Fotos: Lisi Specht
Fotos: Lisi Specht
Foto: Lisi Specht

Die Wiener Künstlerin Jacqueline Cheval veranstaltet ihre Ausstellungen in ihrer eigenen Wohnung in der Leopoldstadt. Damit wird der sonst private Wohn- und Arbeitsraum zur öffentlichen Bühne.

"Kunst und Wohnen bilden bei mir eine Einheit. Ich arbeite von zu Hause aus, und wenn ich gerade wieder einen Zyklus fertiggestellt habe, lade ich gerne Menschen zur Vernissage nach Hause ein. Dann gibt es Sekt und ein paar kleine Snacks.

Vernissage mit Sekt und Snacks: Jacqueline Cheval lädt gerne in ihre Wohnung ein.
Foto: Lisi Specht

Ich mag es, wenn vertraute Menschen in meinem sogenannten Wohnzimmer neue Werke betrachten, Fragen stellen, sich unterhalten. Gleichzeitig aber bin ich jedes Mal ein bisschen aufgeregt. Monatelang arbeitet man sehr intensiv komplett alleine, ist introvertiert und konzentriert, der Zeitpunkt der Öffnung nach außen ist also sehr spannend.

Bei der ersten Vernissage waren knapp 20 Leute da. So viele Leute in meinem Wohnzimmer … Damit wird der Raum natürlich zu einer öffentlichen Bühne. Mit dem Interview jetzt wird er noch öffentlicher werden.

Ich finde den Gedanken schön, dass ich die Werke direkt an ihrem Geburtsort ausstelle, dass sie zwischen Entstehung und Präsentation nicht kilometerweit transportiert und ihrem räumlichen Kontext entrissen werden müssen.

Aber auch sonst ist das ungefähr 30 Quadratmeter große Wohnzimmer nicht wirklich zum Wohnen da. Ich nutze das Wohn zimmer nämlich als Atelier und Werkstatt.

Die mit einem Birkenwald tapezierten Oberschränke in Jacqueline Chevals Küche stammen von den Vormietern.
Fotos: Lisi Specht

Das Waschbecken im Badezimmer ist immer mit Farbe bespritzt, im Zimmer nebenan sind einige meiner großformatigen Werke untergebracht, und vielleicht, ja vielleicht ist die Küche sogar das wohnlichste Wohnzimmer in meiner ganzen Wohnung. Da wird nicht gearbeitet, da wird gekocht und gegessen, da werden Geheimnisse enthüllt.

Eingezogen bin ich im Mai 2018, ich habe die Wohnung direkt von einem Freund übernommen. Sie liegt im zweiten Bezirk, in einem schönen Haus nicht weit vom Augarten, hat 85 Quadratmeter und ist recht gut geschnitten. Außerdem ist die Wohnung ein Stauwunder! Es findet alles Platz, was man in den Kästen, Winkeln und Verstecken niemals vermuten würde.

Eines dieser Verstecke nennt sich Blaue Lagune, ein Hybrid aus Bettnische, Schublade, Oberschränken und seitlich integrierter Abstellkammer. Schon beim Einziehen wusste ich: Das ist die perfekte Künstlerwohnung!

Das eigentliche Wohnzimmer wird als Atelier und Werkstatt benutzt.
Fotos: Lisi Specht

Aber natürlich habe ich mit der Wohnung auch einige charmante bis ungewöhnliche Eigenheiten übernommen. In der Küche sind die Oberschränke mit einer naturalistischen Fototapete beschichtet, ein Birkenwald mit weißen Stämmen, und im Wohnzimmer steht ein komplett verstimmter Flügel, den die Vermieterin irgendwann einmal reparieren lassen will. Und so nutze ich das derzeit nicht wirklich spielbare Instrument als exotische Ablage, als Podest für meine Ausstellungen. Natürlich nimmt der Flügel viel Platz weg, aber dennoch: Ich habe Respekt vor den Dingen, immer schon gehabt, weil ich denke, dass man aus jeder Situation, so ungewöhnlich sie auch sein mag, etwas Gutes und Konstruktives machen kann. In gewisser Weise ist der kaputte Flügel mit der Zeit zu einem richtig wertvollen Wow-Schmuckstück geworden.

Meine erste Ausstellung stand unter dem Titel "Higher Order". Die höhere Ordnung ist für mich die Notwendigkeit, zunächst einmal eine innere Ordnung herzustellen, um aus diesem geordneten und befreiten Zustand heraus agieren zu können. Zuerst kommt die Erschaffung der inneren Ordnung – quasi als Unterordnung an intelligenten und harmonisierenden Prinzipien, dann erst folgt das Äußere, also das Erschaffen im Außen. Diesem Ordnungsprinzip hat sich die Ausstellung in meinem Wohnzimmer gewidmet.

In meinem Leben bin ich schon so oft umgezogen, ich war im In- und Ausland, und auch hier in dieser Wohnung werde ich nicht ewig lange bleiben. Nach vielen Jahren im turbulenten Stadtleben zieht es mich wieder zurück aufs Land, zurück nach Vorarlberg. Wann das sein wird? Wo das sein wird? Da füge ich mich der höheren Ordnung. Sie kennt meine Wünsche." (21.9.2020)