Ist es die zweite Corona-Welle oder nur eine neue Phase? Regierung und Experten sind sich uneinig. Fakt ist, dass die Infektionszahlen in Österreich rascher steigen als in anderen Ländern.

Es ist noch nicht so lange her, da galt Österreich als Corona-Musterland. Dank ganz besonders niedriger Infektionszahlen konnte Österreich kurz nach Ostern mit den ersten Lockerungen des Lockdowns beginnen, und bis zum Frühsommer kehrte das Leben zu einer gewissen Normalität zurück.

Die Zahlen blieben niedrig, die Probleme waren auf ein paar Cluster beschränkt, die rasch entdeckt und eingedämmt werden konnten. Gingen anderswo die Covid-19-Zahlen in die Höhe, erließ das Außenministerium Reisewarnungen und -beschränkungen.

Österreich ist nicht das einzige Land, das diese Erfahrung gemacht hat. Fast überall in Europa sind die Zahlen seit dem Sommer deutlich gestiegen. Aber stand Österreich Ende Juni noch besser da als Deutschland, hat sich das nun umgedreht. Abgesehen von Israel und Tschechien hat kaum ein anderes Land in den vergangenen Wochen im Kampf gegen die Pandemie so viel an Boden verloren wie Österreich.

Ganz überraschend war diese Entwicklung nicht. Die Reproduktionszahl, die besagt, wie viele Menschen ein Corona-Infizierter im Durchschnitt ansteckt, lag seit Mitte Mai fast immer über eins, was eine Zunahme erwarten lässt. Peter Klimek, Forscher am Complexity Science Hub, macht dafür vor allem Reisende verantwortlich, die aus Ländern mit einem stärkeren Infektionsgeschehen zurückkehrten, allen voran aus Kroatien.

Dazu kamen die Folgen der Lockerungen – offene Gastronomie, kulturelle Veranstaltungen, Sportevents und private Partys, wo mehr Menschen wieder zusammentrafen – und eine nachlassende Disziplin bei der Einhaltung von Corona-Grundregeln: Abstand, Handhygiene und Mund-Nasen-Schutz. "Wir haben uns von den niedrigen Fallzahlen zu sehr einlullen lassen", sagt Klimek.

Dass es auch anders geht, zeigt das Nachbarland Italien, das anfangs besonders hart getroffen war. Die Zahl der Neuinfektionen liegt in Relation zur Bevölkerung derzeit um zwei Drittel unter dem österreichischen Niveau. Italienurlauber berichten übereinstimmend über die beeindruckende Disziplin der Italiener, die sonst nicht für diese Tugend bekannt sind.

Auch die Bundesregierung hat trotz der Appelle an die Selbstverantwortung zur Sorglosigkeit beigetragen, sagt der Klagenfurter Intensivmediziner Rudolf Likar, Co-Autor des Corona-Buches Bereit für das nächste Mal. "Zuerst war die Botschaft Angstmache, und dann hieß es plötzlich, im nächsten Sommer wird alles normal. Das war zu optimistisch, denn wir haben keine zielgerichtete Therapie, und die Impfstoffe sind noch lange nicht getestet."

Der entscheidende Fehler aber war ein anderer, ist Klimek überzeugt: Die Regierung habe die ruhigen Sommermonate nicht dazu genutzt, ausreichend Kapazitäten fürs Testen und die Kontaktnachverfolgung, das Contact-Tracing, aufzubauen.

"Als es dann zum Ende des Sommers durch die Reiserückkehrer zum leichten Anstieg kam, waren diese Einrichtungen bald zu sehr in Anspruch genommen", sagt er. "Und wenn man mit Testen und Contact-Tracing nicht mehr nachkommt, dann breitet sich das Virus weiter aus."

Es fehlt an Personal

Dieses Versäumnis ist dieser Tage unübersehbar. Bei den Teststationen gibt es stundenlange Wartezeiten, die Ergebnisse liegen erst Tage später vor, weshalb auch die Nachverfolgung von Kontakten zu spät einsetzt. Quarantänebescheide treffen oft erst dann ein, wenn der Infizierte gar nicht mehr ansteckend ist.

Das alles hätte man mit stärkeren und vor allem früheren Anstrengungen vermeiden können. Laut Empfehlung der Weltgesundheitsorganisation WHO braucht ein Land wie Österreich 1.300 Tracer, und allein die Stadt Wien 700. Stattdessen waren es in der Hauptstadt bisher nur 100 im Büro für Sofortmaßnahmen, 250 weitere in den Gesundheitsbehörden. Erst jetzt wird das Personal aufgestockt.

