Brankica Grujic, Service-Mitarbeiterin bei den Wiener Linien. Seit Monaten trägt sie im Dienst Maske und kontrolliert, ob auch andere sie tragen.

Foto: Andreas Urban

"Ich bin mir vollkommen bewusst, dass Masken für unsere Kultur etwas Fremdes sind", sagte Bundeskanzler Sebastian Kurz (ÖVP) am 30. März dieses Jahres. Dann kam der Paukenschlag: Kurz verkündete, dass es fortan bis auf weiteres Pflicht sei, "den Mund- und Nasenbereich abdeckende mechanische Schutzvorrichtungen" in Supermärkten zu tragen. Die Maskenpflicht war Realität.

Welche teils absurden Formen sie annahm, lässt sich täglich im öffentlichen Raum beobachten: Da gibt es – neben OP-Masken und liebevoll handgenähten Einzelstücken – auch Taschentücher, die unter die Brille geklemmt werden, oder Plexiglas-Maulkörbe, über die wohl der eine oder andere Spucktropfen locker drüberschießt. Die Maske ist die "neue Normalität", um im Kurz-Wording zu bleiben. Sie aufzusetzen fühlt sich fast fünf Monate später genauso selbstverständlich an, wie eine Hose anzuziehen. Während die meisten selbst nach den jüngsten Verschärfungen nur ein paar Minuten am Tag einen Mund-Nasen-Schutz tragen, gibt es Berufsgruppen oder Lebensphasen, in denen das Tragen der Maske viel stärker den Tag bestimmt.

DER STANDARD schrieb auf, was diese Menschen erzählen. Zudem berichten Kolleginnen und Kollegen aus der Redaktion von ihren Erfahrungen mit diesem Stück Material im Gesicht, das gar nicht so schlimm ist, wie viele Menschen anfangs dachten.

"Wenn ich meine Maske runternehmen kann, dann tut mir das gut"

Brankica Grujic, Service-Mitarbeiterin bei den Wiener Linien

Ich trage in der Arbeit Maske, seit es Corona gibt. In dieser Zeit war es am Anfang noch extrem ruhig, in der ganzen Station waren keine Fahrgäste. Mittlerweile sind sie wieder da. In der Früh gibt es auch fast keinen Fahrgast ohne Maske, zu Mittag und ab zehn, elf am Abend ist das anders, da ist dann auch Alkohol im Spiel und da sind mehr Jugendliche, die nehmen das manchmal auf die leichte Schulter.

Brankica Grujic sagt, die meisten Fahrgäste der Wiener Linien würden sich an die Regeln halten.
Foto: Andreas Urban

In meinem Job als Service-Mitarbeiterin mache ich Kontrollgänge in den Stationen. Ich prüfe zum Beispiel die Sauberkeit oder Sicherheitseinrichtungen, und ob jemand zu nahe an der gelben Sicherheitslinie steht aber auch die Evakuierung in Notsituationen und Erste Hilfe, wenn jemand verletzt ist.

Außerdem sorge ich dafür, dass die Hausordnung eingehalten wird. Und dazu gehören nun eben auch die Masken.

In vielen Stationen gibt es Automaten, wo man Masken kaufen kann, wenn jemand keine trägt, weise ich auch darauf hin. Aber die meisten Fahrgäste sind sehr brav, ich habe bisher keine negativen Erfahrungen deswegen gemacht.

Für mich selbst ist das Maske tragen nicht immer einfach – wenn man Stiegen steigen muss und die Maske im Gesicht hat, dann ist das schon heiß, oder auch in einem Zug, wo es keine Klimaanlage gibt. So Gedanken, dass die Maske dann als Fahrgast zumutbar sein soll, ja die habe ich mir schon gemacht. Immerhin ist man da ja kaum länger unterwegs als eine halbe Stunde.

Wenn ich meine Maske runternehmen kann, das machen wir dann, wenn die eine Station fertig kontrolliert haben und oben die Stechpunkte nehmen, dann tut mir das so gut. Dann hole ich mir frische Luft und dann geht es wieder.

"Im Grauen Haus sind manche verzweifelt"

Michael Möseneder ist Standard-Gerichtsreporter

Das Gute am Straflandesgericht Wien: Maskenmäßig musste man sich all die Monate nicht umstellen. Egal, was die Regierung sagte, gleich, welche Farbe die Ampel zeigte, seit wieder öffentliche Verhandlungen stattfinden, hat man im "Grauen Haus" Mund und Nase zu bedecken. Was vor allem zur Anfangszeit für interessante Probleme gesorgt hat.

Unvergessen ist mir in diesem Zusammenhang ein Prozess, in dem ein Zeuge drei auf der Anklagebank sitzende jugendliche Delinquenten identifizieren sollte. Der Herr studierte die Gesichter und sagte schließlich: "Ich kann es nicht sagen." Um nach einem Atemzug zu ergänzen: "Sie tragen alle Masken".

