Hundsi Ares, Yorkshireterrier-Malteser-Mischling, beißt mir ins Hosenbein, als ich mich seiner Schlafdecke unter einem der beiden Bügelbretter nähere. Sein Frauchen Silvia rettet mich vor dem Zugriff ihres Kriegsgottes und schickt ihn zurück neben die Absaugmaschine, in der sich Wasser und Schmutzpartikel aus hunderten geputzter Kleidungsstücke sammeln. Sie ist Besitzerin der nach ihr benannten Putzerei im 6. Bezirk und würde lieber auf gut Wienerisch "Süberl" genannt werden, mit "b". Aber auf "Frau Silvia" reagiert sie natürlich auch.

Sie begrüßt uns herzlich, wie sie das normalerweise mit durchschnittlich 30 Kunden am Tag macht. So viele sollten kommen, damit sich das alles hier irgendwie ausgeht, "besser wären 40 bis 50", sagt sie. Aber in diesen Zeiten kommen bestenfalls zehn.

DAS PASST: Frau Silvia (M.) und Mitarbeiterinnen Tonia und Munivera. "Gemeinsam schaffen wir jede Wäsche."
Foto: Robert Newald

Frau Silvia hat also Zeit, uns alles zu erklären: die alte, unverwüstliche Putzmaschine aus Edelstahl, die von hinten aussieht wie ein Raumschiff und 14 Kilo Kleidung schafft. Von dort kommt alles in die "Destillation", in welcher Pollen und Schädlinge entfernt werden, danach ins "Bügelkabinett". Abschließend wird mit der Hand nachgebügelt, 200° für Leinen und deutlich weniger für Wolle. Die Bügeleisen haben einen Teflon-Aufsatz, damit der Stoff danach nicht glänzt. Ist das trotzdem schon mal passiert, ganz ehrlich? "Ich mach das jetzt seit 47 Jahren, was glauben S’ denn? Natürlich ist schon mal was passiert, lüge doch niemanden an."

Wenn aber wie meistens alles gut läuft, dann sagen die Leute beim Abholen: "Das ist jetzt schöner, als wie ich es gekauft habe." Dieses Vertrauen in ihre Fähigkeiten bescherte ihr 95 Prozent Stammkunden, einer kommt sogar einmal pro Monat aus Rom, einer aus Salzburg, und einer aus der Hofburg, er heißt Bundespräsident.

Zum Abschluss wird von Hand nachgebügelt.
Foto: Robert Newald

Das Leben ist Chemie

Frau Silvia führt uns zu ihrer Mitarbeiterin Tonia, die seit 14 Jahren bei ihr arbeitet und gerade mit Akribie einen Faltenrock von Prada bügelt, der einer sehr bekannten, "sehr sympathischen" Museumsdirektorin gehört. Service ist Frau Silvias Success, daher zieht sie auch gleich dem Fotografen die Hosenträger hinunter: "Kommen S’ her!" Sogleich macht sie sich mit dem Fleckentferner darüber her, feuchtet den Stoff mit Dampf an und jagt mit Luftdruck die Schmutzteile in Richtung Auffangbehältnis, neben dem Ares bereits wieder friedlich schläft, trotz beträchtlichen Lärms.

FRAU SILVIAS REICH Es sind zu 95 Prozent Stammkunden, die in Frau Silvias Textilreinigung kommen, einer davon sogar jeden Monat aus Rom. "In den Vorortebezirken sind die Kunden anders als bei mir", sagte Frau Silvia. "Gott sei Dank sind meine sehr reinlich."
Foto: Robert Newald

Ein roter Pullover mit Essensflecken ("Irgendwas mit Eiweiß") erweist sich als zäh, zäher als jeder Fleck jedoch ist Frau Silvia. Ihr Credo: "Nochmal, nochmal, nochmal." Dass sie, wie andere, einen Zettel auf ein Kleidungsstück picken und draufschreiben würde, dass der Fleck nicht rausgeht, das kommt bei ihr nicht vor. Und wenn der Dreck mal doch nicht rausgeht? Dann gibt sie "ein Zaubermittel" drauf.

