Händewaschen ist leicht im Kindergarten – Abstandhalten schon schwieriger.
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Den Dienstag hat Petra Lederer hauptsächlich telefonierend verbracht. Die Leiterin eines Kindergartens in Tirol wollte wissen, was es genau für ihre Einrichtung bedeutet, dass die Corona-Ampel im Bezirk auf Orange geschaltet wurde. "Keiner hat sich ausgekannt", sagt sie. Bei der Bezirksbehörde ließ eine Stimme auf Band wissen, dass die Hotline nicht besetzt und ein Formular auszufüllen ist. Währenddessen spielten 160 Kinder im Kindergarten.

Erst am Abend kam dann die Information: Es ändert sich nichts. Die Corona-Ampel bleibt in Bildungseinrichtungen gelb, habe das Bildungsministerium entschieden.

Keine klare Zuständigkeit

Für die Pädagogin, die auch Sprecherin des Forums für Elementar- und Hortpädagogik der Gewerkschaft Younion in Tirol ist, zeigt das Chaos ein grundlegendes Problem auf: Es gibt keine klaren Zuständigkeiten für elementare Bildungseinrichtungen. In Österreich fallen die Kindergärten unter die Landesgesetzgebung, umgesetzt wird diese von den Erhaltern – das können Gemeinden, die Länder selbst, aber auch private Betreiber sein.

Die Konsequenz daraus für Lederer: "Der Informationsfluss läuft nicht. Die Abteilung des Landes, die Träger, die Gesundheitsbehörde, alle wollen mitreden. Verantwortlich fühlt sich aber niemand." Auch alle Richtlinien, die vom Bildungsministerium veröffentlicht werden, gelten nur als Empfehlungen. Die Letztentscheidung liegt beim Träger.

Distanz nicht möglich

Grundsätzlich laufe im Umgang mit dem Coronavirus aber alles schon ruhiger ab als im Mai, als die Kindergärten wieder den Vollbetrieb aufnahmen, erzählt Lederer, die bereits damals mit dem STANDARD über die Situation gesprochen hat. "Wir haben uns irgendwie daran gewöhnt." Die Kinder waschen sich regelmäßig die Hände, die Pädagoginnen tragen Handschuhe, wenn sie kleine Nasen putzen. "Die Distanz können wir nicht halten, das haben wir festgestellt", sagt Lederer. "Gerade jetzt in der Eingewöhnungsphase im Herbst nehme ich das Kind natürlich hoch, wenn es das braucht."

Im Hygienehandbuch für elementare Bildungseinrichtungen des Ministeriums wird das auch ausdrücklich erlaubt. "Grundsätzlich ist die Einhaltung des Abstands für Kinder im Alter von 0 bis 6 Jahren aufgrund der Bedürfnisse des Kindes nach Nähe und Geborgenheit und der Unterstützung im Alltag nicht durchgängig möglich", heißt es darin.

Es geht nicht ohne Sammelgruppen

Dennoch sind die Auflagen nicht leicht einzuhalten. Vor allem wenn die Corona-Ampel irgendwann doch orange leuchten sollte. Dann ist nämlich unter anderem vorgesehen, die Gruppen nicht mehr zu vermischen und das Personal fix einer Gruppe zuzuteilen. "Das geht sich nicht aus", sagt Martina K., sie leitete den Kindergarten eines privaten Trägers in Wien. Ihren Namen und den ihres Kindergartens will sie nicht öffentlich machen, um dem Betreiber keine Probleme zu bereiten.

Den Betrieb von 7 bis 18 Uhr aufrechtzuerhalten, ohne Sammelgruppen zu bilden, sei nicht möglich, sagt K. "Wir versuchen die Kinder weniger zu vermischen, mussten dafür auch unser pädagogisches Konzept umstellen", sagt sie. Trotzdem werden jene Kinder, die sehr bald kommen, und jene, die länger bleiben, morgens und abends zusammengefasst.

Fixe Zeiten für Eltern schwierig

Wegen der Auswirkungen des Coronavirus ist es für Mütter und Väter im Moment nicht leicht, fixe Zeiten für die Betreuung ihrer Kinder anzugeben. "Ich habe Eltern, die stellen jetzt wieder auf Homeoffice um, andere sind arbeitssuchend, wieder andere sind in Kurzarbeit", erzählt Lederer aus Tirol. Ständig ändere sich etwas. "Da heißt es dann: Ich hab eine neue Stelle gefunden, mein Sohn bleibt länger." Auch die Dienstpläne der Mamas und Papas ändern sich immer wieder. Und so muss auch Lederer die Dienstpläne ihrer Pädagoginnen regelmäßig umstellen, um alle Bedürfnisse unter einen Hut zu kriegen. "Das geht nur, weil meine Mitarbeiterinnen so flexibel sind."

Auch hier zeigt die Corona-Krise einen Fehler im System auf: den Pädagoginnenmangel in elementaren Bildungseinrichtungen. Oft sind eine Pädagogin und eine Assistentin, die in Teilzeit arbeitet, für 25 Kinder zuständig. Eine einheitliche Pädagogin-Kind-Relation für ganz Österreich gibt es nicht. Diese verlangt Raphaela Keller, Sprecherin des Österreichischen Berufsverbands für Kindergarten- und HortpädagogInnen, schon lange. "Es wäre ideal, wenn eine Pädagogin für 15 Kinder zuständig ist", sagt sie. Sie erzählt, dass manche die Zeit des Lockdowns auch geschätzt haben, weil viel weniger Kinder anwesend waren. "Da hat man dann Zeit für die Dinge, die der Politik ja auch so wichtig sind, wie etwa Spracherwerb."

Raumschiff in Gelb

Keller kritisiert, dass der Bund den Schulen und Kindergärten eine andere Ampelfarbe zuweist als dem Rest Österreichs. "Sind Bildungseinrichtungen denn Raumschiffe?", fragt sie. "So wurden alle Klarheiten beseitigt, niemand kennt sich aus." Immerhin herrsche diesmal in den Kindergärten und -krippen das gleiche Chaos wie in den Schulen. "Da sind wir einmal gleichberechtigt", sagt sie und lacht.

Die beiden Kindergartenleiterinnen bereiten sich unterdessen auf eine Verschärfung der Maßnahmen vor. Weil K. damit rechnet, dass Orange doch noch kommt, arbeitet sie bereits an einem Dienstplan für diesen Fall. Dafür hat sie die Eltern darum gebeten mitzuteilen, wann sie ihre Kinder später bringen und früher abholen können, damit sie Sammelgruppen, so gut es geht, vermeiden kann.

Lederer wünscht sich vor allem eines: dass alle gesund bleiben. Sollte es einen Corona-Fall in der Einrichtung geben, hofft sie darauf, dass sie das Personal und die Kinder so eingeteilt hat, dass die Behörde nicht den ganzen Kindergarten schließen muss. (Lisa Kogelnik, 18.9.2020)