Sumsi bei der Arbeit.

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Handystrahlung könnte einer Untersuchung zufolge ein Grund für das Insektensterben in Europa sein. Dies legt die Auswertung von 190 wissenschaftlichen Studien aus aller Welt nahe, die der Naturschutzbund Deutschland zusammen mit der Initiative Diagnose Funk und der Luxemburger Aktionsgruppe Umwelttoxikologie am Donnerstag in Stuttgart vorgelegt hat.

Die Untersuchung kommt zu dem Ergebnis, dass abseits von Pestiziden und dem Verlust von Lebensräumen auch die zunehmende Belastung der Umwelt mit elektromagnetischer Strahlung "vermutlich einen negativen Einfluss auf die Insektenwelt" habe. Demnach wiesen sechzig von hundert aus der Gesamtmenge als seriös eingestuften Studien in Labor- und Feldversuchen negative Auswirkungen auf Bienen, Wespen und Fliegen nach. Diese reichten vom Verlust der Orientierungsfähigkeit durch die Magnetfelder bis hin zur Schädigung des Erbguts und der Larven.

Calcium-Überflüss verwirrt Insekten

Ein Grund dafür sei, dass insbesondere Mobilfunk- und WLAN-Strahlung dafür sorge, dass die Calcium-Kanäle der Zellen geöffnet würden, sodass Calcium-Ionen vermehrt einfließen. Calcium ist ein wichtiger Botenstoff, der eine biochemische Kettenreaktion bei Insekten auslöst, wie die auch in der Fachzeitschrift "Umwelt, Medizin, Gesellschaft" veröffentlichte Untersuchung erläuterte.

"Die Metastudie zeigt auf, dass wir bei der Ursachenanalyse für den dramatischen Insektenschwund unsere Augen in alle Richtungen offen halten müssen", erklärte der baden-württembergische Nabu-Landeschef Johannes Enssle. Die Wirkung von Mobilfunkstrahlung auf die Umwelt werde häufig unterschätzt.

Auch Peter Hensinger, zweiter Vorsitzender von Diagnose Funk und Leiter des Fachbereichs Wissenschaft, forderte die Beachtung möglicher negativer Effekte auf Tiere und Menschen beim Ausbau des digitalen Netzes. Eine weitere Erforschung der Wirkungen sei auch von staatlicher Seite notwendig, insbesondere mit Blick auf die Einführung der 5G-Technik.

Anmerkungen

Die Zeitschrift "Umwelt, Medizin, Gesellschaft" steht allerdings auch in der Kritik. Sie soll, wie "Psiram" dokumentiert, immer wieder unbewiesene Hypothesen – etwa Elektrosensibilität – als Faktum dargestellt haben und auch das unwirksame Produkt Bioshield als Schutz gegen "Elektrosmog" angepriesen haben.

Diagnose Funk und die Aktionsgruppe Umwelttoxikologie wiederum behaupten eine Schädlichkeit von WLAN- beziehungsweise Mobilfunkstrahlung, deren Nachweis unter Alltagsbedingungen allerdings bislang nicht erbracht wurde.

Dies trifft keine Aussage über die Qualität der Metastudie, die sich erst über Peer-Reviews und andere Beurteilungen aus Fachkreisen erschließen wird.

Widerspruch

Kritik an der Untersuchung kommt vom österreichischen Forum Mobilkommunikation (FMK). Es handle sich lediglich um die Meta-Analyse eines längst abgehandelten Themas, hieß es am Donnerstag in einer Stellungnahme. Auch das deutsche Bundesamt für Strahlenschutz würde den Annahmen klar widersprechen.

"Nach dem derzeitigen wissenschaftlichen Kenntnisstand gibt es keine wissenschaftlich belastbaren Hinweise auf eine Gefährdung von Tieren und Pflanzen durch hochfrequente elektromagnetische sowie niederfrequente und statische elektrische und magnetische Felder unterhalb der Grenzwerte", zitierte das FMK von der Homepage des deutschen Bundesamts für Strahlenschutz. In der Zwischenzeit sei bekannt, dass Funk mit dem Insektensterben nichts zu tun habe, so das FMK. (APA, red, 17.9.2020)