Das ist möglicherweise noch nicht zu spät, glaubt Klimek. Noch ist die tägliche Steigerungsrate der Infektionen zu niedrig, als dass man von einem exponentiellen Wachstum sprechen könne, und das Infektionsgeschehen scheint sich noch auf begrenzte Cluster zu konzentrieren.

Aber das könne sich rasch ändern. "Wir sind gerade an einem Wendepunkt", sagt Klimek. "Die Prognosen sind sehr unsicher. Das pessimistische Szenario ist, dass wir aus einer Cluster-basierten Ausbreitung in eine Entwicklung kommen, in der sich das Virus weit in der Gesellschaft verbreitet."

Dann würde die Zahl der Neuinfektionen über 1.000 am Tag steigen und auch wieder viele ältere Menschen betroffen sein. "Wenn wir das weiterlaufen lassen, dann kommen wir in einen Bereich, wo es auch Folgen für das Gesundheitssystem hat", warnt Klimek. Noch schlimmer wären die wirtschaftlichen Folgen, wenn Österreich von immer mehr Reisewarnungen betroffen wäre.

Appell an Eigenverantwortung

Zum jetzigen Zeitpunkt lasse sich jedenfalls noch ein Lockdown durch weichere Maßnahmen, wie sie zuletzt von der Regierung angeordnet wurden, verhindern, ist Klimek überzeugt. Man könne und sollte auch nicht alle Sozialkontakte verhindern, müsse aber noch stärker an die Eigenverantwortung appellieren. "Vergleichsstudien haben gezeigt, dass Länder, die sehr scharfe Maßnahmen gesetzt haben, nicht viel effektiver waren als andere."

Es gebe auch nicht eine einzelne Maßnahme, die einen ausreichenden Schutz biete; wirkungsvoll sei immer nur ein Maßnahmenmix, das aus Maskentragen, Contact-Tracing, eine begrenzte Zahl von Teilnehmern bei Veranstaltungen und auch Beschränkungen von Reisen in Länder mit einem stärkeren Infektionsgeschehen.

Der Kärntner Mediziner Likar plädiert auch wieder für eine stärkere regionale Differenzierung, so wie es die Corona-Ampel eigentlich erreichen sollte. Es sei ein Fehler, dass sich die Regierung kurz nach Einschalten der Ampel wieder für gleichförmige bundesweiten Maßnahmen entschieden habe.

"Man kann nicht sagen, wenn es in Wien brennt, dann muss ich in Kärnten löschen. Warum nehmen wir die ganze Bevölkerung in Geiselhaft, wenn wir ein Ampelsystem haben? So kann man die Menschen nicht motivieren, sich von sich aus anders zu verhalten."

Aber die Ampel gilt kurz nach ihrer Einführung für die meisten Beobachter als gescheitert – und als einer der Gründe, warum Österreichs Corona-Politik im Augenblick so schlechte Noten erhält.

Fast alle Staaten setzten im März auf strenge Maßnahmen, um die Ausbreitung des Virus einzudämmen. Die Infektionszahlen sanken. Die Regelungen wurden im Mai wieder gelockert, doch im Verlauf der Sommermonate breitete sich das Virus vor allem in Spanien, Frankreich und Österreich erneut stärker aus.

Die Ampel

Wie die Politik ein sinnvolles Instrument zerstört

Noch vor wenigen Wochen wurden große Hoffnungen in die Ampel gesteckt. "Ein einfaches vierstufiges Schema von Rot über Orange und Gelb bis Grün soll auf wissenschaftlicher Basis und wissenschaftlichen Kriterien automatisiert die aktuelle Corona-Lage sichtbar machen und auch definieren, wann Zusatzmaßnahmen erforderlich sind und wann Maßnahmen gelockert werden können", beschrieb Gesundheitsminister Rudolf Anschober Anfang Juli das Konzept. Zuvor hatte er sich lange gegen das System gewehrt und die Ampel, die bereits im Complexity Science Lab im Betrieb war, ignoriert.

Doch bereits bei der ersten öffentlichen Schaltung am 4. September zeigte sich, dass die Ampel so nicht funktionierte. Damals wurden Wien, Kufstein, Graz und Linz auf Gelb gestellt, was vor allem in der oberösterreichischen Hauptstadt Empörung auslöste. Denn anderswo waren die Infektionszahlen höher. Dabei gab es laut Klimek einen guten Grund, dass sich die Ampelkommission so entschieden hatte: In Linz war nur ein geringer Teil der Neuinfektionen auf Reiserückkehrer zurückzuführen, die Quelle der Ansteckungen war bei den meisten unbekannt.

