Debatten im italienischen Senat finden bald in kleinerem Kreis statt.

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Über den Ausgang der Volksabstimmung gibt es wenig Zweifel: 70 bis 80 Prozent wollen laut Umfragen am Wochenende Ja dazu sagen, die Zahl der italienischen Parlamentarier zu beschränken. Politiker genießen in Italien einen denkbar ungünstigen Ruf – und oft tun sie wenig dafür, ihr schlechtes Image zu korrigieren. Für die meisten Italiener sind die Parlamentarier der Inbegriff für arrogantes Verhalten, Ineffizienz, Korruption, Günstlingswirtschaft und Leben auf Kosten der Steuerzahler.

Tatsächlich leistet sich Italien die großzügigsten Politikerlöhne Europas: Die 630 Abgeordneten in der großen Kammer, die "onorevoli" (Ehrenwerten), kommen auf rund 14.000 Euro monatlich, die 315 "senatori" werden mit 15.000 Euro vergütet. "Am Wochenende kann sich das italienische Volk seine Macht wieder aneignen, indem es die Dinosaurier zurück in den Wald des ‚Jurassic Park‘ jagt", tönte Beppe Grillo in diesen Tagen auf seinem Blog. Für den 72-jährigen Komiker und Gründer der Fünf-Sterne-Bewegung war die "Kaste" schon immer sein liebstes Feindbild gewesen. Mit seiner Forderung, die Zahl der Parlamentarier zu verkleinern und mit den Privilegien aufzuräumen, ist seine Protestbewegung im März 2018 zur stärksten Partei Italiens geworden.

Weniger Leute, mehr Effizienz

Die nun zur Abstimmung stehende Verfassungsreform sieht vor, dass die Zahl der Abgeordneten von 630 auf 400 und die der Senatoren von 315 auf 200 verkleinert wird. Die Befürworter wollen errechnet haben, dass der italienische Staat mit der Verkleinerung des Parlaments jedes Jahr rund 500 Millionen Euro sparen würde. Außerdem arbeite ein kleineres Parlament effizienter: Die Diskussionen und Polemiken in den Kammern würden verkürzt.

Bei der vierten und letzten Lesung der Reform haben im Parlament alle großen Parteien der Verkleinerung zugestimmt. Doch das Unbehagen in den traditionellen Parteien ist groß, denn die Verkleinerung des Parlaments würde mehr Probleme schaffen, als sie löst. Für die Ineffizienz der italienischen Volksvertreter ist nicht deren Zahl verantwortlich, sondern deren Qualität: Parteiführer setzen nicht die fähigsten Kandidaten auf Listenplätze, sondern die treuesten. Eine Reform des Wahlrechts hätte Abhilfe schaffen können, blieb aber aus.

Ein weiteres, zentrales Problem bleibt ebenfalls ungelöst: Italien verfügt über zwei Parlamentskammern mit identischen Funktionen. Das bedeutet, dass jedes Gesetz mindestens zweimal beraten werden muss, ein weiterer wichtiger Grund für die notorische Ineffizienz der Gesetzgebung. Eine gezielte Revision dieses Systems hätte die Produktivität ungleich stärker erhöht als eine numerische Reduktion seiner Mitglieder.

Unterstützung auch von rechts

Trotz der offensichtlichen Mängel sind der sozialdemokratische PD, die Lega und die postfaschistischen Fratelli d’Italia bei ihrem Ja geblieben: Sie unterstützen zusammen mit der Protestbewegung offiziell die Parlamentsverkleinerung, wenn auch mit wenig Verve. Die regierenden Fünf Sterne und der PD erklären, dass die Mängel später immer noch behoben werden könnten. Doch vorerst sind dies lediglich Versprechungen – der wahre Grund für die Parteien, die Reform zu unterstützen, ist ein anderer: Kaum jemand bringt den Mut auf, sich gegen die Vorlage zu stellen.

Immerhin: Bei den traditionellen Parteien sind nicht wenige Abgeordnete ausgeschert und sprechen sich offen für ein Nein aus. Zum Wortführer ist der frühere Sparkommissar Carlo Cottarelli geworden. "Es handelt sich um eine Scheinreform", meint er. Sollte sie angenommen werden, würde dies die Überzeugung stärken, dass die Probleme Italiens mit populistischen Rezepten gelöst werden könnten. Nicht einmal die Höhe der Einsparungen hätten die Befürworter korrekt berechnet, betont der Ökonom: Statt 500 Millionen würde der Staat höchstens 57 Millionen Euro pro Jahr weniger ausgeben – gerade einmal 0,007 Prozent der Staatsausgaben. (Dominik Straub aus Rom, 18.9.2020)