Der Softwarekonzern SAP ist wesentlich tiefer als angenommen in südafrikanische Korruptionsskandale verstrickt. Das geht aus einem jetzt veröffentlichten Bericht des südafrikanischen Journalistenbüros "amaBhungane" hervor, der sich auf Ermittlungen der Anti-Korruptionseinheit der hiesigen Staatsanwaltschaft, die "Special Investigation Unit" (SIU), bezieht. Danach hat das deutsche Unternehmen vor vier Jahren Schmiergelder in Millionenhöhe bezahlt, um an lukrative Aufträge der südafrikanischen Wasserbehörde zu gelangen, die sich schließlich als nutzlos erwiesen. Dabei soll SAP sogar vor möglicher Geldwäsche nicht zurückgeschreckt haben. Dem Bericht amaBhunganes zufolge sicherte sich der Software-Konzern Aufträge im Gesamtwert von fast einer Milliarde Rand (mehr als 50 Millionen Euro) und zahlte dafür "Vermittlungsgebühren" in Höhe von mehr als fünf Millionen Euro.

Die von SAP erbrachten Leistungen waren nach den Recherchen der Journalisten für Südafrikas Steuerzahler wertlos. Lediglich Scheinfirmen, hinter denen womöglich der regierende Afrikanische Nationalkongress (ANC) stehe, hätten davon profitiert.

Schmiergelder gegen Auftrag

Bereits vor drei Jahren war bekannt geworden, dass SAP mehreren Firmen der für ihre kriminellen Machenschaften berüchtigten Gupta-Familie Schmiergelder in Höhe von fast neun Millionen Euro zukommen ließ, um Aufträge der von korrupten Managern geführten staatlichen Strom- und Transportkonzerne Eskom und Transnet zu ergattern. Auf Anfrage erklärte SAP, mit den südafrikanischen Behörden "eng zusammenzuarbeiten": "Wir sind bestrebt, dass diese Ermittlungen bald abgeschlossen werden."

Auch in Südafrika steht der Kampf gegen Corona derzeit ganz oben auf der Liste. Aber auch Korruption sorgt immer wieder für Probleme.
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Ama-Bhungane zufolge hat die SIU einen fast 1300 Seiten umfassenden Ermittlungsbericht erstellt, der jetzt den Gerichten vorgelegt wird. Demnach schloss das südafrikanische Wasserministerium mit SAP im Dezember 2015 und Juli 2016 zwei unter dubiosen Umständen zustande gekommene Verträge, die offensichtlich manipuliert worden waren – vermutlich, um dem ANC zu Geld zu verhelfen.

Vorgetäuschte Tatsachen

In beiden Fällen spielt eine leitende Angestellte des Ministeriums, Zandile Mathe, eine entscheidende Rolle: Sie soll die Entscheidungsträger der Behörde durch die Vortäuschung falscher Tatsachen zu der Vergabe der Aufträge bewegt haben. Im Dezember 2015 motivierte Mathe ihren Vorgesetzten mit der Behauptung zu einem Vertragsabschluss, dass ein schon gültiger Kontrakt mit SAP bereits Ende des Jahres ablaufe, in Wahrheit war das erst ein Jahr später der Fall.

Für die Vertragsverlängerung erklärte sich SAP zur Zahlung einer "Kommission" an die obskure Johannesburger Firma NBS Infosys in der Höhe von 14,9 Prozent des Auftragswerts (113 Mio. Rand) bereit. Laut Ama-Bhunganes Recherchen ist die Firma heute nicht mehr auffindbar. Sie werde jedoch mit einem Rechtsanwalt namens Luvo Makasi in Zusammenhang gebracht, der enge Verbindungen zur damaligen Wasserministerin Nomvula Mokonyane unterhalten haben soll.

Der inzwischen entlassenen Ministerin wird in Südafrika eine verheerende Amtsführung vorgeworfen. Sie soll das Ministerium in den Ruin getrieben und die unter einer Jahrhundert-Dürre leidende Bewohner des Ostkaps alleine allein gelassen haben. Auch in anderen Zusammenhängen wird Mokonyane die Entgegennahme von Schmiergeldern vorgeworfen. Trotzdem leitet die ANC-Abgeordnete noch heute einen Parlamentsausschuss.

Auch bei dem zweiten von der SIU untersuchten Bestechungsfall geht es um eine Initiative Mathes: Sie regte im Juni 2016 an, den auf drei Jahre angelegten SAP-Vertrag auf fünf Jahre zu verlängern und auf zehn regionale Wasserkammern auszuweiten.

Einsparungen, die es nie gab

Der neue 23 Mio. Euro umfassende Auftrag war im Ministerium umstritten. Mathe setzte sich offenbar mit der Falschbehauptung durch, die SAP-Software würde in den folgenden fünf Jahren zu Einsparungen von mehr als 75 Millionen Euro führen. In Wahrheit kam die Software bei den Wasserkammern niemals zum Einsatz.

Der deutsche Software-Riese SAP hat sich in den genannten Fällen nicht mit Ruhm bekleckert.
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SAP erklärte sich auch in diesem Fall zur Zahlung einer "Kommission" von 14,9 Prozent an NBS Infosys bereit, obwohl der Einsatz solcher "Geschäftsentwicklungspartner" (business development partner) auch innerhalb des Softwarekonzerns hochumstritten ist. In einem der Öffentlichkeit zugespielten Memo warnte die damalige Compliance-Chefin Melissa Lea vor vier Jahren vor dem hohen Risiko des Missbrauchs dieser Praxis: Sie stehe "meistens im Zentrum von Korruptionsskandalen".

Die Verantwortlichen des Walldorfer Konzerns setzten sich über die Warnung offensichtlich hinweg: Sie erklärten sich in diesem Fall sogar bereit, zwei Geschäftsentwicklungspartnern eine Kommission von jeweils 14,9 Prozent zukommen zu lassen: Neben NBS Infosys auch der Beraterfirma "Matsei Technologies and Consulting". Damit verstießen die Manager gegen eine weitere SAP-Regel: "strikt" niemals mehr als 20 Prozent Kommission an Dritte zu bezahlen.

Und damit nicht genug: NBS Infosys soll auch eine Vorauszahlung von 600.000 Euro gefordert haben: Eine Praxis, die in Wirtschaftskreisen eigentlich tabu ist. Trotzdem zeigten sich die SAP-Verantwortlichen mit der Forderung einverstanden. Selbst damit nicht genug: nach den Recherchen amaBhunganes ermöglichte es der deutsche Konzern sogar, dass auch die eigentlich für Matsei bestimmte Zahlung unter Vortäuschung falscher Tatsachen an NBS Infosys weitergeleitet wurde. Ein Vorgang, der als Geldwäsche bezeichnet werden kann. Die Reporter amaBhunganes vermuten, dass NBS Infosys die Vorauszahlung dem ANC zukommen ließ, der damals in einen hart geführten Kommunalwahlkampf verwickelt war. Die Korruptionsbekämpfer der SIU forderten SAP auf, dem südafrikanischen Staat die rund 400 Millionen Rand zurückzuerstatten, für die gar keine Leistung erbracht worden sei. (Johannes Dieterich, 21.9.2020)