Haben sich nicht mehr viel zu sagen, freuten sich am Montag aber beide: Heinz-Christian Strache (links) und Johann Gudenus (rechts).

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Dass sich Heinz-Christian Strache, Johann Gudenus und die FPÖ gleichzeitig über etwas freuen, kommt nicht mehr allzu oft vor. Eine knappe Benachrichtigung der Wirtschafts- und Korruptionsstaatsanwaltschaft (WKStA) hat das aber geschafft: Das Ermittlungsverfahren in Bezug auf das blaue Vereinsnetzwerk ist eingestellt worden, war darin zu lesen.

Einen raschen Abschluss des Verfahrens hatten Beteiligte schon vermutet, eine komplette Einstellung allerdings nicht. Noch im Frühjahr war in Ermittlungsberichten zu lesen gewesen, dass die Vereine wie das Institut für Sicherheitspolitik oder Patria Austria aufgesetzt worden sein sollen, um "finanzielle Zuwendungen für die FPÖ respektive Heinz-Christian Strache zu lukrieren".

Die damalige Parteispitze in Form von Strache und Gudenus hatte aktiv um Spenden für die Vereine geworben und sich in Chatnachrichten über eingegangene Zahlungen gefreut. Im Ibiza-Video hatte Strache 2017 wiederholt davon gesprochen, dass Zuwendungen für die FPÖ über Vereine "am Rechnungshof vorbei" geschleust werden können.

Prominente Förderer

Allerdings ist es den Ermittlern nicht gelungen, Geldflüsse von den einzelnen Vereinen zur FPÖ oder zu deren Vertretern beziehungsweise Untreue festzustellen. Schon rasch nach dem Auftauchen des Ibiza-Videos hatten die Vereine Berichte externer Wirtschaftsprüfer veröffentlicht, laut denen keine Geldflüsse in Richtung Partei stattgefunden haben.

Den Vereinen spendeten beispielsweise der Waffenhersteller Steyr Arms (75.000) und Firmen aus dem Imperium der Industriellenfamilie Turnauer (475.000 Euro).

Mit dem Institut für Sicherheitspolitik (ISP) kooperierte der Glücksspielhersteller Novomatic (seit dem Jahr 2018 exakt 200.000 Euro), eine Förderung gab es vom Verteidigungsministerium – abgeschlossen noch unter Hans Peter Doskozil (SPÖ). Das ISP war auch der aktivste Verein im blauen Netzwerk. Er veranstaltete Workshops, Konferenzen und veröffentlichte Studien. Die anderen Vereine traten öffentlich kaum in Erscheinung. Sie waren laut Gudenus als Thinktanks geplant worden.

Entlastungszeuge Ibiza-Video

Laut Straches Anwalt Johann Pauer habe die WKStA nun "zahlreiche bisher nicht veröffentlichte Passagen des Ibiza-Videos zum Ermittlungsakt genommen". Diese hätten seinen Mandanten "nicht nur entlastet, sondern ergeben auch ein völlig anderes Bild als jenes, welches durch die von 'Süddeutscher Zeitung' und 'Spiegel' ausgewählten Passagen vermittelt wurde". Aber auch das gesamte Transkript des Ibiza-Videos, das dem STANDARD vorliegt, zeigt Korruptionsinteresse des damaligen Parteichefs. Dass dieser sich zierte, einen fixen Deal mit der falschen Oligarchennichte abzuschließen, hatten auch "Spiegel" und "Süddeutsche" in ihrer Berichterstattung regelmäßig erwähnt.

Blaue Erleichterung

Die Einstellung belege "nun eindrucksvoll die in der Zweiten Republik beispiellose Hetzkampagne gegen meine Person" kommentierte Strache, der sich bei den Behörden für ihr "vorbildliches und rechtsstaatlich korrektes Vorgehen" bedankte.

Auch Johann Gudenus freute sich, "dass die Ermittler nach 15 Monaten das erkannt haben, was von Anfang an klar war: Spenden an Vereine und das Bitten um solche ist nicht illegal und schon gar nicht strafrechtlich relevant – auch nicht wenn es um ein freiheitliches Umfeld geht".

"Politisch Genugtuung" verspürte auch Herbert Kickl (FPÖ), der darauf verwies, wegen der Ibiza-Ermittlungen von der ÖVP aus dem Innenministerium gedrängt worden zu sein – für Kickl der wahre Grund für das Platzen der türkis-blauen Koalition. Ebenso erleichtert gab sich die FPÖ Wien.

Allerdings ist es keineswegs so, dass nun alle durch das Ibiza-Video ausgelösten oder intensivierten Ermittlungen beendet sind. Auch im breiteren Themenfeld Vereine wird noch ermittelt, und zwar gegen FPÖ-Chef Norbert Hofer. Die WKStA prüft hier, ob Vereinsspenden des Unternehmers Siegfried Stieglitz einen Zusammenhang mit dessen Bestellung als Asfinag-Aufsichtsratschef haben. Das Büro Hofer geht hier ebenfalls von einer raschen Einstellung aus, es gilt die Unschuldsvermutung.

Strache noch Beschuldigter

Auch Strache hat noch eine Reihe von anderen Verfahren am Hals: Seine Ex-Partei hat sich erst unlängst dem Verfahren wegen Untreue angeschlossen. Dabei handelt es sich um die sogenannte Spesenaffäre: Enge Ex-Mitarbeiter Straches hatten ausgesagt, ihr Chef habe Spesenbelege falsch abgerechnet; er bestreitet das. Ermittelt wird auch in der Causa Privatkliniken: Hier steht im Raum, dass sich Strache wegen persönlicher Vorteilsnahme für eine Gesetzesänderung starkgemacht hat, die der Privatklinik seines Freundes Walter Grubmüller Vorteile gebracht hat.

Gesetzesänderungen

Über all dem schwebt natürlich noch der große Brocken Casinos-Affäre. Hier sind nicht nur Strache und Gudenus Beschuldigte, sondern auch mehr als ein Dutzend weitere (Ex-)Politiker und Manager. Mit einem Abschluss dieser Ermittlungen ist erst in ferner Zukunft zu rechnen, prognostizieren Kenner der Materie. Politisch bleibt das blaue Vereinswesen allerdings weiterhin interessant, kündigte die politische Konkurrenz an: Man werde sich im Ibiza-Untersuchungsausschuss auch künftig der Materie annehmen, hieß es etwa vonseiten der SPÖ und der Neos. Das Justizministerium erarbeitet außerdem derzeit schärfere Korruptionsgesetze. Diese sind auch als Reaktion auf Ibiza zu verstehen. (Fabian Schmid, Renate Graber, 22.9.2020)