Das Bürohochhaus, das die Londoner "Walkie Talkie" getauft haben, hat vor einigen Jahren mit extremen Sturmböen Fußgänger zu Fall gebracht.

Foto: Tolga Akmen / AFP

Das Bürohochhaus "Walkie Talkie" in London ist weltberühmt. Allerdings nicht unbedingt aus für Planer wünschenswerten Gründen. So sind nach seiner Fertigstellung rund um das Hochhaus so starke Winde entstanden, dass Verkehrsschilder und Fußgänger zu Boden gingen.

Auch in Wien kennt man solche Windböen in abgeschwächter Form, wenn man in der "Donau City" oder bei den Hochhäusern am Wienerberg unterwegs ist. Matthias Ratheiser ist Meteorologe und Geschäftsführer der Weatherpark GmbH, mit der er sich auf Stadtklimatologie spezialisiert hat. Sein Unternehmen macht für Bauträger, Architekten und Stadtplaner anhand eines Computermodells Windkomfortstudien für Gebäude, die noch nicht einmal gebaut sind.

Ausrichtung, Lage, Form

Generell gilt: "Der Wind weht horizontal und ist weiter oben stärker als unten. Wenn ein Hochhaus im Weg steht, wird der Wind abgelenkt und trifft mit höherer Geschwindigkeit auf den Boden", so Ratheiser. Stehen Türme nebeneinander, wird der Wind kanalisiert – und verstärkt. Allerdings lässt sich das bei guter Planung minimieren. Wichtig ist die Ausrichtung des Hauses zur Hauptwindrichtung, aber auch Form und Lage des Gebäudes spielen eine große Rolle. Maßnahmen gegen den Wind, die in der Planung schon berücksichtigt werden sollten, sind Sockel- oder Vordächer, aber auch Bäume, Hecken und Sträucher auf den Freiflächen. Die Sensibilität der Immobranche für das Thema sei "in einem breiten Spektrum" angesiedelt, generell aber am Wachsen: "Als wir vor 15 Jahren angefangen haben, wurde noch gefragt: ‚Was machen die Meteorologen am Bau?‘"

Ist es für richtige Planung zu spät und das Gebäude bereits fertig, können laut Ratheiser nur noch "kosmetische Maßnahmen" helfen. Beim Ares Tower in der Donau City hat Ratheiser beispielsweise Bambuströge installiert, um den Haupteingang zu schützen.

Windkomfort werde von Bauträgern zunehmend auch als Verkaufsargument verwendet. Dieser wird von Ratheiser daher immer wieder auch für die Balkone und Terrassen eines Turmes errechnet. Ratheiser empfiehlt dann beispielsweise sogenannte "Windschwerter bei umlaufenden Balkonen, um dem Wind Einhalt zu gebieten, "die Ecken sind da am heikelsten". Auf den Dächern von Hochhäusern, die mit einem Pool bebaut werden sollen, seien mitunter Windschutzwände von zweieinhalb Metern nötig, um eine Nutzung zu ermöglichen. Der Pool muss dann im Windschatten der Glaswand untergebracht werden, "da hat man also nicht die volle Freiheit, irgendwo am Dach zu bauen", so Ratheiser.

200 oder 50 Tage nutzbar

Der Wind sollte jedenfalls kein Argument gegen eine Wohnung im Hochhaus sein, sagt der Experte. "Aber man sollte schon nachfragen, ob das Gebäude diesbezüglich optimiert wurde. Das könnte den Unterschied ausmachen, ob ein Balkon an 200 Tagen im Jahr nutzbar ist oder nur an 50 Tagen."

Klar ist allerdings auch: "Wer sich eine Wohnung im 30. Stock kauft, kann nicht davon ausgehen, dass es dort oben das ganze Jahr über windstill ist." Mit hübschen Balkonpflanzen könnte es also schwierig werden. Aber das macht dann hoffentlich der Ausblick wett. (zof, 18.9.2020)