US-Unterhändler Marshall Billingslea hat über den Sommer verhandelt. Bisher ohne Erfolg.

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Der "Dealmaker" ist wieder da: In den letzten Wochen hat US-Präsident Donald Trump eine Reihe von bemerkenswerten Abkommen auf internationaler Ebene abschließen können. Die Vereinigten Arabischen Emirate und Bahrain erkennen Israel als Staat an und haben unter Federführung der USA eine Normalisierung der Beziehungen zu Tel Aviv vereinbart. Mögen die Palästinenser die Verträge auch als Verrat einstufen, daheim lässt sich Trump dafür zwei Monate vor der Präsidentenwahl als Friedensstifter im Nahen Osten feiern.

Auf einen ähnlichen Effekt mag der innenpolitisch wegen der Corona-Krise unter Druck stehende US-Präsident bei den Verhandlungen über eine Verlängerung des Abrüstungsabkommens New Start zur Verringerung strategischer Waffen gesetzt haben. Eine solche Interpretation erlauben zumindest die Forderungen und Aussagen des US-Unterhändlers Marshall Billingslea.

Über mehrere Runden hatten er und Russlands Vizeaußenminister Sergej Rjabkow im Sommer verhandelt. Ohne konkretes Ergebnis, aber immerhin mit ein paar optimistischen Aussagen anschließend. Wie sich nun beide Politiker im Interview mit der russischen Tageszeitung "Kommersant" äußern, bleibt wenig Hoffnung auf den Erhalt des Start-Abkommens.

"Nur für die USA gut"

Die Positionen sind immer noch völlig konträr zueinander. Billingslea spricht von einem "guten Angebot", Rjabkow kontert, der Deal sei nur für die Amerikaner selbst gut. "Alle drei Punkte, die die USA als Vorbedingungen dafür nennen, einer Verlängerung des New-Start-Vertrags zuzustimmen, gehen uns zu weit und enthalten keine für uns attraktiven Elemente", sagte er.

Die erste Vorbedingung Washingtons für eine Verlängerung des Abkommens besteht darin, seine Kompetenzen auch auf die Kontrolle über taktische Atomsprengköpfe auszuweiten. Zweitens fordern die USA eine Verstärkung der Kontrollmaßnahmen und drittens eine Einbeziehung Chinas in den Vertrag.

Teilnahme Chinas als Zankapfel

Russland wiederum will bei einer Ausweitung des Vertrags nicht nur die Sprengköpfe, sondern auch die Abschussrampen reduzieren. Die von Washington geforderten zusätzlichen Kontrollen nennt Rjabkow angesichts der bilateralen Spannungen und des fehlenden gegenseitigen Vertrauens "zudringlich". Die Teilnahme Chinas an dem Vertrag wiederum sieht er als Angelegenheit der Chinesen und verweist darauf, dass auch Großbritannien und Frankreich nicht an dem Start-Abkommen beteiligt seien.

Das größte Problem jedoch scheinen nicht die unterschiedlichen Auffassungen zu den Konditionen einer Verlängerung zu sein, sondern dass Trump versucht, mit dem Thema im Wahlkampf zu punkten.

Die amerikanische Seite hat Russland zu verstehen gegeben, dass sie ein ähnlich symbolisches neues Rahmendokument wünscht wie beim Abschluss von New Start. Wurde das ursprüngliche Start-Abkommen nämlich 1991 zwischen George Bush und Michail Gorbatschow unterzeichnet, so setzten beim New Start schon Barack Obama und Dmitri Medwedew 2010 ihre Unterschriften unter das Dokument.

"Eintrittsgeld" steigt nach den Wahlen

Trump will wohl vor der Wahl ein ähnliches Dokument der Öffentlichkeit präsentieren und macht daher Druck. Die Vorbedingungen für eine Verlängerung des Vertrags seien befristet, sagte Billingslea. "Ich nehme an, wenn Russland sie nicht annimmt, dann wird das Eintrittsgeld – wie wir in den USA sagen – steigen, nachdem Trump wiedergewählt wurde", fügte der Diplomat hinzu.

Doch ein solches Ultimatum kommt im Kreml naturgemäß schlecht an. Rjabkow fühlte sich an eine Szene aus der Sowjetsatire "Zwölf Stühle" von Ilja Ilf und Jewgeni Petrow erinnert, wo sich einer der Protagonisten dreist an den Eingang einer Grotte setzt und Eintrittsgeld verlangt. Russland sei prinzipiell nicht bereit, einfach so ein solches Eintrittsgeld zu entrichten, machte er deutlich.

Damit droht ein weiterer internationaler Abrüstungsvertrag wegzubrechen, auch wenn Trumps Herausforderer Joe Biden im Falle seiner Wahl eine Verlängerung verspricht. Die Amtseinführung des Präsidenten ist am 20. Jänner, New Start läuft bereits wenige Tage später, am 5. Februar, aus. (André Ballin aus Moskau, 22.9.2020)