Die Neos seien bereit, mit der SPÖ in Wien zu koalieren, sagt deren Spitzenkandidat Christoph Wiederkehr – und er fügt sehr selbstbewusst hinzu: "Ich werde aber meine Werte nicht an der Garderobe von Michael Ludwig abgeben!"

Das klingt sehr lobenswert, aber auch ein wenig größenwahnsinnig. Die Neos werden maximal im einstelligen Bereich der Wählergunst landen. Wenn, dann ginge sich wohl nur eine Dreierkoalition mit SPÖ, Grünen und Neos aus, sagen viele Politikauskenner. Auf eine so komplizierte Regierungsform ließe sich Ludwig wohl kaum ein.

Wahlplakat der Neos in Wien.
Foto: APA/ROLAND SCHLAGER

Tatsächlich ist eine rot-pinke Polit-Liaison nicht so abwegig, wie sie auf den ersten Blick wirkt. Rechnerisch könnte es sich ausgehen, wenn die SPÖ stabil über 40 Prozent landet und es den Neos gelingen sollte, junge ÖVP-Sympathisanten abzuziehen, die mit Gernot Blümels stramm rechtem FPÖ-Wählerkurs nicht einverstanden sind.

Pragmatisch, wie die Wiener SPÖ nun einmal ist, hat sie wohl nicht viel gegen eine Koalition mit den Neos einzuwenden. Gut ist, was gut für die SPÖ ist. Und gut für die SPÖ sind mehrere Koalitionsoptionen. Zudem ist es verführerisch, dem zunehmend nervigen grünen Koalitionspartner die Rute ins Fenster zu stellen. Aus Ludwigs Sicht ist es zudem sinnvoll, den Neos-Spitzenkandidaten schon vorab auf rote Linie zu bringen. Das macht eine "Dirndlkoalition" gegen die SPÖ, bestehend aus ÖVP, Neos und Grünen, noch unwahrscheinlicher.

Inhaltlich spricht auch wenig dagegen. Die Neos sind liberal, bürgerlich und wirtschaftsnah, das ist Ludwig fast so sympathisch wie der Wirtschaftsbund-Zweig der Wiener ÖVP – und sympathischer als die Türkisen rund um Blümel und Sebastian Kurz.

Ob es für die Neos sinnvoll ist, sich der SPÖ vor der Wahl anzubieten, ist eine andere Geschichte. Verlockend ist es allemal, ein paar Wochen lang den pinken Königsmacher zu geben. (Petra Stuiber, 21.9.2020)