Kurt Razelli (links), wie immer mit Arnold-Schwarzenegger-Maske, remixt Philipp Hochmair.

Kurt Razelli

Er wurde schon einmal als "Elisabeth T. Spira des Internets" beschrieben. Was stimmt, denn mit Vorliebe fand Kurt Razelli in der Anfangszeit den Rohstoff für seine Werke in den Alltags- und Sozialstudien nämlicher Filmemacherin. Da wurden Auftritte von Donauinsulanern und Gemeindebauphilosophen als lustige Elektroremixes neu interpretiert. Später machte er sich an TV-Perlen aus ORF-Interviews und Privatsender-Trash zu schaffen: von Saturday Night Fever – So feiert Österreichs Jugend bis hin zu legendär realsatirischen TV-Auftritten von Frank Stronach oder Marko Arnautović.

Kurt Razelli ist Youtube-Mashup-Künstler. Das heißt, er nimmt bestehendes Videomaterial aus fremden Quellen (deren Copyright-Rechte er mittlerweile abklärt) und bastelt daraus mehr oder weniger originelle, aber meistens recht eingängige Liedchen in elektronischer Eigenbau-Variante.

Mittlerweile tritt Razelli damit live auf. Zuletzt machte er mit einem seiner "Lieblingsopfer", dem rhetorischen Flügelheber und Baumumarmer Matthias Strolz, gemeinsame Sache. Jetzt folgt die Zusammenarbeit mit einem anderen Entertainment-Individualisten: dem Schauspieler Philipp Hochmair.

KURT RAZELLI

Der frühere Burgtheater-Mime ist bekannt für seine enorm erfolgreichen Einmannperformances von Goethes Werther. Dass er auch den gesamten Jedermann drauf hat, bewies Hochmair nicht nur bei seiner Last-Minute-Aushilfe für den erkrankten Tobias Moretti bei den Salzburger Festspielen 2018; er hat den Stoff neu gewandet auch mit seiner Post-Rockband Die Elektrohand Gottes aufgenommen.

Und weil das noch zu wenig elektronisch klang, bat er Kurt Razelli darum, einen Remix anzufertigen. Geworden ist es angesichts des 100-jährigen Bestehens der Salzburger Festspiele gleich ein ganzes Album: Jedermann Razelli RMX.

Einstieg für Hochkulturferne

Dass Kurt Razelli dem Hochkulturstoff mit zu viel Discoblödelei die Würde hätte nehmen können, wäre zwar okay, aber ziemlich entbehrlich gewesen. Diese Sorge stelllt sich aber ohnehin als unbegründet heraus. Denn äußerst behutsam nähert sich Razelli dem Werk, behält die Struktur von Hochmairs Monolog im Wesentlichen bei, hilft nur dort und da mit Kürzungen, Sampling-Wiederholung und Soundeffekten aus der Dose discotechnisch auf die Sprünge.

Der Song Geld wurde als einziger wirklich für sich stehender Hit aus dem Album ausgekoppelt. Die restliche Vertonung hält sich an die Dramaturgie des Jedermann und folgt eher der Logik eines Hörspiels denn eines Musikalbums.

In Summe erhält man eine auf die wesentlichen Passagen komprimierte kurzweilige Fassung des Hofmannsthal-Stücks, die gerade Hochkulturfernen einen schönen Einstieg ins Metier bieten kann und sich mit Gothik-Techno und Billig-pathos gut in der Prater-Geisterbahn machen würde.

Und wenn Jedermann an einer Stelle seinen Gästen erklärt, "so könnte ich euch alle kaufen", ist der Vergleich mit Marko Arnautović auch schon nicht mehr weit. (Stefan Weiss, 18.9.2020)