Da erkannte auch der Richter, dass das Verhüllungsmaterial den bei Gesetzesbrechern beliebten Zweck der Unkenntlichmachung erfüllte, und erlaubte die Abnahme. Der Wiedererkennungseffekt war deutlich größer.

Da sich bei Befragungen durch den blickdichten Mund-Nasen-Schutz auch die Mimik nicht mehr richtig studieren ließ, ging man im Frühsommer dann zu Kunststoffschilden über. Die hatten aber auch ihre Tücken: Sie wurden täglich desinfiziert und mit einer dünnen Folie versiegelt. Gefühlt 70 Prozent der Anwender brauchten mehr als zwei Minuten, diese Folie zu entfernen.

Und ungefähr zehn Prozent vergaßen komplett darauf und wunderten sich, warum sie den Richtertisch nur verschwommen wahrnehmen konnten.

Einen großen Vorteil haben die halbrunden, durchgängigen Gesichtsbedeckungen aber für die Zuhörer: Die Schallwellen werden nach hinten abgelenkt, in der ersten Reihe versteht man die Protagonisten besser als je zuvor.

Dafür ist den Schriftführerinnen und Schriftführern die Verzweiflung ins Gesicht geschrieben: Sie werden zusätzlich noch von einer Plexiglaswand abgeschirmt und benötigen daher ein Gehör wie ein Luchs.

"Im Kreißsaal trug ich teilweise Maske"

Rosa wurde zu Beginn des Lockdowns Mutter

Die letzte Phase meiner Schwangerschaft ist in den Beginn des Lockdowns gefallen. Zu der Zeit wusste man noch so wenig über die Krankheit. Ich bin zwei Wochen lang gar nicht mehr vor die Tür gegangen, das erste Mal wieder, als mich der Krankentransport abgeholt hat. Dort habe ich dann die Maske bekommen, die ich auch die ganze Zeit behalten habe. Darauf war ich nicht vorbereitet, aber ganz ehrlich: Bei all den Unsicherheiten zu der Zeit war das mein geringstes Problem. Damals haben sich nämlich ständig Regeln geändert, wer und ob jemand in den Kreißsaal mitkommen und ob man nach der Geburt Besuch bekommen kann.

Tatsächlich war es dann so, dass ich während der Geburt teilweise Maske getragen habe. Bevor Ärztinnen das Zimmer betreten haben, wurde ich immer darauf hingewiesen, dass ich die Maske aufsetzen muss. Ich weiß nicht mehr, was passiert ist, als die Wehen stark waren. Da bekommt man ja ohne Maske schon kaum Luft. Entweder ich habe sie vergessen aufzusetzen, oder es hat mich niemand mehr erinnert.

Es war eine schräge Erfahrung. Auf dem ersten Foto mit meinem Sohn sieht man ihn – und meine Maske. Ich fand es sehr absurd. Immerhin strömen da alle denkbaren Körperflüssigkeiten aus dir raus, und du hast nix an außer einer Maske.

Es war eine spezielle Situation. Nicht nur das Wissen hat gefehlt, auch die Tests. Damals gab es weder für uns noch für das medizinische Personal ausreichend Tests. Und ständiges Lüften ist ja schwierig in einem Raum, in dem die Temperatur möglichst konstant bleiben soll. Es kann ja nicht eiskalt sein, wenn das Baby dann da ist.

Zu Hause ist mir dann aufgefallen, dass ich gar nicht weiß, wie die Hebamme aussieht. Sie hatte ja auch immer eine Maske auf. Dabei spielt die ja schon eine große Rolle bei einer Geburt. Dann habe ich auf der Krankenhaus-Website ein Foto gefunden. Ich hatte sie mir ganz anders vorgestellt. Das war schräg.

"Meine Maske wurde zum Fotomotiv"

Thomas Neuhold ist Standard-Korrespondent in Salzburg

Ein Foto, bitte! Darf ich Sie bitte fotografieren?" Ein Mund-Nasen-Schutz mit der Tafel "Ortsende Ischgl" beschert seinem Träger eine gewisse lokale Popularität.

Zumindest bei jenen Zeitgenossen und -genossinnen, die auch in Corona-Zeiten ihren Humor nicht völlig verloren haben. Auf Märkten, in Beisln und Geschäften wurden und werden wiederholt die Handys gezückt: "Ein Foto, bitte!"

Foto: Neuhold

Selbst eine Journalistenkollegin einer Tageszeitung hat schon auf den Auslöser gedrückt. Man wisse nie, wozu man so einen Schnappschuss noch brauchen könne, meinte sie.

Wie man zu einem solchen Unikat kommt? Die kleine Salzburger Firma Austroducks – spezialisiert auf Badeenten mit Promi-Köpfen von Mozart, Klimt, Freud und anderen – hat im Merchandising-Programm auch Krawatten, Socken und Anstecknadeln. Selbstverständlich hat "Geflügelzüchter" Austroducks-Chef Rudolf Doppelbauer auch Masken produziert.

