Ungarns Regierung sammelte Daten über Auslandsreisen von Journalisten, berichtet "telex.hu". Hinter dem Portal stehen die ehemaligen Mitarbeiter von "index.hu".

Screenshot: Facebook/telex.hu

Budapest – Das ungarische Außenministerium hat eine Liste mit organisierten Auslandsreisen ungarischer Journalisten in Länder der Europäischen Union erstellt. Das geht laut "telex.hu" aus einem Schreiben des Ministeriums an die ungarischen Auslandsvertretungen hervor, in dessen Besitz das Onlineportal gelangte. Die Liste soll laut Ministerium dem Schutz vor der "Einmischung in die inneren Angelegenheiten Ungarns" dienen.

In den Schreiben von Anfang Juni wurden die diplomatischen Vertretungen gefragt, ob die jeweiligen Länder in den vergangenen Jahren Studienreisen oder Weiterbildungen für ungarische Journalisten organisiert hatten. Genaue Angaben über die Zeitpunkte der Reisen, die Namen der teilnehmenden Vertreter ungarischer Medien und die jeweils besuchten ausländischen Medien und Organisationen wurden angefordert. Der Brief war vom 2. Juni datiert, wobei die Antworten bereits bis 3. Juni, 13.00 Uhr einlangen sollten.

Auf Anfrage des Portals nach dem Grund einer solchen Datensammlung und der Verwendung der gesammelten Informationen antwortete die Presseabteilung des Ministeriums mit folgenden Worten: "Das Außenministerium unternimmt – seiner Aufgabe gemäß – alles gegen eine ausländische Einmischung in die inneren Angelegenheiten Ungarns. Hinter solchen Angriffen stehen erfahrungsgemäß Organisationen von Soros (George Soros, ungarischstämmiger liberaler US-Milliardär und "Hauptfeind" des rechtsnationalen ungarischen Premiers Viktor Orbán, Anm.)."

Hinter "telex.hu" stehen die ehemaligen Mitarbeiter von Ungarns größtem Nachrichtenportal "index.hu", die nach Entlassung ihres Chefredakteurs Szabolcs Dull und dem sich verstärkenden politischen Druck im Sommer geschlossen gekündigt hatten. Die Vollversion des neuen Nachrichtenportals ist noch nicht online, aber die Redaktion veröffentlicht bereits einzelne Berichte auf Facebook. (APA, 21.9.2020)