisher fällt die Rundfunkgebühr nur für Rundfunk an, entschied der Verwaltungsgerichtshof 2015.

Vertagter Player, vertagte Kosten

Immerhin: Der auch mangels neuen ORF-Gesetzes von 2020 auf 2021 neuerlich vertagte Start des ORF-Player sparte nach ORF-internen Informationen in diesem Jahr zwei Millionen Euro. 100 bis 140 ORF-Mitarbeiter sollen künftig (auch) für die Streamingplattform arbeiten, hieß es am Montag.

Im Finanzausschuss, aber auch im Publikumsrat sahen ORF-Aufseher die Republik gefordert: Sie möge dem ORF doch Gebührenbefreiungen abgelten – wie 2010 bis 2013 mit 30 bis 50 Millionen Euro pro Jahr.

Dichand und Fellner

Golli Marboe, Publikumsrat der Neos, fragte ORF-Chef Wrabetz, ob er sich um eine "Abdeckung für den Gebühren- und Werbeausfall" bemüht habe. Wrabetz sah dafür keine Bereitschaft. Marboe schloss daraus, dass ÖVP und Grüne dem "als sichere Quelle bewährten" ORF "verweigern, was sie den Familien Dichand und Fellner geben" – also den Eigentümerfamilien von "Österreich/Oe24" und "Kronen Zeitung" beziehungsweise "Heute".

Gebührenantrag 2021

Spätestens im Herbst 2021 muss der ORF laut Gesetz seinen nächsten Antrag auf Gebührenanpassung stellen. Alexander Wrabetz wird ihn nicht vorlegen, bevor im August 2021 der nächste ORF-Chef bestellt ist. Die Inflationsrate seit der letzten GIS-Erhöhung im April 2017 bis August 2020 laut Statistik Austria: 5,1 Prozent*. (fid, 17.9.2020)