Übergeben Landwirte ihre Flächen im Familienkreis, kommt eine Begünstigung bei der Grunderwerbsteuer zum Tragen. Mit dieser befasst sich nun der Verfassungsgerichtshof.

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Manche Probleme begleiten einen ein halbes Leben lang. So ist das nicht nur im Alltag, sondern auch im steuerlichen Bereich. Dort steht wieder einmal ein Punkt zur Debatte, mit dem verschiedene Gerichtshöfe in den letzten Jahrzehnten zuhauf befasst waren: der Einheitswert. So basierte einst die Erbschaftsteuer auf den Einheitswerten und wurde 2007 vom Verfassungsgerichtshof gehoben, weil die völlig veraltete Bemessungsgrundlage zu gleichheitswidriger Besteuerung geführt hatte.

Es macht einen Unterschied, ob ein Grundstück in Wiener Citynähe oder im Mölltal vererbt wird, der aber durch die aus 1973 stammenden Einheitswerte nicht abgebildet wird. Wegen Uneinigkeit in der damaligen SPÖ-ÖVP-Regierung ließ man die Abgabe auslaufen. Auch die Schenkungssteuer fiel wenig später aus demselben Grund. 2012 musste dann auch die Grunderwerbsteuer nach einem Spruch des Verfassungsgerichtshofs auf neue Beine gestellt werden.

Völlig veraltete Einheitswerte

Seither wird die Grunderwerbsteuer bei Erbschaften und Schenkungen vom Verkehrswert berechnet, der die reale Preislage widerspiegelt. Es gibt aber eine große Ausnahme: Bei der Novellierung der Grunderwerbsteuer machten Regierung und Parlament einen großen Bogen um die Land- und Forstwirte, bei denen die Einheitswerte auch eine wichtige Rolle für Einkommensteuer und Sozialversicherungsabgaben spielen.

VfGH-Präsident Grabenwarter hat einen brisanten Antrag auf dem Tisch.
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Bauern können trotz der Reform weiter auf die niedrigen Einheitswerte vertrauen, wenn sie Grund und Boden im Familienkreis übertragen. Das führt zu erstaunlichen Ergebnissen, wie ein aktueller Fall zeigt, der vor dem Bundesfinanzgericht landete.

Ergebnis unrealistisch

Für die Übertragung eines Grundstückes wäre der Quadratmeter für die Grunderwerbsteuer mit 3,5 Cent festgelegt worden. Das hätte einen Wert von 9.500 Euro ergeben, während der Verkehrswert bei 570.000 Euro liegt. Der eruierte Einheitswert sei in Österreich "unabhängig von der Lage und Beschaffenheit des Grundstückes gänzlich unrealistisch", heißt es in einem Schriftsatz des Bundesfinanzgerichtshofs, der in Steuerfragen urteilt.

Das ist insofern bemerkenswert, als 2014 wegen der verfassungsrechtlichen Mängel eine Neufeststellung der Einheitswerte erfolgte, mit der der Preisentwicklung Rechnung getragen werden sollte. Doch am Auseinanderklaffen der Grundstücksbewertung habe sich dadurch "offenbar nichts geändert", weshalb die Methode "dem Sachlichkeitsgebot widerspricht und somit verfassungsrechtlich bedenklich ist".

Aufhebung beantragt

Folglich hat das Gericht den für die Landwirtschaft relevanten Paragrafen im Grunderwerbsteuergesetz dem Verfassungsgerichtshof vorgelegt und dessen Aufhebung angeregt. Das nächste Problem: Während das Grundstück mit mehr als 27 Hektar dank Einheitswert mit 9.500 Euro bemessen wurde, steht das dort befindliche, sanierungsbedürftige Haus mit 125.000 Euro zu Buche. Auch diese Diskrepanz hält das Finanzgericht für realitätsfern und bedenklich.

Folgt der Verfassungsgerichtshof (VfGH) dem Gericht, sind heftige Turbulenzen innerhalb der Bauernschaft zu erwarten. Das Einfachste wäre, auch in der Landwirtschaft auf den Verkehrswert umzusteigen, wodurch die Grunderwerbsteuer explodieren würde. "Eine Mehrbelastung bei der Grunderwerbsteuer würde die Fortführung landwirtschaftlicher Betriebe massiv erschweren", meint dazu Peter Kaluza, Rechtsexperte der Landwirtschaftskammer. Er ist – anders als das Finanzgericht – davon überzeugt, dass das Problem veralteter Einheitswerte durch die Neufeststellung im Jahr 2014 beseitigt worden sei.

Gesamtes Steuersystem betroffen

Die Entwicklung der Marktpreise sehen die Bauern nicht als angemessenen Vergleich an, da ein landwirtschaftlicher Boden grob gesagt immer den gleichen Ertrag abwerfe. Der Verkehrswert weiche hingegen aufgrund der Lage oft davon ab, erklärt Kaluza.

Das Problem geht freilich noch viel weiter. Die Einheitswerte fungieren in der Landwirtschaft häufig auch als Basis für die Einkommensteuer und die Sozialversicherungsabgaben. Diese Form der Pauschalierung führt laut Kritikern zu einer insgesamt niedrigen Abgabenpflicht im Agrarbereich. Würden die Einheitswerte gehoben, wären die anderen Abgaben zwar nicht unmittelbar davon betroffen, weil jetzt nur die Grunderwerbsteuer aufs Tapet kommt. Aber möglicherweise würde eine "Kaskade an weiteren Anträgen beim VfGH" in Gang gesetzt, befürchtet Kaluza.

Weiterer Antrag eingebracht

Doch damit nicht genug: Das Bundesfinanzgericht legt noch einen zweiten Fall dem VfGH vor. Dabei wurde ein Teil einer landwirtschaftlichen Fläche übertragen. Das Gericht meint nun, dass hier nicht der Einheitswert zur Anwendung gelangen dürfe. Dieser gelte nur für den Erwerb landwirtschaftlicher Betriebe, nicht von Grundstücken. (Andreas Schnauder, 23.9.2020)