Die Zahl der Intensivpatienten könnte in den nächsten Wochen noch weiter ansteigen, sagt Foitik.

Foto: APA/ Georg Hochmuth

Am Sonntag um halb acht Uhr abends setzte der Bundesrettungskommandant des Roten Kreuzes, Gerry Foitik, einen Tweet ab. Das Mitglied der Corona-Taskforce des Gesundheitsministeriums hatte keine guten Nachrichten. "Nächste Woche wird es voraussichtlich schwierig", tippte er. Die Zahlen der Corona-Infizierten würden vermutlich stark steigen und die 1000er-Marke der nachgewiesenen Neuinfektionen erreicht werden. Aber: "Dadurch nicht in Panik geraten, Wirkung der Maßnahmen dauert noch."

Aber was kommt da noch auf uns zu, wenn schon das Rote Kreuz ausrückt, um uns zu warnen? Der Tweet sorgte jedenfalls für reichlich Diskussionen. Foitik setzte ihn ab, damit sich die Bürgerinnen und Bürger "hoffentlich" an die seit Montag geltenden Verschärfungen halten und nicht in zwei Wochen sagen, dass das alles nichts geholfen hat, weil die Zahlen trotzdem weiter steigen, sagt er im STANDARD-Gespräch. "Die Erfahrung zeigt, dass man die Hygienemaßnahmen erst viel später in den Zahlen sieht." Es sei ein logischer Trugschluss, wenn man glaubt, durch Händewaschen, Abstandhalten und mit einem Mund-Nasen-Schutz im Innenraum "ist morgen wieder alles gut".

Das Gegenteil ist der Fall. Foitik beschreibt bedenkliche Tendenzen. Waren bis vor kurzem noch bis zu 25 Patienten auf der Intensivstation, sind es inzwischen bis zu 70. Die Zahl könnte in den "nächsten drei, vier Wochen" weiter ansteigen, da auch wieder mehr ältere Personen an Corona erkranken, die eher einen schweren Verlauf durchmachen.

Das Corona-Grippe-Match

"Die große Frage ist, schaffen wir es bis Mitte, Ende Oktober, die Zahlen wieder auf ein Niveau zu bringen, das vernünftig ist?", sagt Foitik. Denn dann gesellt sich zur Corona-Pandemie ein weiteres Problem: Die Erkältungskrankheiten werden mehr. "Das ist insofern ein Problem, weil die Diagnose von Corona durch die Ähnlichkeit der Symptome schlechter und die Zahl der Kranken und Verdachtsfälle insgesamt größer wird und die Systeme für die Kontaktnachverfolgung und Tests, die jetzt schon am Limit sind, noch weiter ausgereizt werden", skizziert Foitik die Ausgangslage. In einer typischen Grippesaison sind im Oktober bis zu 6.000 Menschen krank, in der zweiten Februarwoche etwa 25.000 am Tag, rechnet der Bundesrettungskommandant vor. "Wenn wir die Zahl der Erkrankten, die aufgrund ihrer Symptome als Corona-Verdachtsfall gelten, im Februar auf das Oktoberniveau bringen, dann schaffen das die Contact-Tracing-Systeme", sagt Foitik. "Gelingt das nicht, dann wird es ganz, ganz schwierig." Die gute Nachricht sei, dass die Hygienemaßnahmen gegen Corona, Erkältungskrankheiten und Influenza wirken.

Auf Regierungskritik lässt sich Foitik nicht ein. Er will nicht kommentieren, ob Gesundheitsminister und Kanzler früher auf die steigenden Zahlen hätten reagieren müssen. Auch nicht darauf, ob der Mund-Nasen-Schutz wie in anderen Ländern auch im Sommer in Innenräumen hätte gelten sollen. "Das ist unerheblich, wichtig ist, dass sich die Menschen jetzt daran halten."

Nun gelte es, die Hygienemaßnahmen wieder stärker zu kommunizieren. "Ich komme mir zwar vor wie ein Wurlitzer, in dem alle Platten gleich sind", sagt Foitik. "Aber es hilft." Ihn und die Taskforce beschäftigt dieser Tage auch, wie ein Impfprogramm orchestriert und ein "Lockdown 2.0" aussehen könnte, sollte sich die Situation zuspitzen.

Eine App fürs Gasthaus

Vor allem die Gastronomie kristallisiert sich immer stärker als Corona-Faktor heraus. Foitik und das Rote Kreuz kämpfen fast seit Anbeginn der Pandemie dafür, dass die Stopp-Corona-App von der Gesellschaft stärker verwendet wird. So ganz will das aber nicht klappen. Aber wäre sie nicht ein Instrument, um in der Gastronomie mehr Sicherheit zu schaffen?

Nein, sagt Foitik. Dafür sei die Corona-App nicht ausgerichtet und programmiert. Dadurch, dass der Austausch von Nutzern anonym stattfindet, könne sie Behörden bei der Aufklärung nicht helfen. Abgesehen davon reiche das Bluetooth-Signal nur zwei bis drei Meter weit. "Wenn jemand im Gasthaus fünf Meter weiter weg sitzt, wird er davon nicht mehr erfasst." Dafür brauche es eine andere App, die einem das "gleichzeitige Einloggen" in einem Lokal ermöglicht. Aber das könne dann nicht anonym funktionieren, erklärt Foitik. Genau das würden die Leute aber nicht wollen, glaubt er. (Jan Michael Marchart, 21.9.2020)