FDP-Chef Christian Lindner hofft, dass die FDP im Wahljahr 2021 wieder häufiger im Rampenlicht steht.

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Pioniere wollen sie sein und Neuland betreten. Darum werden sich die Delegierten am Samstag nicht hinter dem Laptop verschanzen, sondern sich wahrhaftig und persönlich ins Estrel-Hotel in Berlin-Neukölln aufmachen. "Die FDP ist damit die erste Bundestagspartei, die im Corona-Jahr einen Präsenz-Parteitag wagt", heißt es fast ein bisschen stolz auf der Webseite. Man will zeigen, dass die Partei noch da ist. So mancher war sich da nämlich in den vergangenen Monaten nicht ganz sicher.

Dass es für die deutschen Liberalen nicht gut läuft, zeigt ein Blick auf die Zahlen. 10,7 Prozent hat die FDP bei der Bundestagswahl 2017 erreicht, damit lag sie vor den Grünen und vor den Linken. Doch seit längerem schon krebst sie nur noch an der Fünf-Prozent-Hürde herum und müsste, wenn jetzt Bundestagswahl wäre, um den Einzug ins deutsche Parlament bangen. Auch das Ergebnis bei den Kommunalwahlen am vergangenen Sonntag war äußerst mau. Während die Grünen über 20 Prozent der Stimmen jubeln konnten, schaffte die FDP gerade mal 5,6 Prozent.

Freiheit ist nicht das Thema

Im Jahr Corona haben es die Liberalen doppelt schwer. Zum einen dringen sie als Oppositionspartei kaum durch, da in Krisenzeiten alles auf die Regierungsparteien schaut. Zum anderen haben sie es auch mit ihren Inhalten nicht leicht. Mehr Freiheit, mehr Verantwortung für den Einzelnen – damit lässt sich nur schwer punkten, wenn die große Mehrheit der Deutschen eine massive Einschränkung der Grundrechte gelassen hinnimmt.

Doch es gibt auch viele hausgemachte Probleme. "Es ist besser, nicht zu regieren, als falsch zu regieren" – mit diesem Satz hat FDP-Chef Lindner nach der Bundestagswahl 2017 die Verhandlungen über ein Jamaika-Bündnis aus Union, FDP und Grünen platzen lassen. Seither gibt es ein neues Wort in Berlin. "Lindnern" heißt es und bedeutet: sich überraschend der Verantwortung zu entziehen.

Obwohl das "Lindnern" nun schon drei Jahre her ist, sind manche Liberale immer noch der Meinung, die FDP hätte damals nicht aus den Gesprächen aussteigen dürfen. Und Parteichef Christian Lindner selbst wurde den Ruch nie mehr los, dass er an mangelndem Pflichtgefühl leide.

Kemmerich als Last

Der Supergau war für die Liberalen in diesem Jahr der 5. Februar. An diesem Tag ließ sich Thomas Kemmerich zum Ministerpräsidenten von Thüringen wählen. Er schaffte dies, weil er im Landtag auch – und zum ersten Mal in der Geschichte der Bundesrepublik – Stimmen der AfD bekam.

Lindner gratulierte zunächst aus Berlin etwas schmallippig. Dann erkannte er den Fehler und reiste nach Erfurt, um Kemmerich zum Rückzug zu bewegen. Die Causa hat Lindner viele Sympathien gekostet. Und sie ist auch noch nicht ausgestanden. Denn Kemmerich erwägt, sich bei den Neuwahlen zum Thüringer Landtag, im Frühjahr 2021, wieder als Spitzenkandidat aufstellen zu lassen.

Nun will Lindner mit neuem Personal frischen Schwung in den Laden bringen. Im August hat er die bisherige Generalsekretärin Linda Teuteberg rausgeworfen. Sie war ihm zu blass gewesen. Am Parteitag wird Volker Wissing (50) zu ihrem Nachfolger gewählt werden. Er ist derzeit Wirtschaftsminister in Rheinland-Pfalz, wo eine Ampel aus SPD, FDP und Grünen regiert.

Lindner hat damit zwar einen Vertrauten an seiner Seite, die Frauen in der FDP werden aber noch weniger, zumal sich FDP-Vizechefin Katja Suding zurückzieht. Auch im Bundestag beträgt der FDP-Frauenanteil nur 22,5 Prozent. (Birgit Baumann aus Berlin, 19.9.2020)