Beim Team Arkea-Samsic führten die Behörden Hausdurchsuchungen durch.

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Marseille – Ein harter Verdacht, Ermittler im Einsatz und schon zwei Festnahmen: Nur einen Tag nach dem Ende der 107. Tour de France droht dem Radsport mal wieder ein Dopingskandal. Die Staatsanwaltschaft in Marseille bestätigte der Nachrichtenagentur AFP am Montag die Aufnahme einer vorläufigen Untersuchung.

Namen wurden zunächst nicht genannt, die Sportzeitung L'Equipe und das Journal du Dimanche waren sich aber bereits recht sicher: Im Fokus steht das Team Arkea-Samsic um Dayer Quintana, Bruder des Kolumbianers Nairo Quintana, der ebenfalls für die Franzosen fährt. Auch das medizinische Personal des Teams haben die Ermittler im Blick.

Es handle sich um einen insgesamt kleinen Teil des betroffenen Rennstalls, sagte Staatsanwältin Dominique Laurens der AFP. Zwei Personen befanden sich demnach am Montagabend in Gewahrsam – bei ihnen seien viele Gesundheitsprodukte und Medikamente gefunden worden, darunter insbesondere eine "Methode, die man als Doping bezeichnen könnte". Die Unterkunft des Teams soll bereits am Mittwoch noch während der Frankreich-Rundfahrt untersucht worden sein.

Teamchef schweigt

Emmanuel Hubert, General Manager bei Arkea-Samsic, wollte sich am Montag nicht dazu äußern. Ermittelt wird laut Staatsanwältin Laurens wegen der Verschreibung einer verbotenen Substanz sowie der Hilfe bei und der Anstiftung zu der Einnahme ebendieser Substanz.

Das Team mit Sitz in Rennes war in den vergangenen Jahren stetig gewachsen und hatte sich spätestens mit der Verpflichtung von Nairo Quintana und zuvor Warren Barguil ambitioniert gezeigt.

Arkea-Samsic setzte die Tour nach der Razzia am vergangenen Mittwoch fort. Am Sonntag erreichte das Feld Paris, Nairo Quintana landete mit mehr als einer Stunde Rückstand auf Sieger Tadej Pogacar auf Gesamtrang 17, Barguil holte den 14. Rang.

Beigeschmack bleibt

Bei der diesjährigen Tour hatte es bislang keine echten Verdachtsfälle gegeben, keine Fakten zu möglichen Dopingvergehen – allerdings einige erstaunliche Leistungen. Auch Sieger Pogacar und sein slowenischer Landsmann Primoz Roglic auf Rang zwei gerieten dabei ins Zwielicht.

Denn erstaunliche Leistungen hinterlassen im Radsport mittlerweile grundsätzlich ein ungutes Gefühl, und vor dem Hintergrund der Corona-Krise galt das besonders: Aufgrund dieser seien zwischen Jänner und Ende August nur halb so viele Tests wie im Vorjahreszeitraum durchgeführt worden, teilte die Anti-Doping-Kommission des Radsports (CADF) mit. Das Normalniveau sei erst kürzlich wieder erreicht worden.

Roglics Tophelfer Tom Dumoulin klagte daher schon vor der Tour, er sei "seit Monaten nicht mehr getestet worden", auch Romain Bardet ("Es ist eine Ewigkeit her") und schon im April Thibaut Pinot ("Seit Oktober 2019 kein Test") äußerten Sorge. Bardets Teamkollege Nans Peters fragte gar: "Haben Betrüger im Moment freie Hand?" (sid, 21.9.2020)