Worüber die Parteikollegen Rainer Brüderle und Christian Lindner da wohl kichern?

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Der Begriff "Altherrenwitz" ist eigentlich irreführend. Er vermittelt, dass sexistische Sprüche für in die Jahre gekommene Männer reserviert sind. Man denkt an Männer wie den FDP-Politiker Rainer Brüderle, der 2013 die Journalistin Laura Himmelreich sexistisch belästigte, worauf eine Debatte über Sexismus losbrach. Wissen Sie, heißt es dann oft von solchen älteren Herren auch heute noch, ich bin in einer anderen Zeit aufgewachsen, damals war das halt alles noch anders.

Was für eine schwache Ausrede. Denn erstens war früher bezüglich Sexismus gar nicht so viel anders, und zweitens hat Sexismus nichts mit dem Alter zu tun.

Den lebenden und jungen Beweis hierfür finden wir wieder in der FDP. Parteichef Christian Lindner, geboren 1979, hätte auf dem Parteitag am Samstag eigentlich die nunmehr ehemalige Generalsekretärin der FDP, Linda Teuteberg, halbwegs würdevoll verabschieden sollen. Das hätte ihm schon allein deshalb gut angestanden, weil er es war, der ihren Abgang wollte – obwohl Teuteberg im April 2019 mit 93 Prozent der Stimmen zur Generalsekretärin gewählt wurde.

Anstatt gerade deshalb ein bisschen Respekt zu zeigen, kam das dabei heraus: "Ich denke gern daran, Linda, dass wir in den vergangenen 15 Monaten ungefähr 300-mal den Tag zusammen begonnen haben." Lindner legt eine Pause ein, wie sie Komiker*innen machen, damit ihr Publikum Zeit hat, den Schmäh zu verstehen und loszulachen. Nach dieser kurzen Pause dann: "Ich spreche über unser tägliches morgendliches Telefonat zur politischen Lage, nicht, was ihr jetzt denkt."

"Was ihr jetzt denkt"? Nun, ein paar denken sich das vielleicht, ein paar anderen kommt aber auch ziemlich sicher ein "Was für ein Idiot" oder "Um Himmels willen, ist das peinlich!" in den Sinn. Dieser Nachsatz von Lindner ist unterirdisch: dass alle im Saal jetzt denken würden, er habe ein Verhältnis mit Teuteberg gehabt, und das müsse er jetzt mit einem jovialen Grinsen im Gesicht richtigstellen.

Erst hat er die Politikerin selbst abgesägt, dann bringt er auf ihre Kosten einen sexistischen Sager. Das ist an grausligem Sexismus in aller Öffentlichkeit kaum zu überbieten.

Nach Kritik vonseiten der Grünen, der CDU und anderen auf Twitter zeigt Lindner, dass er es offenbar recht cool findet, mit Sexismus zu kokettieren.

Erst gammeligen Sexismus rauszuhauen und dann noch mit "Missverständnis" zu argumentieren, obwohl allen klar ist, dass das Unsinn ist: Das hat nicht den Touch eines widerständigen Kerls, der auf Konventionen pfeift. Denn sexistische Sprüche sind noch die Konvention, auch wenn Empörungsstürme auf Twitter in vielen Filterblasen einen anderen Eindruck vermitteln. Sie sind das Übliche, das Alltägliche. In Sitzungen, in persönlichen Gesprächen, auf der Straße. Sie sind immer übel, aber auf der Bühne eines Parteitags einer liberalen Partei sind sie vor allem peinlich. (Beate Hausbichler, 21.9.2020)