Wolfgang Sobotka muss den Überblick über viele Verflechtungen seines Instituts zur niederösterreichischen Politik behalten.

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"Grenzen überwinden": So heißt eine Biografie über den konservativen Ausnahmepolitiker Alois Mock (ÖVP), herausgegeben von dem nach ihm benannten Institut. Grenzen überwindet auch das Institut selbst: die Grenzen zwischen Verein, Partei und Bundesland.

Gegründet wurde das Alois-Mock-Institut im Frühjahr 2013 vom damaligen niederösterreichischen Finanzlandesrat Wolfgang Sobotka (ÖVP); berühmt wurde es sieben Jahre später, als Sobotka Vorsitzender des Ibiza-Untersuchungsausschusses wurde. "Novomatic zahlt alle", hatte der damalige FPÖ-Chef Heinz-Christian Strache im berüchtigten Ibiza-Video geprahlt (was er und Novomatic später dementierten). Bezahlt hat Novomatic jedenfalls das Mock-Institut, und zwar für Inserate im hauseigenen "Report". Kooperiert wurde ebenfalls.

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Das Land bin ich

Das Alois-Mock-Institut ist aber viel mehr als eine Verbindung zwischen Sobotka und Novomatic. Es ist das perfekte Beispiel für das "System Niederösterreich" und die Verschmelzung von privaten Initiativen, Landes- und Parteiorganisationen. Seit mehr als zwanzig Jahren hat die ÖVP dort eine absolute Mandatsmehrheit, seit Beginn der Zweiten Republik stellte sie den Landeshauptmann, nun die Landeshauptfrau: Johanna Mikl-Leitner (ÖVP) folgte 2017 auf Erwin Pröll, der zuvor ein Vierteljahrhundert lang regiert hatte.

2013 war es alles andere als eindeutig, dass Mikl-Leitner das Rennen um Prölls Nachfolge gewinnen würde. Gute Karten hatte auch Sobotka, damals Finanzlandesrat. Mit dem Alois-Mock-Institut wollte sich der Politiker profilieren, heißt es aus seinem Umfeld. Die Vision war die eines "bürgerlichen Thinktanks", der für eine noch engere Vernetzung zwischen Partei, Wirtschaft und Wissenschaft sorgt.

Landeseigene Förderer

Gut dokumentiert sind vor allem die Thinktank-Aktivitäten ab 2017. Damals erschien der erste "Report", die vierteljährliche Zeitschrift des Instituts. Schnell waren Förderer zur Stelle, die Inserate kauften oder bei Veranstaltungen kooperierten. Dabei handelt es sich vor allem um Unternehmen, an denen das Land Niederösterreich beteiligt ist: der Energiekonzern EVN, die Hypo NÖ sowie der Flughafen Wien.

Eine Auswahl der Sponsoren: EVN, Novomatic und eine Initiative des Integrationsministeriums.

"Habt ihr nicht Interesse?"

Im U-Ausschuss erklärte Sobotka, wie sein Institut zu Kooperationspartnern kam: "Sie kennen das: Sie treffen die Leute auf öffentlichen Veranstaltungen, reden: Habt ihr nicht Interesse, gewisse Themenstellungen in eurem Unternehmen aufzugreifen?" Der damalige Finanzlandesrat sprach also mit Unternehmen, an denen das Land beteiligt ist, über die Unterstützung seines Thinktanks – und betont im U-Ausschuss dennoch, das Budget von 240.000 Euro sei "frei finanziert", "ohne Subventionen". Vom Land Niederösterreich gab es 2018 jedoch einen Druckkostenbeitrag in Höhe von 45.000 Euro.

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Die Achse Herrengasse

In Niederösterreichs Politik kennt jeder jeden, und das meistens aus dem Innenministerium. Gedruckt wird der Mock-"Report" beispielsweise vom Ärzteverlag, Geschäftsführer dort ist ein ehemaliger Kabinettschef. Seinen Nachfolger im Ministerium zog es in der Ära Kickl nach Niederösterreich, er arbeitet nun bei einem gemeinnützigen Wohnbauträger. Vorstandsvorsitzender dort ist Christian Rädler, heute Obmann des Mock-Institut. Und im Mock-"Report" wird dann Sobotkas und Mikl-Leitners ehemaliger Kabinettschef als begeisterter Besucher einer Veranstaltung präsentiert. Die Welt ist ein Dorf, und Niederösterreich ganz besonders. Rädler war übrigens einst Sobotkas Pressesprecher, genau wie der spätere Novomatic-Konzernsprecher.

Neben dem ÖVP-Haus

Eine gewisse Enge zeigt auch die Geografie. Das Mock-Institut sitzt nun in der Hypogasse 1; zuvor war es in der Ferstlergasse 8 gemeldet, das ist rund 200 Meter weiter. Spaziert man über diese zweiminütige Strecke, kommt man eigentlich nur an der für St. Pölten riesigen Parteizentrale der ÖVP Niederösterreich vorbei. Die Ferstlergasse 8 wurde im U-Ausschuss auch als "Nebenhaus" der ÖVP-Zentrale bezeichnet. Dort sitzen auch das niederösterreichische Sicherheitsforum und die Kinderwelt. Wer dort anruft, landet bei der ÖVP.

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Als türkise "Vorfeldorganisation" will sich das Alois-Mock-Institut aber nicht verstanden wissen. "Es ist keine Parteivorfeldorganisation, das ist eindeutig festgestellt", so Sobotka. Aber: Dass der Verein "mit der ÖVP was zu tun hat, ist keine Frage".