Ab diesem Augenblick war die Ampel ein Politikum. Kein Wunder: Ein Großteil der Kommission ist politisch besetzt. Jedes Land schickt je einen Vertreter, die Regierung noch einmal fünf. Das jeder mit Interessen im Gepäck zur Sitzung geht, ist klar. Dass diese die fünf Expertinnen überstimmen können, auch.

Wie hitzig sie in stundenlangen Ampelsitzungen debattieren, wird nach jeder Sitzung erneut nach außen getragen – unbeachtet der Verschwiegenheitspflicht der Mitglieder. Die nunmehrige Ampel folge "weniger medizinischen und epidemiologischen Kriterien, sondern eher rein politischen", sagt auch Public-Health-Experte und Ex-Corona-Taskforce-Mitglied Martin Sprenger im STANDARD-Gespräch.

Die nächste Schaltung hatte keine konkreten Folgen mehr, weil die Regierung nun andere Entscheidungen gab und etwa die bei Orange vorgesehene Einführung von Heimunterricht für die Oberstufe bei Orange gar nicht umsetzte.

Bei der jüngsten Schaltung am Donnerstag war die Ampel endgültig in der Bedeutungslosigkeit versunken. Erneut berieten 19 Köpfe über die Risikosituation des Landes, in einer Phase, in der die Zahlen massiv steigen. Doch ihre Entscheidung versank in der öffentlichen Erregung um neue Verschärfungen, die der Kanzler am selben Tag ankündigte.

Anschober hatte sich das wohl ganz anders vorgestellt. Aber zu glauben, dass in Österreich so gravierende Entscheidungen wie Maskenpflicht oder Beschränkungen von Versammlungen an der Politik vorbei allein von Experten entschieden werden könnten, war wohl von Anfang an naiv.

Corona-Tests

Immer noch zu wenig, immer noch zu langsam

Es war Ende März, als Bundeskanzler Sebastian Kurz 15.000 Tests am Tag in Aussicht stellte. Für viele Experten gelten häufige Tests, die auch Menschen ohne Symptome leicht in Anspruch nehmen können, als Schlüsselfaktor für die Rückkehr zur Normalität.

Dieses Ziel wurde bis heute nicht erreicht. Immer wieder stößt das System an Kapazitätsgrenzen, sei es beim Abstrich oder bei der Auswertung im Labor. Aber auch die in Österreich angewandte Teststrategien sind voller Schwächen. So ging man etwa im Lauf der Pandemie davon, nur Kontaktpersonen mit einem Risikofall zu testen, dazu über, Personen, die nur Symptome haben, auch mit einzubeziehen. Später wurde dies reduziert auf ein Symptom.

In den meisten Ländern verkündeten die Regierungen Öffnungen und Lockerungen immer verbunden mit Auflagen – etwa dem Tragen von Masken im öffentlichen Raum. Das Ziel in allen Ländern ist, einen erneuten Lockdown im Herbst und Winter zu verhindern. In Israel ist das vorerst gescheitert: Der Lockdown gilt vorerst für drei Wochen.

Dennoch werden viele Personen nicht getestet, oder müssen lange auf ihr Ergebnis warten. Betroffene erzählen, dass sie über zwei Wochen auf ein Ergebnis warten – länger als sie eigentlich in Quarantäne sein müssten. Viele warten tagelang, bis das Testteam erst ankommt, in Schulen ist heute oft noch unklar, was mit anderen Schülerinnen und Schülern passiert, wenn ein Kind positiv oder ein Verdachtsfall ist. Doch ohne rasche Tests gibt es auch kein effizientes Contact-Tracing.

Wer rasch einen Test mit Ergebnis haben will, muss zu einem der privaten Labors gehen und bis zu 140 Euro hinlegen. Nur dann kann innerhalb weniger Stunden wissen, ob man positiv ist oder nicht.

Dazu kommt, dass die Bundesländer die Ergebnisse unterschiedlich einspeisen und ausweisen. Die Zahlen sind daher oft nicht vergleichbar.

