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Ein Bild aus besseren Tagen: Normalerweise werden die Preise vor einem Saalpublikum verliehen, das größtenteils im wissenschaftlichen Bereich arbeitet – und gerade deshalb gerne einmal außer Rand und Band gerät.
Foto: REUTERS/Brian Snyder

Ein Jammer! Forscher aus Österreich gewinnen den Ig-Nobelpreis, und die allseits beliebte Preisverleihung konnte nicht in der gewohnten Form stattfinden. Aufgrund der Corona-Pandemie musste die traditionell schrille Gala an der Harvard-Universität erstmals ins Internet verlegt werden und war damit nur noch der halbe Spaß.

In normalen Jahren kommen die ausgezeichneten Forscher gerne, um sich ihren Preis abzuholen. Denn die seit 1991 vergebenen Ig-Nobelpreise sind keine Schmähungen wie beispielsweise das alljährlich in Österreich verliehene Goldene Brett vorm Kopf. Sie zeichnen Forschungen aus, die ernst gemeint waren, zumeist auch ernst genommen werden und zum Nachdenken anregen sollen – nur eben etwas skurril anmuten. Sie sollen den Veranstaltern zufolge "das Ungewöhnliche feiern und das Fantasievolle ehren".

Und so sah es heuer aus: die "Gala" in abgespeckter Form.
Improbable Research

Die Preiskategorien sind nicht so fix wie bei den namensgebenden Vorbildern, den Nobelpreisen. Sie richten sich auch danach, was im abgelaufenen Jahr so alles an skurril klingenden Forschungsergebnissen produziert wurde. So gab es heuer auch einen Preis für Materialwissenschaften – der ging an ein Team aus den USA und Großbritannien für seinen Nachweis, dass man aus gefrorenem menschlichem Kot kein funktionstüchtiges Messer anfertigen kann.

Ein Preis geht nach Wien

Auch die Disziplin der Akustik ist nicht jedes Jahr vertreten, aber heuer war sie wieder einmal preiswürdig. Und zwar ging ein internationales Forscherteam mit starker österreichischer Beteiligung der Frage nach, was der Grund für das laute Bellen ist, das Alligatoren von sich geben. Die Hypothese: Die Tiere teilen damit potenziellen Rivalen mit, wie groß und stark sie sind. In ihrer Studie und weiterführenden Arbeiten kamen die Forscher zu dem Schluss, dass man aus den Vokalisierungen von Alligatoren tatsächlich auf deren Größe schließen kann.

Einen Ig-Nobelpreis für Akustik gab es dafür deshalb, weil die Studie auch das Experiment beinhaltete, einen weiblichen China-Alligator unter etwas veränderten Bedingungen bellen zu lassen: nämlich in einer Kammer, die mit einem stimmverändernden Gemisch aus Sauerstoff und Helium gefüllt war. Frischgebackene Ig-Nobelpreisträger sind damit nun auch Stephan Reber, Judith Janisch und Tecumseh Fitch von der Universität Wien.

Der Schweizer Biologe Reber, der die Studie im Zuge seines Doktorats bei Fitch durchgeführt hatte, ist mittlerweile an der Universität Lund in Schweden, Janisch macht derzeit ihr Doktorat am Konrad-Lorenz-Institut für Vergleichende Verhaltensforschung der Veterinärmedizinischen Universität Wien. Fitch ist nach wie vor Professor an der Uni Wien, spezialisiert auf die Erforschung akustischer Kommunikation bei Wirbeltieren. "Wir waren alle sehr begeistert, es ist schon ein tolles Gefühl", freute sich Janisch, wie es die meisten Ig-Nobelpreisträger tun.

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Fast wie Singvögel: Auch Alligatoren teilen sich ihrer Umwelt akustisch mit.
Foto: REUTERS/China Photos

Weiters erhielten unter anderem Wissenschafter aus Kanada und den USA die Auszeichnung in der Kategorie Psychologie für die Entwicklung einer Methode, Narzissten anhand der Untersuchung ihrer Augenbrauen zu identifizieren. Ein Forscher aus den USA bekam den Preis für die Sammlung von Beweisen dafür, dass Entomologen – also Wissenschafter, die Insekten erforschen – Angst vor Spinnen haben (die ja auch keine Insekten sind, wie die Preisverleiher betonen). Ein Team aus Belgien und den Niederlanden wiederum wurde in der Kategorie Medizin dafür belohnt, ein bislang völlig verkanntes Syndrom entdeckt zu haben: Misophonie – das Unbehagen, das man empfindet, wenn man andere Menschen kauen hört.

Und auch wenn die Veranstaltung heuer unter stark veränderten Umständen stattfinden musste – die Preisträger in der Kategorie Medizinische Bildung wären wohl auch in einem normalen Jahr nicht gekommen, oder das Saalpublikum hätte nur noch aus Sicherheitskräften bestanden. Die Namen der Laureaten: Jair Bolsonaro, Boris Johnson, Narendra Modi, Andrés Manuel López Obrador, Alexander Lukaschenko, Donald Trump, Recep Tayyip Erdoğan, Wladimir Putin und Gurbanguly Berdimuhamedow, die Staatschefs von Brasilien, Großbritannien, Indien, Mexiko, Belarus, den USA, der Türkei, Russland und Turkmenistan. Deren Umgang mit der Covid-19-Pandemie habe die Welt gelehrt, dass Politiker unmittelbarere Auswirkungen auf Leben und Tod haben können als Wissenschafter und Ärzte, lautete die gallige Begründung.

Wie man die Welt besser macht

Schwarzen Humor bewiesen die Veranstalter auch beim Friedens-Ig-Nobelpreis, der jedes Jahr vergeben wird und 2020 an die Regierungen von Indien und Pakistan ging. Der Hintergrund: Beide Staaten beklagen, dass ihre Diplomaten im Nachbarland systematisch belästigt werden. Für Ig-nobelpreiswürdig wurde befunden, dass dazu offenbar auch das kindische Verhalten gehört, nachts an der Tür eines Diplomaten anzuläuten und dann schnell davonzurennen.

Für den Friedenspreis wären aber durchaus auch die fünf chinesischen Auftragsmörder in Betracht gekommen, die nun immerhin mit einer Auszeichnung in der Kategorie Management belohnt wurden. Derjenige, der den Auftrag ursprünglich erhalten hatte, gab ihn nämlich an einen "Subunternehmer" weiter ... und so setzte es sich dann über mehrere Stufen fort. Bis insgesamt fünf professionelle Auftragsmörder für immer weniger Geld engagiert waren und keiner davon tatsächlich einen Mord beging. (jdo, 18. 9. 2020)