Nach der US-Behörde FinCEN sind die Enthüllungen benannt.

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Nach den Enthüllungen vom Wochenende wurden am Montag an den Börsen Wunden geleckt. Egal ob im österreichischen Leitindex ATX, im Frankfurter Dax oder an der Londoner Börse: Die Papiere von Banken tendierten tiefrot. Der Aktienkurs der Großbank HSBC ist am Montag sogar auf den tiefsten Stand seit 25 Jahren gesunken. An der Wall Street verloren JP Morgan und Bank of New York Mellon ebenfalls stark.

Grund für die herben Verluste sind die FinCEN-Files, vertrauliche Dokumente aus dem US-Finanzministerium, die dem Portal Buzzfeed zugespielt wurden – eingangs genannte Banken tauchen in den Papieren immer wieder auf. Ein weltweites Recherchenetzwerk hat die Dokumente ausgewertet und aufgedeckt, dass Banken aus aller Welt, womöglich über Jahre hinweg, trotz strenger Vorgaben Geschäfte mit hochriskanten Kunden abgewickelt haben. Die Vorgänge seien sehr zögerlich und zum Teil mit jahrelanger Verspätung gemeldet worden – ideale Bedingungen für Geldwäsche.

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Deutsche Bank im Fokus

Besonders häufig taucht in den FinCEN-Files allerdings der Name eines deutschen Geldhauses auf: der Deutschen Bank, deren Aktienkurs am Montag um acht Prozent einbrach. Die Süddeutsche Zeitung, die an der Recherche beteiligt war, berichtete, dass Geldwäscher die Infrastruktur von Deutschlands größter Bank über einen längeren Zeitraum und in größerem Umfang genutzt hätten, als bisher angenommen. In der Bank hätten Sicherheitssysteme versagt.

Besonders Deutsche-Bank-Chef Christian Sewing trage eine Mitverantwortung, da er damals Leiter der Konzernrevision gewesen sei. Die Deutsche Bank wies den Bericht zurück. Die Aktie des Geldhauses brach am Montag phasenweise um rund acht Prozent ein.

Die FinCEN-Files beweisen zwar – streng genommen – noch nicht Geldwäsche in biblischem Ausmaß. Denn damit Geld als schmutzig gilt, muss erst nachgewiesen werden, dass das Geld auch illegal erworben wurde. Die geheimen Dokumente zeigen aber, wie einfach illegal erworbenes Geld im globalen Finanzwesen reingewaschen werden kann und wie viele Verdachtsfälle letztlich ohne Sanktion bleiben.

Späte Meldungen

Banken melden verdächtige Transaktionen – wenn auch oft stark verspätet – meist an die zuständigen Behörden. Die Transaktion wird aber oft trotzdem abgewickelt. Bis die teils überforderten Behörden einem Geldwäscheverdacht nachgegangen sind, ist das Geld oft längst schon weißgewaschen, die Spuren über Korrespondenzbanken und Briefkastenfirmen verwischt.

Laut Medienberichten sind die Verdachtsmeldungen vonseiten der Banken in den vergangenen Jahren extrem stark angestiegen. Damit (über-)erfüllen Banken ihre Pflicht, verdächtige Transaktionen zu melden, erschweren den Behörden aber die Arbeit beim Aufdecken von kriminellen Machenschaften. Die zuständige US-Behörde FinCEN musste sich 2019 etwa durch mehr als zwei Millionen Verdachtsmeldungen zu mehreren Millionen Transaktionen arbeiten – mit rund 340 Mitarbeitern. In Österreich ist das Bundeskriminalamt zuständig, rund 3500 Meldungen gehen jährlich ein. Mit mehr als zehn Mitarbeitern sei das bewältigbar.

Giegold sieht Weckruf

Der für seinen Einsatz gegen Geldwäsche und Steuervermeidung bekannte grüne Europaabgeordnete Sven Giegold sieht in den FinCEN-Files jedenfalls einen Weckruf. Er attackiert nicht nur die Banken, die nach wie vor Geldwäsche in großem Stil zuließen, sondern auch die Regierungen. "Es ist ein Staatsversagen, dass sich staatliche Behörden seit Jahren unfähig zeigen, diesem Treiben ein Ende zu bereiten", erklärte Giegold.

Und auch in der Finanzwelt sieht man die Enthüllungen durchaus als Erschütterung, die mehr als Kursverluste von Bankaktien zufolge haben könnte. "Der Gestank von Korruption und Geldwäsche wird noch lange Zeit über den größten Banken schweben", sagte Chefanalyst Neil Wilson vom Brokerhaus markets.com. Noch sei unklar, inwieweit die Vorwürfe neu seien und ob sie durch bereits erfolgte Strafen der Aufsichtsbehörden abgedeckt seien.

Das Journalistenkollektiv, das die FinCEN-Files über Monate ausgewertet hat, hat in dem Zusammenhang weitere Enthüllungen angekündigt. (Aloysius Widmann, 21.9.2020)