Die ÖBB ist das zentrale Vehikel beim 1-2-3-Ticket, dabei ist im Nahverkehr der Bundesländer der Autobus nicht weniger bedeutsam.

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Wien – Der wohlvorbereitete Schlagabtausch in Sachen 1-2-3-Ticket wurde erneut vertagt. Nach der Absage eines Treffens im Mai wurde am Donnerstag auch jenes im September schubladisiert. Diesfalls von der Wiener Grünen-Chefin und Verkehrsstadträtin Birgit Hebein, die das Treffen der Landesverkehrsreferenten mit Verkehrsministerin Leonore Gewessler (Grüne) organisiert hatte. Offiziell begründet wurde die kurzfristige Absage mit den gestiegenen Corona-Ansteckungszahlen.

Da am Freitag ersatzweise nicht einmal eine Telefon- oder Videokonferenz abgehalten wird, liegt nahe, dass andere Gründe ausschlaggebend waren. Vom Klimaschutzministerium gab es dazu keine Stellungnahme, man verwies auf die Wiener Verkehrsstadträtin – und darauf, dass den Landesverkehrsreferenten bereits "ein Termin auf Ebene der politischen Entscheidungsträger_innen in Corona-kompatiblen Formaten in Aussicht gestellt" worden sei.

Neues Ticket mit Verspätung

Informell war die Verstimmung freilich kaum zu überhören. Man werde sich nicht vorführen lassen von schwarzen, blauen und roten Landespolitikern, die vehement gegen die Einführung der Dreier-Stufe des 1-2-3-Tickets, eines Österreich-Tickets für alle öffentlichen Verkehrsmittel um 1.095 Euro pro Jahr opponieren, hieß es in grünen Regierungskreisen trotzig.

Die Antwort folgte prompt: Dann werde sich das 1-2-3-Ticket eben verzögern, heißt es in einer gemeinsamen Erklärung der Verkehrslandesräte Ludwig Schleritzko (ÖVP; Niederösterreich), Günther Steinkellner (FPÖ; Oberösterreich), Heinrich Dorner (SPÖ; Burgenland), Sebastian Schuschnigg (ÖVP; Kärnten), Stefan Schnöll (ÖVP; Salzburg), Anton Lang (SPÖ; Steiermark).

Poker ums Geld

Damit ist klar: Es geht ums Geld. Die Landespolitik will sich das Herzensprojekt der grünen Klimaschutzministerin Leonore Gewessler abkaufen lassen. Die Chancen, zumindest einen Teil der Kosten für den öffentlichen Nah- und Regionalverkehr im Zuge der Einführung des 1-2-3-Tickets auf den Bund abzuwälzen, stehen nicht schlecht. Denn insbesondere in Flächenbundesländern wie Nieder- und Oberösterreich droht bei den sieben Verkehrsverbünden allein mit Einführung der Dreierstufe – spätestens ab Fahrplanwechsel 2021/22 – geplanten Flatrate eine Erosion der Einnahmen.

Hilfe für die Fläche

Allein in Niederösterreich werden die jährlichen Einnahmenausfälle aufgrund der erwarteten Abwanderung von Fahrgästen vom Verkehrsverbund Ostregion (VOR) hin zu dem von Bund und ÖBB vertriebenen 1-2-3-Ticket auf hundert Millionen Euro taxiert. Damit wäre fast die Hälfte der 245 Millionen Euro, mit denen das 1-2-3-Ticket budgetär bedeckt wurde, weg.

Wobei selbst Öffi-Auskenner unter den Grünen einräumen, dass Flächenbundesländer Unterstützung brauchen würden – spätestens dann, wenn bis Ende der Legislaturperiode, also Herbst 2024, Stufe zwei und eins realisiert werden. Pro Bundesland soll die Jahreskarte für Bahn und Bus dann um 365 Euro und für zwei Bundesländer um 730 Euro angeboten werden.

Erosion der Systeme

Spätestens dann bleibt kein Stein auf dem anderen. Dann werden die für Planung und Organisation von Bahn- und Busverbindungen zuständigen Verkehrsverbünde zumindest teilweise überflüssig – auch, weil sie einer wesentlichen Kernkompetenz verlustig gehen: dem Vertrieb von Zeitkarten und der Fahrpreiskalkulation.

Verlust an Bedeutung und Einfluss

Abgesehen von Bedeutungsverlust und politischer Einflussmöglichkeit: Was die Länder fürchten, war bis vor kurzem insbesondere der Bundes-ÖVP ein Gräuel: die Remonopolisierung des Nahverkehrs zugunsten der ÖBB. Ebendiese drohe mit Einrichtung der 1-2-3-Ticket-Gesellschaft "One Mobility". In diese wird, wie berichtet, das ÖBB-Ticketsystem eingebracht, womit der Vertrieb in Hand der Staatsbahn und des Bundes wäre. Die Länder sollen sich beteiligen, wobei offen ist, wie diese Beteiligung im Detail aussehen soll. Ticketing- und Abrechnungssysteme der Verkehrsverbünde wären dann jedenfalls überflüssig. (Luise Ungerboeck, 17.9.2020)