Contact-Tracing

Immer noch zu wenig, immer noch zu langsam

Als Ende April die Ausgangsbeschränkungen ausliefen, wurde mit jedem Lockerungsschritt die Bedeutung des Contact-Tracings betont, um die Pandemie unter Kontrolle zu halten. "Containment 2.0" hieß die Strategie, die das Gesundheitsministerium am 20. Mai per Erlass allen Landeshauptleute mitteilte. Ihr Ziel war, mit Sars-CoV-2 Infizierte "ehest möglich" zu finden und zu isolieren.

Die Ermittlung möglicher Kontaktpersonen habe innerhalb von 24 Stunden ab der Absonderung eines Verdachtsfalls zu geschehen, hieß es darin. Mittlerweile wurde diese Vorgabe angepasst: Innerhalb von 24 Stunden soll der Erkrankte isoliert sein. In weiteren 24 Stunden sind die Kontaktpersonen zu erheben, und gegebenenfalls nochmals 24 Stunden später sollten auch diese zur Heimquarantäne aufgefordert werden.

Doch die Realität ist ganz anders. Das liegt vor allem an der Überlastung der Hotline 1450, von wo die Nachverfolgung ihren Ausgang nehmen sollte. In vielen Bundesländern fehlt es an Personal, die größte Zahl an Mitarbeitern weist mit 400 derzeit Niederösterreich auf. Aber auch das ist zu wenig, wenn die Zahl der Infektionen sprunghaft ansteigt. Wie lang die von Bürgermeister Michael Ludwig angekündigte Aufstockung im Wiener Büro für Sofortmaßnahmen von 100 auf 600 dauern wird, ist derzeit nicht abschätzbar.

Im Entwurf des neuen Covid-Gesetzes wurde in der Begutachtung ein besonders umstrittener Punkt betreffend Contact-Tracing gestrichen: Ursprünglich sollten "Betriebe, Veranstalter und Vereine" verpflichtet werden, personenbezogene Kontaktdaten von Gästen, Besuchern, Kunden und Mitarbeitern 28 Tage aufzubewahren. Massive Kritik daran gab es vor allem aus der Gastronomie.

Geplant ist nun nur noch die Verpflichtung, Daten über grenzüberschreitende Reisen auf Verlangen dem Gesundheitsministerium zur Verfügung zu stellen. Explizit angesprochen werden etwa Hotels, Fluglinien und die Bahn. Eine Pflicht zur Datensammlung ergibt sich daraus aber nicht, heißt es in den Erläuterungen. Vielmehr zielt die Regelung nur auf Daten, die ohnehin zur Verfügung stehen.

Stopp-Corona-App

Debatte über Zwang dämpfte die Begeisterung

Erleichtert werden sollte das Contact-Tracing auch durch die Stopp-Corona-App vom Roten Kreuz, ein an sich sinnvolles Instrument. Österreich war Vorreiter bei Entwicklung und Einführung. Doch eine Debatte über einen möglichen Zwang zur App, die von der ÖVP losgetreten wurde, dämpfte die Begeisterung.

Mittlerweile steht die Entwicklung der App quasi still. Zuletzt hatten sie 966.000 Menschen auf ihren Handys installiert. Andere Länder sind weiter. Die deutsche App hatte bereits Mitte Juli 15 Millionen Nutzer, ein höherer Anteil der Bevölkerung. Außerdem ist die deutsche App grenzüberschreitend einsetzbar, was die österreichische erst werden soll – wann, kann das Rote Kreuz nicht sagen. Doch als Wunderwaffe hat sich die App noch in keinem Land erwiesen, höchstens als Hilfsmittel.

Für Complexity-Forscher Klimek ist die Lage trotz aller Versäumnisse nicht außer Kontrolle. Dass sich Verschärfungen und Lockerungen je nach Infektionsgeschehen abwechseln, sei der richtige Weg. Der Herbst werde jedenfalls neue Herausforderungen bringen, wenn die Menschen wieder mehr Zeit in Innenräumen verbringen.

"Da kommt noch viel auf uns zu", sagt er. "Aber die Intensivstationen werden nicht gleich übergehen. Und wenn es tatsächlich schlechter wird, werden wir in ein paar Wochen noch härtere Maßnahmen erlassen müssen."

Party in Corona-Zeiten

Schlupflöcher, die geschlossen werden mussten

Die Nachtgastronomie habe bei der Zunahme der Fälle in letzter Zeit eine besondere Rolle gespielt, verkündete Bundeskanzler Sebastian Kurz am Donnerstag. Einige Clubs, die großteils seit März geschlossen hatten, haben in den letzten Wochen private Feiern geschlossener Gesellschaften in ihren Räumlichkeiten ermöglicht.

