Bisher ist es nur eine Prognose, noch dazu eine, die mit besonderen Unsicherheiten behaftet ist. Dennoch sorgten die Zahlen, die von der Industriestaatenorganisation OECD am Mittwoch veröffentlicht worden waren, für Verblüffung.

Der weltweite wirtschaftliche Einbruch durch die Corona-Krise wird etwas weniger schlimm als erwartet, rechnet die OECD vor. Dafür verantwortlich ist großteils die positive Entwicklung in den USA. Die Konsumnachfrage hat sich erholt, der schwache Dollar stützt die Exporte. Die US-Wirtschaft soll heuer nur um 3,8 Prozent schrumpfen.

Dabei schienen die USA bis vor wenigen Wochen vor einem ökonomisch-sozialen Armageddon zu stehen. Nirgendwo haben sich mehr Menschen mit dem Coronavirus infiziert oder sind mehr daran gestorben. In den USA gab es pro eine Million Einwohner um fast siebenmal mehr Tote als in Österreich oder Deutschland. Und trotzdem: Behielte die OECD recht, wäre der Wirtschaftseinbruch 2020 in den USA deutlich kleiner als in Österreich, wo zuletzt sieben Prozent Minus erwartet worden waren.

Solche Zahlenspiele fachen eine Diskussion an, die die Pandemie stetig begleitet: Was sorgt für den größeren Schaden, das Virus selbst oder die Maßnahmen, die gegen die Epidemie ergriffen werden? In den USA wurden die Maßnahmen spät gesetzt, und Präsident Trump drängte viele Bundesstaaten erfolgreich dazu, rasch wieder zum gewohnten Alltag zurückzukehren. Das löste eine zweite Welle aus. Trotzdem fällt die Wirtschaftskrise wohl moderater aus als befürchtet. Nun sind die USA eine Volkswirtschaft von anderer Größe, Vergleiche sind schwer.

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Shopping in Stockholm. Der Höhepunkt der Pandemie ist vorbei, aktuell sind die Fallzahlen in Schweden sehr niedrig. Ob das so bleibt, weiß niemand.
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In den ersten Monaten des Lockdowns wurde die Debatte über die Vernünftigkeit einzelner Maßnahmen vor allem am Beispiel Schweden diskutiert. In dem Land wurde das Leben als Reaktion auf die Pandemie im Vergleich zu anderen Ländern weit weniger eingeschränkt. Auch in Schweden gab es mehr Corona-Opfer als in Österreich. Und im Frühjahr sah es so aus, als würde das keinen Unterschied machen. Schweden wie Österreich schienen einen ähnlich starken Absturz der Wirtschaft zu erleben. Zwei kleine, offene Volkswirtschaften, die vom Export abhängig sind, teilten den Pfad.

Inzwischen gibt es deutliche Anzeichen dafür, dass Schweden wirtschaftlich doch glimpflicher durchkommen könnte. In aktuellen Daten der EU-Statistikbehörde Eurostat zeigt sich, dass Schwedens Wirtschaftsleistung im zweiten Quartal 2020 um 7,7 Prozent im Vergleich zum Vorjahr eingebrochen ist. In Österreich waren es 12,9 Prozent. Es geht in Schweden kräftig bergauf, im dritten Quartal wird die Konjunktur fünf Prozent anziehen.

Deutliche Erholung

"Es sieht so aus, als würden wir wirtschaftlich besser durch dieses Krisenjahr kommen als viele andere Länder", sagt Erik Spector, Leiter der Konjunkturforschung am Nationalen Institut für Wirtschaftsforschung in Stockholm.

Woran liegt das? "Die Exporte wurden in beiden Ländern ähnlich stark getroffen", sagt der Wifo-Ökonom Stefan Schiman. Inlandskonsum und Investitionen sind allerdings in Schweden weniger stark eingebrochen, wie sich nun zeigt.

Eine neue Studie stärkt dieses Bild: Wissenschafter, darunter die Salzburger Ökonomen Jörg Paetzold und Hannes Winner, haben untersucht, wie die Arbeitsmärkte in Schweden, Dänemark, Norwegen und Finnland durch die Krise gekommen sind, alle Länder sind gut miteinander vergleichbar. Ergebnis: In Schweden war der Einbruch am geringsten. Arbeitslosigkeit und Kurzarbeit sind in Dänemark um 20 bis 25 Prozent stärker gestiegen als in Schweden, bei Umrechnung auf Vollzeitstellen, so Paetzold.

Im Vergleich zu Österreich sehen die reinen Arbeitslosenzahlen in Schweden zwar schlechter aus. Aber das könnte daran liegen, dass die Kurzarbeit in Österreich generöser ausgestaltet und entsprechend stärker in Anspruch genommen wurde.

Die Frage, wie sich Lockdown und Virusausbreitung auswirken, beschäftigt Ökonomen auch abseits vom Vergleich einzelner Ländern.

Die Blavatnik School of Government, die zur Oxford-Universität gehört, hat dafür eine Art Tracker gebaut. Die Ökonomen sehen sich an, wie es sich wirtschaftlich auswirkt, wenn ein Land mehr Lockdown-Maßnahmen in Kraft setzt. Dabei zeigt sich tendenziell: Je mehr Einschnitte es gibt, umso größer der wirtschaftliche Absturz. Aber die Bandbreite ist groß, auch zwischen Ländern mit ähnlichen Maßnahmen variieren die Ergebnisse. Ein Beispiel: In Brasilien gab es im zweiten Quartal deutlich mehr Lockdown-Maßnahmen als in Österreich, der Wirtschaftseinbruch war ähnlich stark.

Einen Konsens bei dem Thema gibt es in der Wissenschaft nicht. Das Our-World-in-Data-Projekt, ebenso von der Universität Oxford, versucht mit Vergleichen zu zeigen, dass jene Länder, in denen die Zahl der Virusopfer am niedrigsten war, wirtschaftlich eher besser durch die Krise gekommen sind (siehe Grafik). Schweden bleibt auch da ein Ausreißer. Für ein endgültiges Urteil ist es jedenfalls noch zu früh. Die Pandemie ist alles andere als zu Ende, abgerechnet wird zum Schluss. (András Szigetvari, 17.9.2020)