MQ Vienna Fashion Week 2020

Foto: Thomas Lerch

Normalerweise hieß es im September: Koffer packen! New York, London, Mailand, Paris – Modejournalisten, Einkäufer, Fotografen, Influencer reisten von Fashion-Week zu Fashion-Week. Die Modewochen? Ein gut geöltes Räderwerk, das kaum mehr stillstand. Die Protagonisten der Modeindustrie saßen sogar das gesamte Jahr über auf gepackten Koffern, auf Zuruf wurde in den Flieger gestiegen. Die Luxusmodeunternehmen überboten einander schließlich an glamourösen Einladungen: hier ein Shuttle zu einer Cruise-Show nach Tokio, da eine Herrenmodenpräsentation in Schanghai. Die Fashion-Shows wurden zu gigantischen Marketingspektakeln einer Industrie, die nicht mehr zur Besinnung kam.

Neuer Saisonenrhythmus

Doch dann legte Corona die Textilfabriken in Italien und Asien wochenlang lahm und brachte den Rhythmus der Saisonen aus dem Takt. Gleichzeitig stellte die Pandemie die Rituale der Luxusmodeindustrie infrage: Sind Fashion-Weeks und Modenschauen überhaupt noch zeitgemäß? Die Rufe nach einer Entschleunigung der Luxusmodeindustrie, die Forderungen nach einem neuen Saisonenrhythmus wurden im Frühjahr offen von Protagonisten der Branche geäußert.

Seither sind einige Monate vergangen, an den Grundfesten der Branche wurde bisher nicht gerüttelt. Zwar zeigte das Modehaus Burberry seine Show erstmals auf dem Livestreaming-Videoportal Twitch, und auch in Mailand geht die erste gemeinsame Modenschau von Raf Simons und Miuccia Prada nur online über die Bühne. Doch die digitalen Präsentationen dürfen in erster Linie als pragmatischer Reflex auf das Fernbleiben wichtiger asiatischer Journalisten und Einkäufer verstanden werden. Statt einer vorwärtsgewandten Auseinandersetzung mit den Ritualen der Modeindustrie ist eher ein Backlash zu beobachten: Es gibt wieder zunehmend Shows im exklusiven Rahmen, so wie lange vor der Digitalisierung. (Anne Feldkamp, 20.9.2020)