Eine Fabrik braucht auch in Zeiten der Digitalisierung Fachkräfte: Es gibt keine Automaten, die Automatisierung produzieren.

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Die Digitalisierung im produzierenden Gewerbe ist natürlich noch nicht abgeschlossen. Deshalb hat auch das Forschungszentrum Digital Factory an der FH Vorarlberg in Dornbirn weiterhin viel zu tun. Informatiker können nicht zaubern: "Fabriken zu digitalisieren ist eine relativ komplexe Angelegenheit", gibt der Zentrumsleiter Robert Merz zu bedenken.

"Sie müssen die Abläufe vorher erst einmal gut organisieren, um sie digitalisieren zu können. Und dazu braucht es Fachwissen und Kompetenz, um das möglich zu machen." Merz und sein Team arbeiten dazu mit den Betrieben – meist sind es Unternehmen aus der Region – zusammen.

Die Wissenschafter bieten den jeweiligen Firmen eine passende Idee an, wenn man bemerkt, dass dort technologisches Potenzial schlummert. Meistens jedoch bitten die Unternehmen bereits von sich aus das Forschungszentrum um Hilfe: "Wir übernehmen aber keine Projekte, bei denen die Auftraggeber sagen: ‚Hier sind die Daten – kommt in einem halben Jahr mit einer Lösung.‘ Wir können das nämlich nicht allein tun, weil uns das Spezialwissen über Details der Prozesse in den Betrieben fehlt – diese Informationen haben nur die Unternehmen selbst." Für die Entwicklung technischer Lösungen und Algorithmen zur Digitalisierung bildet man daher Teams aus Forschern und Mitarbeitern im Werk.

Dieser Know-how-Austausch wird häufig auch nach Abschluss des Projektes weitergeführt – dabei sei es laut Merz von Vorteil, dass man eine akademische Einrichtung ist und keine Consultingfirma oder ein Ingenieursbüro.

Da das Forschungszentrum zu einer Hochschule gehört, arbeiten in den Teams viele Masterstudierende aus den Bereichen Informatik und Mechatronik mit, die in die Zusammenarbeit mit den Unternehmen eingebunden werden: "Das hat nämlich einen positiven Nebeneffekt: Wenn solche digitalen Strukturen nach der Fertigstellung im Werk weiterleben sollen, fehlen meist Mitarbeiter, die das weiterführen können. Bei uns wechseln aber häufig die Studierenden zur Betreuung der Projektergebnisse in den Betrieb."

Digitales Steuerungssystem

Ein Schwerpunkt am Forschungszentrum ist "Cloud Manufacturing" – also die Steuerung der Produktion via Cloud. Das aktuelle Projekt in diesem Bereich trägt den Namen CIDOP (Cloud Based Information Systems for Distributed and Optimized Production). Die Idee dahinter: Mehrere Anlagen an unterschiedlichen Standorten werden durch ein digitales Steuerungs- und Planungssystem vernetzt.

Durch die Koppelung einzelner Werke kann die Produktion deutlich effizienter werden: Wird ein Auftrag erstellt, entscheidet das System nach der Analyse aller relevanten Faktoren, in welcher Anlage produziert wird. Selbst wenn ein Standort überlastet ist, soll das Programm eine Produktionsverlagerung schnell einleiten können.

Braucht die Fabrik von morgen den Arbeiter dann gar nicht mehr? "Doch, sehr wohl", widerspricht Merz. "Die menschenleere Fabrik halte ich nicht für möglich, und sie ist nicht unser Ziel. Da, wo es automatisch geht, wollen wir die Abläufe möglichst fehlerfrei automatisieren und den Menschen dort gezielt einbinden, wo seine Fähigkeiten nötig sind."

Merz verweist auf das Beispiel Schweißstraße: Operativ verrichten hier Roboter computergesteuert ihre Arbeit fast gänzlich allein. Aber um so ein System zu konstruieren und seinen Betrieb sicherzustellen, brauche es sehr viele Fachkräfte. Denn: "Es gibt noch keine Automaten, die Automatisierung produzieren."

Merz glaubt nicht an den großen Stellenabbau im Zuge der Digitalisierung. Nicht nur für die Programmierung und Wartung werden weiter Menschen gebraucht – auch in der Konstruktion bleiben sie gefragt. Ein normaler Würfel ist etwa längst automatisch in riesiger Stückzahl zu fertigen.

Aber manche Bauteile sind nach wie vor für Computerprogramme zu komplex, um sie allein herzustellen: "Mit unserer Sensorik in den Fingern oder der Bildverarbeitungsleistung in Augen und Gehirn kommen die Maschinen nicht mit." Zum alten Eisen gehören Fabrikarbeiter also noch nicht. (Johannes Lau, 3.10.2020)