Der Entwurf "Ortsende Ischgl" blieb freilich ein launiges Einzelstück. Das schaffe nur böses Blut. Und so blieb die Maske liegen und wanderte schließlich als Geschenk an den STANDARD-Mitarbeiter.

Die Sorge mit der bösen Nachrede erwies sich als unbegründet: Selbst die Freunde aus Tirol finden das Teil witzig. "Ortsende Ischgl" gebe ja auch Hoffnung auf ein Ende der Maßnahmen.

Die Maske "Ortsende Ischgl" blieb ein Einzelstück.

"Manchmal trage ich 25 Stunden lang eine Maske"

Mirijam Hall arbeitet auf einer Covid-Geburtenstation

Von Berufs wegen trage ich schon immer Maske, aber da ich auf einer Corona-Geburtenstation arbeite, trage ich seit März durchgehend höhergradige Atemschutzmasken. Bei einem 25-Stunden-Dienst trage ich also 25 Stunden lang FFP2-Maske, ohne Ventil, was anstrengend ist, aber auch geholfen hat, dass wir in unserer Abteilung noch nie jemanden angesteckt haben oder uns selbst infiziert haben.

Ich bin ein Fan von Schutzausrüstung. Es ist wichtig, dass wir sie durchgehend tragen, in der Geburtshilfe könnte ich mir nie verzeihen, wenn eine schwangere Frau oder ein Neugeborenes wegen mangelnden Schutzes krank würde. Wenn wir Schutzausrüstung tragen, ermöglicht das, dass die Frauen maskenfrei entbinden können.

Aber das Maskentragen ist nicht nur körperlich anstrengend – die Pickel kommen in Wellen –, man bekommt auch schnell Kopfweh, weil man vergisst zu trinken. Du kannst sie ja nur abnehmen, wenn du allein im Zimmer bist. Die Kommunikation ist mit Maske besonders anstrengend. Die Mimik geht verloren, und die Frauen, mit denen wir arbeiten, haben nur zu 13 Prozent deutsche Muttersprache. Wenn du keine gemeinsame Sprache hast und keine Mimik, dann ist es ein extremer Kraft- und Organisationsaufwand, gut zu kommunizieren.

Wenn ich Leute ohne Maske sehe, in einer Situation, in der das angebracht wäre, dann macht mich das traurig bis wütend. Weil ich das unsolidarisch finde, weil die Pandemie heißt, dass wir gegenseitig aufeinander aufpassen müssen, und weil es nur dann mit wenigen Einschränkungen funktioniert, wenn sich an die wenigen Maßnahmen möglichst viele halten.

Und gerade, weil ich weiß, wie es ist, wenn man den ganzen Tag eine Maske im Gesicht hat, verstehe ich es nicht, wenn jemand aus einer U-Bahn-Fahrt mit Maskenpflicht so ein Drama macht.

"Ich ziehe Tragödien vor (kein Lachen)"

Margarete Affenzeller ist Standard-Theaterkritikerin

In geschlossenen Räumen herrscht weitgehend Maskenpflicht. Im Kino, im Theater, im Büro, im Yogastudio. Ja, auch im Yogastudio! Aber eben nur so lange, wie man zu seinem Platz unterwegs ist. Ähnlich wie bei den Salzburger Festspielen. Das Sicherheitskonzept des im August bekanntlich Corona-frei absolvierten Festivals sah vor, die Maske bis zum Beginn der Vorstellung zu tragen, um den Aerosolausstoß beim Reden zu bremsen. Erst mit dem Erlöschen des Saallichts konnte der Mund-Nasen-Schutz abgenommen werden, wiewohl die über Tonband erfolgte Empfehlung war, ihn weiterhin zu tragen. Denn sollte es etwas zu lachen geben, geht das mit Aerosolen einher. Viele haben sich daran gehalten, manche nicht. Trotzdem ist alles noch einmal gut gegangen.

Wie aber bringt man das in Relation zu einem Yogastudio, wo in einem viel kleineren Raum gemeinsam 90 Minuten lang gekeucht wird? Die derzeitige Etikette (wer weiß, wie lange sie noch gültig ist) sieht vor, beim Betreten des Studios und in den Umkleiden Maske zu tragen. Wenn man auf seiner Turnmatte Platz genommen hat, darf sie runter. Aber dann geht das mit den Aerosolen ja erst so richtig los! Gerade Yoga dreht sich üblicherweise 90 Minuten lang gezielt um intensive Atemtechnik.

Klar, man yogiert nicht mit 800 Personen im Raum. Aber mit Logik hat das nicht viel zu tun. Deutlich sicherer fühle ich mich also im Theater, vor allem bei Tragödien (kein Lachen). Da man jedoch beim Yoga entspannt atmen lernt, wäre es trotzdem ideal, wenn die Maskenschummler mehr Yoga machen würden.(Gabriele Scherndl, Vanessa Gaigg, 19.9.2020)