Die Stadt soll energieeffizienter werden. Ein Ziel: Die einzelnen Gebäude sollen insgesamt mehr Energie erzeugen, als sie verbrauchen.

Foto: Getty Images / iStock / Brendan Hunter

Mit dem Ausbau erneuerbarer Energiequellen verändert sich auch das Management der Energienetze von Grund auf. Die fluktuierende Produktion von Elektrizität macht es notwendig, auch das Verhalten der Verbraucher – also wann wo wie viel Strom benötigt wird – mit ins Kalkül zu nehmen. Sie sollen etwa mithilfe kluger und vernetzter Technologien dazu gebracht werden, im Sinne der Netzstabilität zu agieren und Energie vor allem dann aus dem Netz zu ziehen, wenn sie im Überfluss vorhanden ist.

Moderne Stadtbauten sollen also nicht nur "für sich" effizient mit Energie umgehen, sondern sich auch in Sinne des Gesamtsystems "netzdienlich" verhalten. An der FH Technikum Wien laufen zwei Projekte, die in dieser Hinsicht den Energiehaushalt von Wohnbauten mit der Perspektive des Netzmanagements zusammenbringen: Zukunftsquartier 2.0 widmet sich der optimalen Systemauslegung von Plus-Energie-Quartieren, die also einen hohen Anteil ihres Energiebedarfs vor Ort decken können.

Das Projekt Flucco+ stellt dagegen Nutzerkomfort und CO2-Neutralität der Bauten in den Fokus. Unterstützt werden beide Projekte vom Klimaschutzministerium und der Förderagentur FFG.

Positive Energiebilanz

Plus-Energie-Quartiere sind Gebäude, deren Energieproduktion den Verbrauch übers Jahr gesehen übertrifft. Allerdings soll dabei den besonderen Umständen in der Stadt Rechnung getragen werden. "In Einfamilienhäusern ist es einfacher, einen Plus-Energie-Status zu erreichen, weil in Relation mehr Fläche zur Verfügung steht. Deshalb berücksichtigen wir eine ,Belohnung‘ für die dichte Verbauung in unserer Definition", erklärt Momir Tabakovic vom Department of Renewable Energy der FH Technikum, der beide Projekte leitet.

Im Projekt Zukunftsquartier 2.0 begleiten Tabakovic und seine Kollegen die Planung und den Bau eines solchen Quartiers in Wien mit Analysen und Optimierungsvorschlägen. "Das Ziel ist, gemeinsam mit Architekten und Bauträgern eine netzdienliche Integration zu erreichen. Gleichzeitig sollen die erarbeiteten Konzepte auch für weitere Bauten replizierbar sein", sagt der Forscher.

In zahlreichen Entwürfen werden Vorschläge zu nutzbaren Technologien, optimierten Regelungen und der Erhöhung des Speicherpotenzials der Gebäude gemacht, wobei auch Wirtschaftlichkeit und Nutzerfreundlichkeit im Blick behalten wurden. Die Mischnutzung mit Wohn-, Verkaufs- und Büroflächen erhöht die Diversität der Verbraucher, was zur Netzdienlichkeit beiträgt.

Flexibilität und Nutzerkomfort

Ein wesentlicher Aspekt der Optimierung ist die Konkurrenz von Photovoltaik (PV), die für das Erreichen des Plus-Energie-Status notwendig ist, und Begrünungen, die auf frei zugänglichen Bereichen erwünscht sind. "Wir haben 3D-Modellierungen zur optimalen PV-Verteilung beigetragen", sagt Tabakovic. "Ein Teil wird nun etwa auch in die Fassade integriert."

Wie die netzdienliche Flexibilität eines Gebäudes mit dem Nutzerkomfort zusammengeht, das untersuchen die Forscher im Projekt Flucco+. Wenn die Heizung dank Wärmepumpeneinsatzes von erneuerbaren Energieträgern abhängt, kann sie wesentlich zum Lastmanagement beitragen. Überschüsse werden dann in Form höherer Raumtemperatur "gespeichert".

Doch welche Temperaturbereiche werden als komfortabel empfunden und toleriert? Die Forscher versuchen, in Befragungen mehr zu den Vorstellungen der Nutzer im Hinblick auf diesen und ähnliche Sachverhalte herauszufinden.

Zu den Raumtemperaturen werden darüber hinaus eigene Versuche durchgeführt, bei denen Probanden in thermisch kontrollierten Räumen arbeiten. Die mögliche Flexibilisierung wird getestet und ein Minimum und Maximum für Temperatur und Feuchte festgelegt.

CO2-Signal

Ein weiterer Forschungsansatz widmet sich der Gestaltung allgemeiner Energienetzmechanismen. Ein Anreiz zum Konsum von Überschussstrom ist im Moment über den Preis gegeben. Eine hohe Verfügbarkeit sorgt für einen geringen Strompreis – und umgekehrt.

Tabakovic und seine Kollegen wollen hier eine neue Systematik erkunden, die nicht den Preis, sondern die CO2-Emissionen ins Zentrum rückt. Ein derartiges "CO2-Signal" könnte im Viertelstundentakt anzeigen, welche Gebäude Potenzial haben, aktuell vorhandenen sauberen Strom aufzunehmen. Die angestrebte Netzdienlichkeit könnte so auf neue Art in Zahlen gefasst werden. (Alois Pumhösel, 28.9.2020)