Kinder und Jugendliche haben nicht nur ein Recht auf Bildung, sondern auch auf ihre Freundinnen und Freunde.

Foto: Regine Hendrich

Ein Kind, das morgens fröhlich zur Schule geht, kann mittags bereits als Verdachtsfall abgesondert sein. Das klingt hart, und ist es auch. Niemand will gerne "isoliert" werden. Doch statt sich umsorgt zu fühlen, sitzen Kinder allein im Schulkammerl und müssen höchst nervös anderen nervösen Menschen beim Administrieren des eigenen Gesundheitszustandes zusehen. Ja, das kann wütend machen – auf ein Virus und die Zumutungen, die es in unser Leben bringt.

Mit dem Start ins Wintersemester wurden die Pädagoginnen und Pädagogen zu ihrem eigenen administrativen Unterstützungspersonal: Die Nummer des Gesundheitsamtes im kleinen Finger, verlangt die Verwaltung der Pandemie ihnen höchste Aufmerksamkeit ab. Verdachtsfälle (Stand Freitag: 3600) absondern, Kontaktpersonen informieren – und je nach Anweisung des Gesundheitsamts in Quarantäne schicken oder nicht. Daran hängen ziemlich viele Familien mit ziemlich schwer zu jonglierenden Betreuungspflichten – und Lehrkräfte.

Schul-Shutdown auf Raten

Weil sich das System so relativ bald selbst lahmlegt, wird jetzt am Handling der Behörden geschraubt. Um den Schul-Shutdown auf Raten zu verlangsamen, müssen Kinder, die jünger als zehn Jahre sind, auch bei Auftreten von Covid-19-Symptomen nicht mehr zwangsläufig getestet werden. Denn es wird angenommen, dass sie sich seltener anstecken und auch andere seltener anstecken.

Jetzt kommen die sich häufenden Schulabsenzen und die Kreise, die sie unter den Kontaktpersonen ziehen, allerdings nicht unerwartet. Auch die Platznot an den Schulen oder die Schwierigkeit, den Unterricht so oft wie möglich draußen stattfinden zu lassen, waren bekannt. Warum wurden keine zusätzlichen Räume angemietet wie in Italien? Leere Hotels und Kongresshallen gibt es genug. Wieso kommen die mobilen Gurgeltests erst jetzt – und auch das vorerst nur in Wien? Wer soll verstehen, warum die Schulampel selbst in orangen Bezirken auf Gelb steht? Sind Oberstufenschüler in der Schule etwa weniger infektionsgefährdet als draußen?

Recht auf Bildung

"Normal", so wie es Bildungsminister Heinz Faßmann (ÖVP) zu seinem Mantra gemacht hat, ist in diesem Schulbetrieb de facto gar nichts mehr. Wenn das Anliegen sinnvollerweise lautet, dass Kinder und Jugendliche nicht nur ein Recht auf Bildung, sondern auch auf ihre Freundinnen und Freunde haben, dann hätte das besser vorbereitet werden müssen – vom zuständigen Minister und der gesamten Regierung. Es kann ja wohl nicht sein, dass der Bereich Schule, der so viele Menschen betrifft, nur einem allein in der Koalition ein Anliegen ist.

Das Geld, das man für Schnelltests oder zusätzliche Standorte bräuchte, wäre gut angelegt. Um es mit dem türkis-grünen Signalwort für rasches Handeln zu sagen: Es geht auch um Arbeitsplätze! Um die bestehenden der Eltern, die nicht parallel zum Job allzeit für Kinderbetreuung bereitstehen können. Und um die künftigen Arbeitsplätze all jener, die dafür auch in einer Pandemie die notwendige Bildung brauchen. Dass Schule offenbar keine Priorität hat, kann wütend machen. (Karin Riss, 20.9.2020)