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Netflix darf wieder chillen.

Foto: Mike Blake / REUTERS

Eines ist unumstritten: Die Rechenzentren von IT-Größen wie Amazon, Google oder auch Netflix verbrauchen riesige Mengen Strom. Und dieser muss natürlich auch irgendwie hergestellt werden, was wiederum indirekt einen enormen CO2-Ausstoß zur Folge hat. Keine sonderlich neue Erkenntnis, aber auch eine, die in jüngerer Vergangenheit für einige Aufregung gesorgt hat. Schnell war die Rede vom Klimakiller Streaming, Begriffe wie "Digitalscham" fielen, und auch die Politik fand mahnende Worte.

Fehlerhafte Studie

Das Problem dabei: Diese Wortmeldungen bezogen sich allesamt auf dieselbe Studie, nämlich auf eine der französischen Organisation The Shift Project. Und deren Autoren scheint bei ihren Berechnungen so manch grober Fehler unterlaufen zu sein, wie heise.de betont. Einige der von der Studie ausgewiesenen Werte sind demnach gleich um den Faktor 30 bis 60 falsch gewesen, strich nun Ericsson-Forscher Jens Malmodin bei dem Fachkongress Electronics Goes Green (EGG) 2020 heraus.

Demnach sind den Studienautoren gleich mehrere Fehler unterlaufen, so sind Streaming-Server erheblich effizienter als in der Untersuchung behauptet. Zudem wurden externe Faktoren wie der Stromverbrauch der gesamten Netzwerkinfrastruktur am Weg hinzugerechnet. Für diesen macht es aber nur sehr wenig Unterschied, ob darüber auch gestreamt wird oder nicht. Das sind quasi Fixkosten für das Internet. Will man diese wegbekommen, müsste man schon das Netz als Ganzes abdrehen.

Rechnung

Die von der Studie aufgestellte Behauptung, dass eine halbe Stunde Streaming 1,6 Kilogramm CO2-Emissionen verursacht – was einer Autofahrt von 6,3 Kilometern entspricht –, sei in Summe jedenfalls Nonsens. Den von einem Netflix-Stream verursachten Strom legt Malmodin mit rund sieben Watt an. Ein Wert, die sich aus den offiziellen Zahlen von Netflix ergibt: Laut dessen Nachhaltigkeitsbericht lag der gesamte Stromverbrauch des Unternehmens im Jahr 2019 bei 450 Millionen Kilowattstunden – fast alles übrigens bei Amazon AWS oder Google Cloud, die für Netflix die Rechenzentren betreiben. Da die Zahl der Netflix-Kunden (167 Millionen) sowie deren durchschnittliche tägliche Nutzung (70 Minuten) ebenfalls bekannt sind, ergibt sich daraus der erwähnte Wert.

Rechnet man zu diesen sieben Watt dann noch jene 18 Watt, die im Schnitt die lokale Internet-Infrastruktur eines Haushalts verbraucht, wäre man bei 25 Watt. Spätestens dann sollte klar werden, dass es hier andere Faktoren gibt, die wesentlich entscheidender sind. So verbraucht ein aktueller Fernseher schnell 100 Watt oder mehr – das Streaming selbst macht hier also nur einen geringen Teil aus. Daraus folgt auch: Wer beim Streamen der Umwelt etwas Gutes tun will, sollte besser auf einem mobilen Gerät schauen – diese sind nämlich erheblich effizienter als jeder TV.

Falschbehauptungen zuhauf

Es ist übrigens nicht das erste Mal, dass solch falsche Behauptungen über den vermeintlichen Stromverbrauch von Internetdiensten eine dermaßen große Verbreitung finden. So tauchen bis heute immer wieder Artikel auf, in denen behauptet wird, dass mit einer einzelnen Google-Suche eine sparsame Glühbirne eine Stunde lang betrieben werden könnte. Der Ursprung dieser Behauptung ist unklar, die Hartnäckigkeit, mit der sich dieses Gerücht hält, dafür umso verblüffender.

Immerhin hat Google auf solche Behauptungen bereits im Jahr 2009 mit einem eigenen Blogeintrag geantwortet. Damals gab man den realen Stromverbrauch einer Google-Suche mit 0,3 Wh an. Da die Serverfarmen von Google in der Zwischenzeit erheblich effizienter geworden sind, ist davon auszugehen, dass der aktuelle Wert nur mehr einen Bruchteil davon beträgt.

Eine Frage der Produktionsweise

Dazu kommt aber noch ein weiterer Punkt, der in der Diskussion gerne übersehen wird – nämlich dass es im Endeffekt auch darum geht, wie die für den Betrieb der Rechenzentren benötigte Energie hergestellt wird. Und hier geben sich die großen IT-Konzerne gerne fortschrittlich. So betonen etwa Google oder eben auch Netflix, CO2-neutral zu sein – was aber über den Zukauf von Zertifikaten passiert. Zumindest Google hat sich aber das Ziel gesetzt, spätestens 2030 sämtliche seiner Rechenzentren exklusiv mit grüner Energie zu betreiben. (red, 18.9.2020)