Bild nicht mehr verfügbar.

Foto: Florence Lo / REUTERS

In den Diskussionen über die Zukunft der Social-Media-App Tiktok gibt es eine neue Volte: Während bis zuletzt von Beobachtern ein nahender Verkauf an Oracle oder einen anderen US-Softwarehersteller erwartet wurde, kommt es nun anders: Laut einem Bericht der Nachrichtenagentur Reuters will US-Präsident Donald Trump nun durchgreifen. Bereits ab Sonntag sollen Tiktok sowie die chinesische Messaging-App Wechat aus den App Stores von Apple und Google verbannt werden – zumindest für US-amerikanische User.

Befehl

Das US-Finanzministerium veröffentlichte eine Anordnung, mit der die Hersteller der beiden großen Smartphone-Betriebssysteme Android und iOS zu diesem Schritt gezwungen werden. Konkret werden sowohl der neue Download der jeweiligen App als auch die Auslieferung von Updates verboten. Auch die Bereitstellung der Services von Tiktok über eine Webseite oder auch nur die Abwicklung des dazu nötigen Datentransfers zum Betrieb innerhalb der USA werden damit untersagt. Europäische User von Tiktok oder Wechat sollen davon nicht betroffen sein. Die Blockade zielt also zunächst nur Nutzer in den USA selbst ab.

Auch sonst greift man noch nicht zur vollen Eskalationsstufe. So soll etwa US-Firmen vorerst weiter die Kooperation mit Wechat außerhalb der USA gestattet bleiben. Unternehmen wie Starbucks und Walmart arbeiten teilweise eng mit der Messaging-Plattform zusammen, die im chinesischen Internet eine zentrale Rolle spielt und auch zur Abwicklung von Käufen eingesetzt wird.

Hintergrund

Als Grund für die Blockade verweist man auf eine frühere Anordnung Trumps. Mit dem Hinweis auf die "nationale Sicherheit" hatte dieser eine Frist für den Verkauf von Tiktok an ein US-Unternehmen gesetzt, ansonsten folge eine Blockade. Diese Frist läuft nun am Sonntag ab. Trump hatte unterstellt, dass die App des chinesischen Herstellers Bytedance für die chinesische Regierung spionieren könnte.

Dass diese Ankündigung nun trotzdem überrascht, liegt vor allem daran, dass sich vor kurzem noch eine Lösung abzeichnete. So hatten mehrere US-Medien am Donnerstag von einer bevorstehenden Einigung über die weitere Zukunft von Tiktok berichtet. Demnach sollte Oracle – eventuell auch im Zusammenspiel mit anderen Unternehmen – eine Mehrheit an Tiktok erwerben. Auch von einem vollständig aus US-Personen bestehenden Aufsichtsrat war zuletzt die Rede. Zuletzt hieß es gar, dass sich beide Seiten bereits geeinigt haben, und nur mehr auf Grünes Licht seitens US-Präsident Trump gewartet wird. Auch davon, dass TikTok anschließend in den USA an die Börse gebracht werden soll, war in diesen Berichten die Rede.

Warum es dazu jetzt nicht kommt, bleibt vorerst unklar. In den vergangenen Wochen waren immer wieder unterschiedliche Firmen als neue Eigentümer ins Spiel gebracht worden. Einige davon – wie etwa das ursprünglich favorisierte Microsoft – dürften mittlerweile aber nicht mehr im Rennen sein. Gleichzeitig war zuletzt aber auch zu hören, dass die chinesische Regierung sich gegen einen mehrheitlichen Verkauf von Tiktok stellt. Insofern eröffnet sich hier noch eine weitere Interpretationsmöglichkeit der – derzeit noch inoffiziell – angekündigten App-Store-Verbannung: Dass man damit den Druck auf Hersteller Bytedance und die chinesische Regierung erhöhen will, doch noch in letzter Minute den Forderungen von Trump zuzustimmen.

Warum auch Wechat?

Das zweite Ziel der US-Anordnung wird in der öffentliche Diskussion meist nur wenig erwähnt. Die Blockade von Wechat könnte für dessen Nutzer aber noch unerfreulicher sein. Denn während Tiktok in den USA mit 100 Millionen Nutzern sehr populär ist, ist es für die User nicht unersetzbar. Das ist bei der Messaging-App hingegen sehr wohl der Fall, die von vielen in den USA lebenden Personen für die Kommunikation mit Verwandten in China genutzt wird. (Andreas Proschofsky, 18.9.2020)