Gitarrist David Gilmour von Pink Floyd (2. v. re., versteckt hinter Drummer Nick Mason): Seinetwegen wurde die Vinylschallplatte zum Hassobjekt.

Foto: EMI

Wir Freunde der silberglänzenden Compact Disc – zumeist ältere, weiße Männer mit Bauchansatz und "Unknown-Pleasures"-T-Shirt – bilden heute eine etwas wunderliche Minorität. Dir, liebe Jugend, sind allerhand Strömungstechniker zu Diensten. Du weißt, wo du suchst, und du findest, was du brauchst. Doch wir Alte, Babyboomer mit häufig abstehenden Segelohren, können nicht mehr anders. Wir sind gelegentlich das Holzofenknistern leid, das unser armes, abgenutztes Vinyl von sich gibt. Wir sind, mit einem Wort, dem Silberrausch verfallen.

In besonders schwachen, selbstmitleidigen Stunden erwerben wir daher kostspielige CD-Klappboxen. Rock’n’Roll-Bands aus den Sechziger- und Siebziger-Jahren haben wahre Hekatomben von Klangmüll hinterlassen. Junge Menschen mit schulterlangem Haar und Doppelhalsgitarren besangen damals – häufig im Falsett – ihre Unsicherheit, sobald es erforderlich schien, der vor Gott Erwählten den Büstenhalter zu lösen. Zumindest malte ich mir, ein pubertierender Profiteur der Kreisky-Jahre, die Not dieser Verzagten mangels besserer Englischkenntnisse so und nicht anders aus.

"Bravo" und die Ehefreuden

Mit fortschreitendem Alter wich die Scheu. "Wimmerlagenten" (H.C. Artmann) wie ich verdankten der wöchentlichen "Bravo"-Lektüre tiefe musikologische Einsichten. Die Schotten von der Tartan-Boyband Bay City Rollers erklärten z.B. gegenüber den Reportern des Teenieblatts, mit ihren Balzgesängen Mädchen auf der ganzen Welt schrittweise an die Freuden des Ehelebens heranführen zu wollen. Das fand ich nicht leicht verständlich, jedoch hochinteressant. Das gelegentliche Aufblitzen von Schamhaar, mit dem "Bravo" seine aufklärerische Arbeit gezielt unterstützte, nahm ich bereitwillig in Kauf.

Mit jedem Jahr wurde das Gesicht meiner armen Mutter länger. Mein Mono-Plattenspieler, eine Art Vinylvernichtungsmaschine, ruinierte nacheinander die Singles von Smokie, Sweet und Space ("Magic Fly"!). Als Deep Purple liefen, verfinsterte sich ihre Miene vollends. Doch ihr Widerstand erlahmte, und sie kaufte mir bei Donauland zu festlicher Gelegenheit Pink Floyds "Wish You Were Here". Leider knackste die Platte immer mitten in David Gilmours innigstem Gitarrensolo.

Die Einführung der Compact Disc begrüßte ich ausdrücklich. Sie schien mir, nach Erringung des allgemeinen Wahlrechts und nach Aufhebung der Todesstrafe, das Projekt der Aufklärung endgültig zu vollenden. (Ronald Pohl, 23.9.2020)