Am Montag wurde publik, dass die Ermittlungen gegen Strache wegen Spenden an FPÖ-nahe Vereine eingestellt wurden. Weitere Ermittlungen laufen noch, Strache will aber in der Politik bleiben.

Foto: Robert Newald

Auf dem Tisch liegt ein FPÖ-Feuerzeug, an der Wand hängt ein Foto Heinz-Christian Straches aus seinen Zeiten als Freiheitlicher. Nun kämpft er als Spitzenkandidat des Teams HC Strache bei der Wien-Wahl gegen seine ehemalige Partei dafür, über die Fünf-Prozent-Hürde zu kommen. Im Interview spricht Strache über Spesen, sein Konto und antisemitische Äußerungen einer Kandidatin – und darüber, dass eine Wiedervereinigung mit den Blauen nicht ausgeschlossen ist.

STANDARD: Bei der letzten Wien-Wahl hatten Sie Chancen auf den Bürgermeister, nun müssen Sie um den Einzug zittern. Ist das Original doch nicht so zugkräftig?

Strache: Schon, denn wir haben seit meiner Überlegung, mich für mein Comeback zu entscheiden, erlebt, welche Dynamik wir zustande bekommen haben. Wir haben seitdem politisch mehr erreicht als so manche Mitbewerber in den letzten drei Jahren.

STANDARD: Dennoch rechnen Umfragen mit dem Bruchteil früherer Ergebnisse. Liegt das an Ibiza, an den Spesen oder daran, dass Sie keine FPÖ mehr im Rücken haben?

Strache: Das liegt daran, dass eine totale Zäsur stattgefunden hat, als ich vor über einem Jahr am Boden gelegen bin. Da hatte ich zwei Entscheidungsmöglichkeiten: liegen zu bleiben oder wieder aufzustehen. Ich habe einen Neubeginn gesetzt, und das ist etwas, das viel Klarheit und Kraft mit sich bringt.

STANDARD: Was müsste passieren, damit Sie mit Ihrer ehemaligen Partei wieder fusionieren?

Strache: Man muss sich selbst für Fehler verzeihen können. Ich habe die größte Strafe bezahlt für meine blöden Aussagen und Meldungen, für die ich mich auch entschuldigt habe. Man muss aber auch anderen verzeihen können. Das ist eine Grundvoraussetzung. Und viele in der Wiener FPÖ wünschen sich, dass wir erfolgreich werden als Team HC und würden sich wünschen, dass man zusammenkommt und dass ich Parteichef werde.

STANDARD: Sie schließen nicht aus, dass es zu einer Versöhnung kommt?

Strache: Aussöhnung ist wichtig. Ich habe es immer so gehandhabt, dass nicht die Frage ist, wer welches Parteibuch hat. Dort, wo es darum geht, Inhalte für die Menschen im Land weiterzubringen, rede ich mit allen, die bereit sind, da für die Menschen etwas weiterzubringen.

STANDARD: Ihre jetzige Tätigkeit üben Sie ehrenamtlich aus. Wie viele Spesen kamen da bisher zusammen?

Strache: Das kann ich Ihnen nicht sagen, weil ich in der Regel keine Spesen habe.

STANDARD: Also kein Taxi, nicht einmal ein Kaffee?

Strache: Wenn die Partei zu Veranstaltungen einlädt, bin ich auf die Getränke eingeladen.

STANDARD: Wer zahlt eigentlich für Ihren Wahlkampf?

Strache: Wir haben ein geringes Budget und machen das mit Herzblut und Idealismus wett, indem wir Bürgerinformationsstände und Gemeindebaufeste haben und ein paar Inserate, die über einen Kredit möglich geworden sind.

STANDARD: Ihre Kandidatin Christina Kohl schrie kürzlich auf einer Demo: "Soros muss weg, Rothschild muss weg, Rockefeller muss weg" ...

Strache: Sie sagte auch, dass Kurz und die Antifa wegmüssen. Das unterschreibe ich. Aber reden wir über die Spitzenkandidaten und nicht über Kandidaten, die jenseits des Platzes 15 liegen. Es ist ja schön, wenn Sie uns 17 Landtagsmandate geben.

STANDARD: Die Liste ist über 200 Namen lang, Platz 17 ist da nicht weit hinten. Was hätten Sie gesagt, wenn Sie neben ihr gestanden wären?

Strache: Dann hätte ich gesagt: "Du, bitte, in Zukunft mach’s differenzierter."

STANDARD: Wer sind eigentlich die Expertinnen und Experten, auf die Sie sich in der Corona-Debatte stützen?

Strache: Die werde ich jetzt nicht zitieren, aber es sind Ärzte, die in Wien tätig sind, die alle eine Meinung haben, aber sich teilweise nicht mehr trauen, sie öffentlich kundzutun. Weil sie erleben mussten, dass bereits Ärzte in diesem Land Berufsverbot erhalten haben, und das ist der eigentliche demokratiepolitische Skandal.

STANDARD: Die Wirtschafts- und Korruptionsstaatsanwaltschaft (WKStA) stellte ihre Ermittlungen zu FPÖ-Vereinsspenden ein. Wer wird damit mehr entlastet: Sie oder Ihre Ex-Parteikollegen?

Strache: Die WKStA hat – dem Objektivitätsgebot folgend – bisher nicht veröffentlichte Passagen des Ibiza-Videos zum Ermittlungsakt genommen. Diese haben mich nicht nur entlastet, sondern ergeben auch ein völlig anderes Bild als jenes, das durch die von der Süddeutschen Zeitung und vom Spiegel ausgewählten Passagen vermittelt wurde.

STANDARD: Wie viele Verfahren laufen dann noch gegen Sie?

Strache: Es stehen ein paar Ermittlungen bereits vor der Einstellung. Vorgestern wurde das erste von sieben eingestellt.

STANDARD: Ermittler in der Spesenaffäre wollen Ihr Konto öffnen. Was in Ihren Kontobewegungen könnte unangenehm werden?

Strache: Ich hab nichts zu befürchten. Aber natürlich ist es zutiefst unangenehm, weil man nicht alles, was man im Leben tut, der Öffentlichkeit preisgeben will.

STANDARD: Sie gehen ja davon aus, dass es nicht zu einer Verurteilung kommen wird. Warum haben Sie dann mit Ihrer Kandidatur nicht bis zum Ende der Verfahren gewartet?

Strache: Weil das genau der Mechanismus dieser kriminellen Strukturen wäre, die mich jahrelang vernichten wollten: Dass man jemanden mit Konstruktionen, mit Anpatzungen, Verleumdungen belastet, einen als unbescholtenen Bürger in einen Ermittlungsstrang bringt und damit jahrelang ausschaltet. Das sieht man ja bei Grasser, der seit zehn Jahren Ermittlungsverfahren erleben muss, in Wahrheit zehn Jahre seines Lebens ruiniert bekommen hat.

STANDARD: Sie haben vor einem Jahr angekündigt, die Politik zu verlassen. Was muss passieren, damit Sie sich komplett in die Privatwirtschaft zurückziehen?

Strache: Die Pension. (Gabriele Scherndl, 23.9.2020)