Bei Baumwolle und Seide sei das besonders heikel, weil: "In dem Moment, wo Sie zu viel machen, haben Sie weiße Flecken." Sollte es dann also gar keine "chemielose Reinigung", wie sie einem neuerdings auch eingeredet wird, geben? "Das ganze Leben ist Chemie", sagt Frau Silvia. "Wenn Sie was essen und dann aufs Klo gehen, dann ist das auch Chemie." Aber gut, wer eine chemielose Reinigung haben möchte, für den hat sie auch einen Tipp parat: "Nehmen Sie Ihr Hemd, schmeißen Sie’s in den Kübel, und kaufen Sie sich ein neues."

Foto: Robert Newald

Von halb acht Uhr morgens bis halb sieben Uhr abends steht sie hier und bietet neben Reinigung auch jede Menge guter Ratschläge und schneller Pointen an. Unterstützt wird sie von ihren Mitarbeiterinnen Tonia aus Albanien und Munivera, die aus Nordmazedonien stammt, wo "die Leute keine Probleme mit den benachbarten Griechen haben, nur die Politiker". Wichtig, sagt Frau Silvia, sei aber nicht nur in der Politik, sondern auch in einer Putzerei, dass die Menschen sich untereinander gut verstehen, zumal die Damen. "Weil, Sie wissen eh: Wenn wo mehr als zwei Frauen sind, ist es immer problematisch. Aber mit denen zwei passt alles."

Keine Unterwäsche

Darum können sie gemeinsam auch "alles schaffen", sagt Munivera, was ihnen den ganzen Tag lang so in Säcken oder Koffern gebracht wird. Nur Wäsche reinigt Frau Silvia nicht, "oder glauben S’, ich will angegackte Unterhosen?" Über das Reinlichkeitsverhalten der Österreicher könnte sie ganze Romane schreibe, der eine wechselt die Socken täglich, der andere monatlich. Oder Bettwäsche: "Was glauben Sie, was da alles drauf ist? Und dann noch der Dreck!" Human Fluids wie männliches Ejakulat auf Hochzeitskleidern beseitigt sie hingegen routiniert und umstandslos, "das ist ja auch nur Eiweiß".

"In den Vorortebezirken sind die Kunden anders als bei mir", sagte Frau Silvia. "Gott sei Dank sind meine sehr reinlich."
Foto: Robert Newald

Einzig ein situierter Stammkunde mit Connections nach New York, der ihr auch seine Maßanzüge vom Knize bringt, kommt in den Genuss gereinigter Untergatten. Munivera zeigt uns einen Stoß weißer Van-Laack-Shorts, die sogar gebügelt wurden. Der Mann zahlt dafür auch umstandslos, andere hingegen jammern schon über die 2,50, die Frau Silvia für ein Shirt verlangt. 48 bis 78 zahlt man für Abendkleider, aber wenn sie so eines dreimal putzen muss, dann zahlt sie natürlich drauf.

Manchmal, aber nur manchmal bereut sie daher, nicht auf den Rat ihrer "Mutti" gehört zu haben. Die brachte sie 1947 im 2. Bezirk "in der Krummbaumgasse 1 im 3. Stock auf Tür Nr. 20" zur Welt, eine Hausgeburt. Silvia wog 4,5 Kilo, "meine Mutti hatte bei 1,75 Körpergröße aber nur 47 Kilo." Man müsse sich also vorstellen, wie schwer das für sie war und warum sie später wollte, dass ihre Tochter Pharmazie studiert. Silvia aber lernte Friseurin und machte die Meisterprüfung, nach zehn Jahren hatte sie genug von Haaren.

Foto: Robert Newald

Da fand sie diese Putzerei, deren Vorbesitzer sie bereits mehrmals "auf Wechselbasis" verkauft hatte: Bei zu niedrigem Umsatz konnte die Schuld nie getilgt werden. Frau Silvia schaffte es trotzdem, weil sie nebenbei noch bis Mitternacht in eine Pizzeria arbeiten ging. "Lustig war das nicht", sagt sie, aber aufhören will sie jetzt trotzdem nicht. Zu viel Freude hat sie an den Menschen und zu viel Wissen über deren schmutzige Kleider, als dass diese sie jemals aufhören lassen würden. (Manfred Rebhandl, 22.9.2020)