"Neue Zürcher Zeitung": Heißes Herz, statt kühler Kopf

"In Deutschland, so scheint es, ist es auch fünf Jahre nach der großen Flüchtlingswelle noch nicht möglich, ein heißes Herz mit einem kühlen Kopf in Einklang zu bringen. Die Aufnahme Schutzberechtigter von den griechischen Inseln ist ein verzagter Ausdruck dieses bemerkenswerten Stillstandes in der öffentlichen Debatte. (...)

Politik kann kein permanenter Gnadenakt sein. Das wäre zumindest so unmoralisch wie ein Verschließen der Augen vor der Not der Menschen in Moria. Politik braucht Struktur, allgemeingültige Standards und ein rationales Einvernehmen, das haltbare Problemlösungen ermöglicht. Migrationspolitik zumal braucht die Erkenntnis, dass Deutschland, dass Europa nicht alle Einwanderungswilligen aufnehmen kann (und muss).

Bild nicht mehr verfügbar.

Wie geht es weiter auf Lesbos und den anderen griechischen Inseln? Eine europäische Lösung ist nicht in Sicht.
Foto: Reuters / Alkis Konstantinidis

Von dieser Erkenntnis sind viele in Deutschland weit entfernt. Genau deshalb ist auf den Fluren in Brüssel, wo eine gemeinsame europäische Migrationspolitik entstehen soll, oft zu hören: Ach, Migration, das ist ein deutsches Problem. Eine europäische Lösung in Sachen Asyl und Migration scheitert auch an der seltsamen Selbstbezogenheit der deutschen Debatte. Wer eine gemeinsame europäische Asylpolitik will, muss zur Kenntnis nehmen, dass die eigenen moralischen Erwägungen keine Grundlage für EU-Lösungen sein können."

"Die Welt": Ein innenpolitischer Kompromiss

"Der jetzt gefundene Kompromiss (...) ist rein innenpolitisch motiviert. Aber er löst kein einziges Problem für die große Zahl der Migranten in Griechenland. Vielleicht ist er sogar kontraproduktiv."

"Gazeta Wyborcza": Was macht Polen?

"Griechenland allein kann diese Flüchtlingskrise nicht bewältigen. Deshalb hat Regierungschef Kyriakis Mitsotakis an die Solidarität der EU appelliert. Deutschland will mehr als 1500 bedürftige Menschen aufnehmen. Was macht Polen?

Regierungschef Mateusz Morawiecki bittet die EU ebenfalls um Solidarität. Er möchte, dass sich die EU für die Demokratiebewegung in Belarus engagiert. Aber Solidarität ist keine Einbahnstraße. Wenn Polen Unterstützung für Belarus verlangt, sollte es selbst Griechenland helfen und ein paar hundert Flüchtlingsfamilien aufnehmen. Doch dazu müsste die (nationalkonservative Regierungspartei, Anm.) PiS über ihren eigenen Schatten springen. Vor fünf Jahren hat sie die Flüchtlinge, die über die Balkanroute kamen, als Ursprung allen Übels bezeichnet. Polen sollte damals nach der Vereinbarung eines EU-Gipfels 7000 Flüchtlinge aufnehmen. Es brach das EU-Recht und nahm keine einzige Person auf." (APA/red, 18.9.2020)