Wäre er eine offizielle Parteiorganisation, müsste er andere Transparenzvorgaben erfüllen. "Kann schon sein, dass es einmal eine Kooperation mit einer Parteiorganisation gegeben hätte. Ich kann mich jetzt nicht erinnern, aber ich kann es auch nicht ausschließen", sagte Sobotka im U-Ausschuss. Er hätte den Mock-"Report" lesen können. Dort steht beispielsweise, dass das Institut "im Rahmen einer Studienreise, organisiert von der Politischen Akademie", in Nordmazedonien gewesen ist.

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Die Familie der ÖVP-Akademie

Die Politische Akademie (PolAk), also die Bildungseinrichtung der ÖVP, bezeichnete das Mock-Institut auch als Teil seines "vielfältigen Netzwerks". Auch personelle Überschneidungen bestanden: Ein Vorstandsmitglied des Mock-Instituts arbeitete bei der PolAk. Kooperiert wurde auch mit den ÖVP-Frauen und dem Bauernbund. Im "Projekt Ballhausplatz", internen Überlegungen zur Machtübernahme aus dem Umfeld des damaligen Außenministers Sebastian Kurz, wird das Mock-Institut unter "Aufgabenverteilung innerhalb der Parteienfamilie" unter "nahestehende Organisationen" zuerst genannt. Im U-Ausschuss sagte Kurz, er habe "den Verein nicht sonderlich erlebt". Auf Facebook wurde er 2016 vom Institut als "Schirmherr" präsentiert.

PolAKFoto:

Büro Alois Mock, Büro Nationalratspräsident

Diese Verflechtungen zwischen Land, landesnahen Firmen und Partei werden auch in den Personalien des Vereins sichtbar. Die "Ansprechpartnerin für alle organisatorischen Fragen", eine ÖVP-Gemeinderätin, arbeitet auch im Büro des Nationalratspräsidenten Sobotka, und zwar als Referentin für zivilgesellschaftliche Angelegenheiten. Die Geschäftsführerin, ebenfalls ÖVP-Gemeinderätin, war einst bei der Hypo und bei "Natur im Garten".

Kurzer Exkurs: Sobotka ist auch Präsident des Vereins "Freundinnen und Freunde von 'Natur im Garten'", die "Natur im Garten GmbH" zu 100 Prozent im Besitz des Landes Niederösterreich; das Magazin "Natur im Garten" erscheint im Ärzteverlag. Ansprechpartner für "Natur im Garten" sind in St. Pölten in der Hypogasse 1 erreichbar. Und Sobotka erhielt als Finanzlandesrat einst Probleme, weil die Landesgartenschau in Tulln viermal so viel wie veranschlagt gekostet hatte.

Förderer, Aufsichtsrat, Niederösterreich

Zurück zum Mock-Institut: Der Vorstand besteht neben "Ehrenpräsident" Sobotka und Rädler aus Sandra Kern, Landesgeschäftsführerin des NÖAAB und ehemalige Bundesrätin. Ihr Mandat hat sie niedergelegt, weil sie alkoholisiert in einen Autounfall verwickelt war, es gilt die Unschuldsvermutung. Vorständin ist auch Angela Stransky, Prokuristin bei Ecoplus, der Wirtschaftsagentur des Landes, und bei der Raiffeisenlandesbank. Sie sitzt auch im Aufsichtsrat der EVN, also eines Kooperationspartners des Mock-Instituts. Ein weiterer Vorstandskollege: Bernhard Kadlec, kaufmännischer Direktor der St. Pöltner Universitätsklinik (ebenfalls im Landesbesitz); sowie Alfred Graf, einst Geschäftsführer eines gemeinnützigen Wohnbauträgers.

Wer sich die Namen gemerkt hat, kennt sich bei der nächsten Station der Niederösterreich-Reise schon aus: beim Niederösterreichischen Pressverein-Zeitungsverlag, der die Mitgliederzeitschrift des NÖAAB herausgibt. Der Vorstand des Pressvereins: Obfrau Stransky, Schriftführerin Kern; Finanzreferent ist Johann Rädler, Vater von Mock-Obmann Christian Rädler, Rechnungsprüfer ist Graf. Fast jedes Vorstandsmitglied des Pressvereins ist also auch im Vorstand des Mock-Instituts.

Laut der grünen Abgeordneten Nina Tomaselli wird "die Rechenschaftspflicht für Inserate" im NÖAAB-Magazin umgegangen, weil der Pressverein zwischengeschaltet ist. Sobotka dazu: "Sie wird nicht umgangen, weil das seit mehr als 20 oder 30 Jahren ein Vorgang ist." Inseriert hat im NÖAAB-Magazin übrigens auch das Mock-Institut. So schließt sich der Kreis, so werden Grenzen überwunden. Oder, wie Sobotka gegen Ende seiner Befragung sagte: "Schwarzes Netzwerk, bitte sagen! – Herr Abgeordneter, noch einmal, vielleicht auch, dass ich das präzisiere, an den NÖAAB, denn der NÖAAB hat ja keine Inserate geschaltet. Also, genau genommen hat natürlich das Mock-Institut nie beim NÖAAB inseriert, sondern in der Zeitung des NÖAAB, die der Pressverein gemacht hat!" (Fabian Schmid, 17.9.2020)