Not macht eben erfinderisch – allerdings wurden dabei sämtliche Corona-Regeln missachtet. Fotos und Videos von tanzenden Menschenmengen gibt es auf Instagram zuhauf, keine Spur vom Babyelefanten. Gefeiert wurde außerdem bis in die Morgenstunden, denn für geschlossene Veranstaltungen galt die Sperrstunde von 1 Uhr nicht.

Aber: Nicht nur die geschlossenen Veranstaltungen in Clubs waren in den Augen der Regierung problematisch. Auch im normalen Bar-Betrieb kam es in den letzten Wochen zu Schwierigkeiten. So gibt es in Dornbirn beispielsweise ein Party-Cluster. In dem betroffenen Lokal hielten sich viele Jugendliche auf, Abstände wurden konsequent missachtet.

Alldem soll nun ein Riegel vorgeschoben werden: Mehr als zehn Leute sollen nicht mehr zusammenkommen, ob beim Essen, einer Geburtstagsfeier, einer Hochzeit oder beim Bier nach dem Fußballtraining. Die Polizei werde die neuen Regeln verstärkt kontrollieren, versicherte Innenminister Karl Nehammer.

Cluster und Communities

Zu viele Fälle können nicht auf einen Cluster zurückgeführt werden

Nicht nur Abstandhalten, das Tragen einer Maske, viele Tests und gutes Contact-Tracing sind ein Schlüssel, um die Ausbreitung von Sars-CoV-2 im Griff zu haben. Je mehr Fälle in Cluster eingeordnet werden können, desto besser. So kann die Ausbreitung nämlich analysiert werden.

Das tut unter anderem die Agentur für Gesundheit und Ernährungssicherheit (Ages). In der ersten Septemberwoche – das sind die aktuellsten Zahlen, die auf der Website der Ages abrufbar sind – gab es knapp 170 Cluster. Der größte Teil davon (130) waren sogenannte "lokale Häufungen", etwa 20 betrafen Reisegruppen. Unter den lokalen Häufungen ist die Ansteckungsquelle in den meisten Fällen der Haushalt, Freizeitaktivitäten und der Arbeitsplatz folgen.

Innerhalb weniger Wochen ist das Corona-Vorzeigeland Österreich zur Krisenregion geworden.
Foto: Getty Images / iStock / estherpoon

Die Ages weist außerdem aus, wie viele Fälle die Quelle im Ausland hatten. Hier war Anfang August der Anteil am höchsten. Von 1.441 Fällen hatten 624 die Quelle im Ausland. Anfang September nahmen von 2.242 Fällen 347 ihren Ursprung im Ausland.

Mindestens 60 bis 70 Prozent aller Infektionen mit dem Coronavirus sollten sich idealerweise auf einen Cluster als Quelle zurückführen lassen, heißt es von Seiten der Ages. Falle dieser Wert unter 50 Prozent, werde es schwieriger, wirkungsvoll mit Präventivmaßnahmen zu arbeiten.

Genau das war in Österreich die letzten Tage der Fall. Nur etwa die Hälfte der über 30.000 bisher bestätigten Covid-Fälle kann einem bestimmten Cluster zugewiesen werden. Die Bundesländer kommunizieren dabei recht unterschiedlich, denn es gibt keine bundesweit einheitliche Richtlinie dafür. Zurückhaltend agiere beispielsweise vor allem die Bundeshauptstadt, hieß es diese Woche in der APA, die sich auf Insider berief. Wien kommuniziere bewusst nicht jeden Cluster. Aus Sicht der Ages ein "gangbarer Weg".

In der Vorwoche war in Wien nur bei 55 Prozent der Neuinfektionen die Quelle klar. 20 Prozent waren auf Auslandsaufenthalte zurückzuführen, 31 Prozent ließen sich einem lokalen Cluster zuordnen. Vier Prozent konnten durch Screeningaktivitäten identifiziert werden.

Laut Ages komme es nicht unbedingt auf die Größe eines Clusters an. Vielmehr lasse sich durch das Setting und den Ausgangspunkt eine Risikoeinschätzung und eine mögliche Krisenbewältigung ableiten. Bei der Cluster-Analyse gehe es darum, den Ausgangspunkt möglichst genau zu beschreiben und das Risikoverhalten zu verstehen. Verständnis für Präventivmaßnahmen schaffe man vor allem, wenn das Risikoverhalten eingehend kommuniziert werde. (Eric Frey, Johannes Pucher, Gabriele Scherndl, Lara Hagen, 19.9.2020)